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Exodus. Als ich zum Fotoapparat griff, sah ich keine Sonnenblumen mehr, sondern Frauen, die in den Gewändern ihrer Vorfahren über die trockenen Felder Kastiliens liefen. Ein Heer von Geistern - der unaufhaltsame Exodus des spanischen Landlebens.

© Foto: © Vicente Ansola, Spain, Winner, Open, Landscape, 2022 Sony World Photography Awards

Preisgekrönte Fotografie aus aller Welt: Klimawandel ist in vielen Bildern sichtbar

Eine Ausstellung im Berliner Willy-Brandt-Haus zeigt die Gewinner des Sony World Photography Awards 2022.

Obwohl sie längst verdorrt sind, stehen die Pflanzen mit geneigten großen Köpfen da, wirken wie Gestalten in weiten Umhängen. „Eine Armee von Geistern“ nennt Vincente Ansola aus Spanien seine Schwarzweißaufnahme eines vertrockneten Sonnenblumenfeldes in Kastilien, ein Zeichen des Klimawandels, der dem Süden Spaniens immer größere Probleme bereitet.

Ansola errang mit dieser Arbeit den 1. Platz des Offenen Wettbewerbs in der Kategorie Landschaft des „Sony World Photograph Awards 2022“, der nun zum achten Mal im Willy-Brandt-Haus auf Einladung des Freundeskreises gastiert.

Die Jury hatte Schwerstarbeit zu leisten, 340.000 Fotos aus 211 Ländern waren eingereicht worden. Entstanden ist das Protokoll eines ereignisreichen Jahres, das sich in den Kategorien Architektur & Design, Kreativ, Dokumentarische Projekte, Umwelt, Landschaft, Portfolio, Porträt, Sport, Stillleben, Natur & wilde Tiere spiegelt.

Fotograf des Jahres wurde der Australier Adam Ferguson mit seiner Schwarzweiß-Serie „Migrantes“. Migranten, die in Mexiko an der Grenze zu den USA warten, um diese zu passieren, inszenieren sich hier selbst vor der Kamera. Per Selbstauslöser entscheiden sie, wann ein Bild entsteht. Aus ihren Augen spricht stille Hoffnung, aber auch eine gewisse Skepsis, ob das Vorhaben gelingt.

Der Klimawandel ist ein häufiges Thema

Die Folgen von Migration in beide Richtungen schildert Domagoj Burilovic mit seiner Serie „Dorf“. Zu sehen sind Häuser deutscher Einwanderer, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Slawonien in Kroatien gekommen waren, um hier landwirtschaftliche Betriebe zu gründen. Diese prächtigen stuckverzierten Häuser sind heute verlassen, weil das Dorf keine Perspektive mehr bietet. Die Natur, die einst gezähmt werden sollte, nimmt sich ihren Teil zurück. Burilovic collagiert dazu überwucherndes Grün und Hausruinen.

Der Klimawandel beschäftigte viele Fotografen, so etwa Shunta Kimura, der in der Serie „Leben im Umbruch“ Menschen in Bangladesh beobachtet hat, denen die Überflutung droht, die aber bleiben wollen – eine stumme Mahnung. Dramatischer ist dagegen die Fotoserie des Südafrikaners Gideon Mandel, der Menschen in verschiedenen Ländern in den Ruinen ihrer Häuser nach verheerenden Waldbränden zeigt, auch dies ein Ausdruck von Überlebenswillen.

„Solar Sea“ von Manuel Schmidt. Eine neue Generation von Solarpanelen hat den Fotografen inspiriert.
„Solar Sea“ von Manuel Schmidt. Eine neue Generation von Solarpanelen hat den Fotografen inspiriert.

© Foto: © Manuel Schmidt, Germany, Shortlist, Open, Landscape, 2022 Sony World Photography Awards

Die Pandemie hat weltweit vielen Menschen zu schaffen gemacht, einige Fotografen sind sehr ungewöhnlich mit den Folgen des Lockdowns umgegangen. Gareth Iwan Jones hat in seiner Heimat, der Grafschaft Wiltshire, statt Menschen einsame Bäume auf den zahlreichen Hügeln bei einbrechender Dunkelheit porträtiert.

Fußballspiele fanden unter Ausschluss des Publikums statt. Die treuen Fans von Bohemians Prag 06 wussten sich zu helfen und stellten sich bei Wind und Wetter mit langen Bauleitern an die Stadionmauer, um so trotzdem das Spiel verfolgen zu können, wie Roman Vondrous zeigt.


Asche-Porträts. Pfarrer Ioannis Siaflekis in der historischen Kirche Agion Taxiarchon aus dem 18. Jahrhundert im Dorf Kokinomilia. Diese Zerstörung war das Ergebnis der massiven Brände, die große Teile der Insel Evia verwüsteten, nachdem Griechenland im Sommer 2021 eine beispiellose Hitzewelle erlebt hatte.
Asche-Porträts. Pfarrer Ioannis Siaflekis in der historischen Kirche Agion Taxiarchon aus dem 18. Jahrhundert im Dorf Kokinomilia. Diese Zerstörung war das Ergebnis der massiven Brände, die große Teile der Insel Evia verwüsteten, nachdem Griechenland im Sommer 2021 eine beispiellose Hitzewelle erlebt hatte.

© Foto: © Gideon Mendel, South Africa, Finalist, Professional, Environment, 2022 Sony World Photography Awards

Auffällig ist, dass sich die Perspektive der Fotografen langsam verändert, es kommen immer öfter Drohnen zum Einsatz. Der Mont Saint-Michel ist schon oft fotografiert worden, doch Cigdem Ayyildiz‘ Drohnenfoto bei Sonnenuntergang und Ebbe zeigt den berühmten Berg fast wie eine Skulptur.

Auch Amal Phrasad aus Katar nutzt eine Drohne für sein fast abstrakt wirkendes Foto „Struggle for Life“: Dorffischer ziehen zu je zehn Mann ein großes Netz an langen Tauen durch die Brandung an den Strand.

Auch die Natur verändert sich, Manuel Schmidt zeigt in „Solar Sea“ vor einem dichten Wald grün schimmernde geschwungene Solarpanele, die wie ein Wellenmeer aussehen. In Wonyoung Chois Foto „Eine Stadt in den Wolken“, das von einem Berg aufgenommen wurde, schieben sich so viele Wolken zwischen die Hochhaustürme Seouls, dass das Foto fast abstrakt wirkt. Fotografie hat viele Möglichkeiten, die Wirklichkeit immer wieder aufs Neue festzuhalten.

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