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 Berliner Band Die Verlierer beim Konzert im SO36.

© Milan Koch

Punksensation Die Verlierer im SO36: Stinkefinger für Berlin

Zwei Tage hintereinander hat die noch junge Band das SO36 ausverkauft. Am Ende des ersten Abends ist sicher: Punkrock gibt noch immer die richtigen Antworten auf die Probleme unserer Zeit.

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Sie nennen sich Die Verlierer, doch karrieretechnisch geht es für die Berliner Punkband gerade ganz anders zu. Vor vier Jahren erst wurde sie gegründet, vor zwei Jahren erschien das erste Album als Kassette auf einem kleinen Berliner Label und nun verkaufen die Musiker zwei Tage hintereinander das SO36 in Kreuzberg aus. Im Juni werden sie gar in der Max-Schmeling-Halle spielen.

Die Band, die dem Berliner Untergrund entstammt und fernab von der großen Musikindustrie ihr Ding durchzieht, ist plötzlich die neue Sensation aus Berlin und kaum jemand außerhalb der Szene hat das kommen sehen. Einen großen Hype um die Combo gab es bislang nicht, mit großer Wahrscheinlichkeit wird der noch kommen.

Beim ersten ihrer beiden Konzerte im SO36 wird schnell klar, dass Die Verlierer auch diesen Auftritt als Gewinner hinter sich bringen werden. Schon früh bringen sie ihren Hit „Notausgang“ aus dem gleichnamigen, vergangenen Sommer erschienen zweiten Album. Und sofort hat einen die Band mit ihrem quengeligen Punkrock und einem Text, der von Entfremdung in dieser Stadt, in diesem Land, in dieser Welt handelt. Von Hass, der einen umstellt in einem Deutschland, das sich gerade selbst nicht mehr versteht und dem man das Finden dieses Notausgangs nur wünschen kann. Grüße gehen in diesem Song implizit raus an die AfD, die zu diesen teils deprimierenden Zuständen kräftig beigetragen hat.

Eine Band, vier Sänger

Angesichts des grassierenden Rechtsrucks weltweit und der Rückkehr Donald Trumps, der sich selbst als den ultimativen Gewinnertypen und Verächter aller Verlierer sieht, begibt sich die Band in Fundamentalopposition zum aktuellen Zeitgeist, der gerade in Richtung der Interessen von Kettensägenpräsidenten und durchgeknallten Multimilliardären pendelt. Dabei wird die bestens erprobte Widerstandskraft des guten alten Punkrocks beschworen.

Einst richtete dieser sich gegen Thatcherismus und Ronald Reagan und wenn Die Verlierer ihre Gitarrensalven abfeuern, der Bass rumpelt und dann „Fickt diese Stadt“ gesungen und Berlin der Stinkefinger gezeigt wird, vermittelt die Band glaubhaft das Gefühl, dass auch im Jahr 2025 Punkrock immer noch richtige Antworten auf fehlgeleitete gesellschaftliche Zustände geben kann. Selbst in der Technostadt Berlin. Wer hätte das gedacht?

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Dafür, dass Die Verlierer ursprünglich kaum mehr war als ein Projekt zweier befreundeter Bands, wirkt das Quintett bei ihrem Auftritt ziemlich kompakt und eingespielt. Das kommt wahrscheinlich vom vielen Live-Spielen. Durch Großbritannien sind die Musiker bereits getourt und zuletzt waren sie in Südamerika, was für eine junge Punkband aus Deutschland eher ungewöhnlich ist. Auch bei diesem Konzert im SO36 versteht man die Texte kaum und kapiert dennoch, dass sie von großen Gefühlen wie Schmerz und Hass handeln.

Die Verlierer sind entstanden, als die beiden Berliner Bands Chuckamuck und Maske eine Split-Single aufnehmen wollten. Und nun gibt es, was vielleicht Weltrekord für eine Punkband ist, gleich vier Sänger, die sich untereinander die Songs aufteilen oder gemeinsam die Refrains trällern, als wären sie die Beach Boys. Erinnert ihre Musik nun hauptsächlich an die Fehlfarben, an Ton, Steine Scherben oder an The Gun Club? Ist das Deutsch- oder Postpunk? Hört man da eher Die Nerven oder Wanda heraus? Den Gitarrensound der Siebziger, Achtziger oder doch einfach bloß zeitlose Akkorde?

Man kann sich beim Konzert der Band mit solchen Fragen beschäftigen oder es einfach so machen wie diejenigen, die sich erst ganz nach vorne zur Bühne begeben und dann irgendwann verschwitzt und erschöpft wieder nach hinten ins Publikum gesellen. Die Energie Der Verlierer hat sie gerade fertiggemacht, sie sind ausgelaugt, aber nehmen das sichere Gefühl mit nach Hause, dass der Kampf gegen die Verhältnisse noch nicht vorbei ist.

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