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Eine Fotografie von Tina Bara.

© Foto: Tina Bara/Salzgeber

„Rebellinnen“ im Kino : Gegen die Auslöschung

DDR-Underground: Der Dokumentarfilm "Rebellinnen" von Pamela Meyer-Arndt porträtiert drei widerständige Künstlerinnen.

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„Mensch, wir waren junge Frauen. Wir wollen lachen, leben, Spaß haben“, sagt Gabriele Stötzer. Nur dass die geistige Enge in der DDR der achtziger Jahre wenig Verständnis für die systemkritischen Lebensäußerungen dieser drei „Rebellinnen“ aufbrachte.

Die Filmemacherin Pamela Meyer-Arndt hat sich bereits in ihren Dokumentarfilmen "Ostfotografinnen" (2006) über Sibylle Bergemann, Helga Paris und Gundula Schulze-Eldowy und in dem über Roger Melis als "Chronist der Ostdeutschen" (2019) darauf spezialisiert, künstlerische Fotografie im Film darzustellen.

Auch „Rebellinnen - Fotografie. Underground. DDR“ ist keine rein biografische Talking-Heads-Erzählung der Künstlerinnen Cornelia Schleime, Tina Bara und Gabriele Stötzer, sondern der durchaus gelungene Versuch, die Atmosphäre der Achtziger und die in ihr entstandenen Fotografien und Super-8-Filme mit den Protagonistinnen-Interviews zu verbinden.

Unterlegt ist "Rebellinnen" nicht mit Punk oder New Wave der Zeit, obwohl Cornelia Schleime, der Star unter den Ost-Künstlerinnen, damals selbst eine Punkband namens Zwitschermaschine gründete. Stattdessen steuert die Klangkünstlerin und Komponistin Ulrike Haage einen Piano-lastigen Score bei. Eine melancholische Etüde, der sich im Kontrast zur kalten Wut der von der DDR geschassten Künstlerinnen jedoch brav und kunstgewerblerisch ausnimmt.

„Das ist ein typischer DDR-Waschlappen mit diesem kleinen Karo“, erläutert Cornelia Schleime eine ihrer in Schwarzweiß-Fotos festgehaltenen Performances, in denen sie geknebelt und gefesselt zu sehen ist. Eingewickelt wie eine Mumie, gebunden mit Paketschnur, erstickt von einer Plastiktüte, am Zopf stranguliert von einem Seil, der die Frau zu einer Marionette anonymer Mächte degradiert.

Es ist erstaunlich, wie verwandt die Motive der künstlerischen Selbstinszenierung von Tina Bara, Schleime und Stötzer damals in Ost-Berlin, Dresden und Erfurt sind.

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Sie alle lassen als Studentinnen oder Haftentlassene wie Gabriele Stötzer ihren Frust durch Kunst raus. Stötzer, Jahrgang 1953, wird 1976 wegen oppositioneller Aktivitäten von einer Erfurter Hochschule zwangsexmatrikuliert. Und nachdem sie gegen die Biermann-Ausbürgerung 1977 protestiert, zu einem Jahr Haft im Frauengefängnis Hoheneck verurteilt. Eine traumatische Erfahrung, wie die jetzige Schriftstellerin und Künstlerin in ihrer einstigen Zelle erzählt. „Ich habe immer Kunst gemacht gegen die Auslöschung.“

Cornelia Schleime, ebenfalls 1953 geboren, die elegant gewandet und mir rauem Raucherinnentimbre in ihrem Brandenburger Atelierhaus von Leben und Arbeit Hof hält, muss nach fünf Ausreiseanträgen 1984 innerhalb von 24 Stunden die DDR verlassen, als sie mit einem Hungerstreik droht. Die Malerin, Filmemacherin und Performerin geht nach West-Berlin und arbeitet dort auch ihre jahrelange Bespitzelung durch ihren Vertrauten Sascha Anderson auf, von der sie 1992 aus einer Stasi-Akte erfährt.

Tina Bara, die 1962 geborene Jüngste im Trio, kann im Gegensatz zu den beiden anderen Mitte der achtziger Jahre noch in der DDR arbeiten. Zusammen mit Sven Marquardt, Robert Paris und Jörg Knöfel wird die Fotografin in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen. Trotzdem eckt die Arno-Fischer-Schülerin an. Mit den heimlichen Fotografien der massiven Umweltverschmutzung in den Buna-Werken. Und mit ihren Aktfotos einer verlorenen Generation, die der repressiven Staatsdoktrin ihre nackten, verletzlichen Körper entgegenstellt.

Auch sie findet eigene Arbeiten in ihrer Stasiakte wieder und entwickelt daraus neue künstlerische Projekte. „Es wurde viel verdrängt in diesem vom Krieg zerstörten Land, aber das schuf auch viel Energie“, sagt Bara, die im Film wieder auf dem Hof des besetzten Hauses in Prenzlauer Berg steht, in dem sie vor ihrer Ausreise lebte.

Einmal mehr schockieren die perfiden Methoden, mit denen das Ministerium für Staatssicherheit versuchte, die missliebigen jungen Frauen mundtot zu machen oder ganz aus dem Verkehr zu ziehen. Gabriele Stötzer, deren feministische Kunst seit einigen Jahren auch international Beachtung findet, schicken sie einen Transvestiten, der sie zu pornografischen Aufnahmen animieren sollen, um strafrechtlich relevantes Material gegen sie zu sammeln.

Am 4. Dezember 1989 gehört die wehrhafte Performerin zu einer Frauengruppe, die in Erfurt die erste Stasi-Zentrale der Republik besetzt.

Dass die Zermürbungstaktik der Stasi den Künstlerinnen damals schwer zugesetzt hat, ist jedem Statement der „Rebellinnen“ anzumerken. Trotzdem hat die Kunst ihnen Widerstandfähigkeit verliehen und sie zum Weitermachen animiert. Das ist bei aller Lakonie und allem Understatemen der Ladies ein ziemlich beeindruckender Befund.

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