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Stilmix aus Historismus und Jugendstil im Salon.

© Münchner Stadtmuseum/Florian Holzherr / Florian Holzherr

Rückkehr eines Museums: Im Moderausch

Die Von Parish Kostümbibliothek in einer Münchner Jugendstilvilla wurde über Jahre saniert. Jetzt ist das Kleinod im Stadtteil Nymphenburg wieder zugänglich.

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Manische Sammlerinnen waren sie laut Kuratorin Esther Sünderhauf – die beiden Damen, die den gleichen Namen trugen: Hermine von Parish, senior und junior. Mit der Folge, dass die Münchner Jugendstilvilla, in die Mutter und Tochter 1936 zogen, bald zum Bersten voll war. Jahrzehntelang gingen sie ihrer Leidenschaft nach: der Mode.

Die beiden waren süchtig nach Kleidung, aber nicht für ihren eigenen Look. Statt ihre Kleiderschränke füllten sie ihre Regale mit Bildern, Büchern und Zeitschriften – ihre Modebild-Dokumente reichen von der Perlenstickerei der Inuit über den Grasmantel von Ötzi bis zur heutigen Haute Couture.

Heute bilden die Grafiken, Magazine, Fotografien, Bücher und Kaufhauskataloge, die Mutter Hermine Viktoria von Parish (1881 bis 1966) und Tochter Hermine „Harriet“ von Parish (1907 bis 1998) zusammengetragen haben, den Grundstock für ein weltweit einzigartiges Museum. Die Von Parish Kostümbibliothek bietet Modegeschichte in Bildern – mit rund 1,5 Millionen Dokumenten.

Der malerische Ort für dieses Schatzhaus der Mode ist der Wohnort der beiden Damen, eine Jugendstilvilla unweit von Schloss Nymphenburg. Das Juwel der Jahrhundertwende war lange ein Geheimtipp unter Modefans und Studierenden. Bereits 1970 hatte die Tochter die Sammlung samt Haus und Grundstück der Stadt München für das Münchner Stadtmuseum übereignet.

Die Leibrente, die sie dafür bis zu ihrem Tod mit 91 erhielt, investierte sie weiter in die Bestände. Die überbordenden Regale und Schränke hatten im Laufe der Zeit die prächtige Ausstattung der Villa überdeckt, manches Fenster war dahinter verschwunden, Durchgänge verstopft.

Außenansicht der von Parish Kostümbibliothek.

© Münchner Stadtmuseum/Parish Kostümbibliothek/Florian Holzherr / Florian Holzherr

Seit Herbst strahlt das Haus wieder – von innen und außen. Drei Jahre war die Villa geschlossen, die Renovierung kostete die Stadt München eine dreiviertel Million Euro. Neben neuer Technik, einem neuen Archivkeller, in dem die Bestände langsam digitalisiert werden sollen, ging es vor allem um die Wiederherstellung des historischen Baus und seines Interieurs.

Hinter einer Bücherwand kam durch die Renovierung eine Original-Flügeltür mit Jugendstil-Schnitzerei zum Vorschein. Auch die Wände leuchten wieder: Die alten Farben wurden mit Hilfe des Lehrstuhls für Restaurierung an der Technischen Universität München mikroskopisch und chemisch untersucht, Kirchenmaler mischten sie danach neu und trugen sie auf.

Der alte Glanz der Salons ist wieder spürbar. Denn Geld spielte in dem Frauenhaushalt anfangs keine Rolle. Hermine seniors zwanzig Jahre älterer Ehemann war ein sehr vermögender Hamburger Kaufmann aus altem schottischem Adel.

So verfügte sie über die finanziellen Mittel, um auf ihren Reisen durch Europa Modedarstellungen zu erwerben. Den Grundstein für die Sammlung legte aber schon ihr Großvater Rudolf Marggraff, seinerzeit Kunsthistoriker und Generalsekretär der königlichen Akademie der Bildenden Künste unter Ludwig I.

Tochter Harriet war neun, als der Vater 1916 starb, das Erbe investierte die Mutter in den Kauf der Villa im noblen Münchner Viertel Nymphenburg.   

Erbaut hat das Haus 1901 die bekannte Münchner Baugesellschaft Gebrüder Rank für einen Berliner. Der Offizier und Komponist Friedrich Wilhelm von Schirach lebte dort bis zu seinem Tod 1924.

1936 zogen die von Parishs mit ihrer damals schon großen Sammlung ein, mit einer Manufaktur für Kostümpuppen hielten sie sich über Wasser. 1946 gründeten sie die „Von Parish Schule für freie und angewandte Kunst“. Seitdem füllte sich das Gebäude vom Dachboden bis zum Keller noch mehr.

Sehr zur Freude vieler Kostümbildner, von Modestudierenden und Filmleuten, die sich hier gern informieren. Aber auch die Polizei war schon hier, wenn es in einer Ermittlung auf die Rekonstruktion eines Kleidungsdetails ankommt.

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