
© MDR/filmpool fiction/Stefan Erhard
Stalkerin oder Opfer?: Der „Polizeiruf 110: Widerfahrnis“ sprengt Täter-Klischees
Claudia Michelsen ermittelt zwischen Erinnerung, Schuld und Schweigen. Der Berliner Rapper und Schauspieler Pablo Grant tritt in seiner letzten Rolle auf.
Stand:
Im besten Falle thematisieren TV-Krimis ja auch die Frage, was Angehörige von Opfern aushalten können und aushalten müssen. Der „Polizeiruf 110: Widerfahrnis“ (Sonntag, ARD, 20:15 Uhr) treibt diese Frage mit einer bei einem Verkehrsunfall schwer verletzten unbekannten Frau auf die Spitze.
Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) wird mit der tragischen Geschichte einer Frau zwischen Traumakrise und Stalkingverdacht konfrontiert.
Brasch wird zu einem Verkehrsunfall auf einer ländlichen Straße gerufen. Ein Kollege vor Ort hat den Tod des weiblichen Opfers festgestellt. Doch die Frau lebt noch. Schwer verletzt kommt sie ins Krankenhaus.
Niemand weiß, wer sie ist. Lediglich ihr Vorname ist bekannt: Sarah. Selbst Sarahs Mitbewohnerin Berna und deren kleine Tochter wissen kaum etwas über sie.
Die Frau war vor Kurzem plötzlich in Magdeburg aufgetaucht. Kriminalrat Uwe Lemp (Felix Vörtler) sieht keine Notwendigkeit, einem Verkehrsdelikt weiter nachzugehen, zudem ihm die Leute fehlen. Der Brasch lässt das Rätsel um die Unbekannte keine Ruhe.
Ein Vorname ohne Geschichte. Wenn sie jetzt stirbt, wäre es so, als hätte es sie nie gegeben.
Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) über das Unfallopfer, von dem nur der Vorname bekannt ist.
Vielleicht sah alles nur nach einem Unfall aus? Irgendetwas muss Sarah (beeindruckend undurchdringlich: Mareike Sedl) in Magdeburg gewollt haben. Braschs Ermittlungen führen zu dem Star-Architekten René Tamm (Stephan Kampwirth), von dem Sarah unzählige Fotos auf dem Handy hatte …

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Geschickt spielen Buch (Zora Holtfreter, Lucas Thiem) und Regie (Umut Dag) bei Kommissarin und Publikum mit Ahnungen und Wissensvorsprüngen, was die letzten Tage in Sarahs Leben, ihre Verbindung zum Architekten betrifft, der ein schweres Geheimnis mit sich herumträgt.
Sarahs Vorgeschichte und Braschs aktuelle Ermittlungen, ihr Antrieb werden parallel erzählt, was erahnen lässt, dass die Brasch, diese einsame Ermittlerwölfin in Sachsen-Anhalt, und die mysteriöse Sarah Schwestern im Geiste sind.
Ist diese „nur“ eine Stalkerin? Oder gab es da einen schrecklichen Schicksalsschlag in Sarahs Leben, dass alles so enden musste, wie es auf der Landstraße geendet ist? Und wer trägt daran Schuld?
Das letzte Bild in diesem grandiosen „Polizeiruf“, ein Rückblick, gibt Sarahs Tod, ihrer Geschichte, einen erschütternden Sinn. Tragische Gerechtigkeit, fast Shakespearehaft.
P.S. Dieser Krimi war die letzte Arbeit von Pablo Grant (als Kommissar Günther Márquez), auch bekannt als Teil der Berliner Hip-Hop-Crew BHZ. Zwei Monate nach Drehschluss ist Grant am 6. Februar 2024 im Alter von 26 Jahren an den Folgen einer Thrombose verstorben. Ihm ist der Film mit dem Abspann gewidmet: „Danke, Pablo!“ (1997 – 2024).
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