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Superman in der Krise: Wenn der Held Eichhörnchen vor einstürzenden Wolkenkratzern rettet
Auf James Gunn ruhten große Hoffnung für die Wiederbelebung des DC-Universums. Aber sein Superman muss sich erst noch selbst finden. Der Spaß hält sich dabei in Grenzen.
Stand:
Als langjähriger Erdbewohner mit einer interplanetarischen Migrationsbiografie hatte Superman schon immer einen gewissen, sagen wir, Standortnachteil gegenüber den anderen Superhelden des DC-Universums.
Der Weltraumreisende Kal-El vom Planeten Krypton war nur durch Zufall auf der Erde gestrandet. Der Wunsch, einfach nur Mensch zu sein, war bei ihm daher ausgeprägter als etwa beim zynischen und von der Welt enttäuschten „Nepobaby“ Bruce Wayne, der sich mit seiner geerbten Macht bloß als maskierter Rächer in den Dienst der Menschheit stellt.
Aus seiner erhöhten Perspektive – halb Gott, halb Sohn eines Farmer-Ehepaares aus Kansas – kann sich Superman einen emphatischen Blick auf die Menschen leisten, als erstrebenswertes Idealbild. Dieser unverbrüchliche Optimismus des Einwanderers, der um jeden Preis seinen Platz in der Gesellschaft finden will, überhöhte die Erfindung der jüdischen Einwandererkinder Jerry Siegel und Joe Shuster zu einem amerikanischen Archetypus. Supermans Gutgläubigkeit ist seine größte Superkraft – und gleichzeitig sein Kryptonit. Sie macht seine undurchdringliche Hülle in einer Welt, die von Machtstreben und Gier getrieben ist, umso verletzlicher.
„Guardians of the Galaxy“-Regisseur James Gunn übernimmt das DC-Franchise in einem historischen Moment, in dem der Laserblick Supermans – der bis zum unzulänglichen, aber ultimativ altruistischen Wesenskern des Menschen durchdringt, durch den Bullshit läppischer irdischer Befindlichkeiten hindurch – vielleicht so dringlich gebraucht wird, wie nie zuvor.
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Der Superheld, der im Alleingang eine ganze Regierung mitsamt Militär ersetzen könnte, aber Eichhörnchen vor einstürzenden Wolkenkratzern rettet. Der unter dem Anpassungsdruck des Migranten so sehr einer von uns sein will, dass er ein Haustier adoptiert. Ja, Superman (David Corenswet) hat jetzt auch einen Hund: einen fliegenden, mit Cape, versteht sich. Er hütet Krypto allerdings nur für Supergirl (lange Geschichte).
David Corenswet als Supermann: unbekümmert und positiv
Etwas Sonnenlicht – ein Allheilmittel nicht nur für unseren Lieblingskryptonier – hat nach den hochgradig humorbefreiten und trostlosen „Justice League“-Filmen von Zack Snyder auch die Marke DC dringend nötig. Gunn scheint dafür der richtige Mann zu sein, er verbindet auf seine hemdsärmlige Weise den positiven Pragmatismus des Weltenrettertums mit einer letztlich sehr realistischen Unernsthaftigkeit. Der bisher in Hauptrollen noch nicht großartig in Erscheinung getretene David Corenswet bringt hier genau die richtige Unbekümmertheit und sonnige Disposition mit ein, die der Job erfordert.
Denn was Superman in diesem gefühlt x-ten Reboot alles auf seinen Schultern tragen muss – neben kollabierenden Gebäuden und einem Godzilla-Verschnitt aus einem Paralleluniversum – ist geradezu absurd. Als beliebtester Vertreter der Justice League liegt jetzt auch noch der Neustart des kommerziell und kreativ siechen DC-Universums in seiner Verantwortung; zu einem Zeitpunkt, an dem selbst Marvel nach einer neuen Erfolgsformel sucht. Gunn hat es zuletzt im inspiriert-grenzdebilen „The Suicide Squad“ mit einem Kuriositätenkabinett von Superhelden aus der zweiten Reihe versucht. Sein Superman muss nun die Herausforderung bewältigen, bloß nicht den Glauben an die Menschheit zu verlieren.
Und es menschelt auffällig. Nach Dienstschluss in der Redaktion des „Daily Planet“ bereitet Clark Kent seiner Kollegin und heimlichen Freundin Lois Lane (Rachel „The Marvelous Mrs. Maisel“ Brosnahan) das Abendessen zu. Das ungeplante Dinner entwickelt sich aber schnell zu einem Screwball-Comedy-ähnlichen Schlagabtausch über journalistische Standards. Superman tritt nämlich als sein eigener Pressesprecher auf, indem er sich ausschließlich von Clark Kent interviewen lässt.
Krisenmanagement ist gerade auch bitter nötig. Durch einen unautorisierten Einsatz im Regionalkonflikt zwischen zwei osteuropäischen Kleinrepubliken, von denen eine am Tropf der US-Rüstungsindustrie hängt, hat er diplomatische Verstimmungen im Weißen Haus ausgelöst. Wie weit gehen die geopolitischen Befugnisse eines Metawesens, das stets Gutes tut, für die gesamte Menschheit wohlgemerkt, aber vielleicht doch Böses schafft? In der Ära der „America First“-Politik ist Letzteres natürlich eine Frage der Perspektive.
So sieht es zumindest der Tech-Milliardär Lex Luthor (Nicholas Hoult), dem der Superheld geschäftlich ein Dorn im Auge ist. Er will dem Pentagon seine bionisch-optimierte „Planet Watch“-Spezialeinheit als letzte Verteidigungslinie gegen eine vermeintliche außerirdische Verschwörung anbieten. Dafür provoziert er in Europa einen Grenzkonflikt. Außerdem hat er an der Küste vor New York das Portal in ein „Taschenuniversum“ geöffnet, in dem er die kosmische Materie kontrolliert – und seine eifersüchtigen Ex-Freundinnen gefangenhält. In Gunns Hemdsärmeligkeit ist der regressive Jungshumor, gegen den auch eine tapfere Rachel Brosnahan nichts ausrichten kann, immer schon eingepreist.
Superheld oder doch bloß illegaler Einwanderer?
Die Unschlüssigkeit zwischen solchen kindischen Albernheiten und einem halbwegs seriösen Tonfall für eine Coming-out-Geschichte von Superman als just another human (um seine irdischen Eltern anzunehmen, muss er mit seinen biologischen Eltern brechen), macht Gunns Ansatz nicht zum idealen Ausgangspunkt für ein neues DC-Universum. Keine der Ideen, die der Regisseur und Autor mit seiner ganzen Erfahrung als „Guardians of the Galaxy“-Erfinder hier einbringt, funktioniert.

© Warner Bros
Am allerwenigsten der Humor, der selbst Superman in seiner übereifrigen Ahnungslosigkeit – neben einem Haufen Knallchargen, allen voran Hoults Lex Luthor – manchmal wie den größten Deppen der Galaxie dastehen lässt. Auch die Romantic-Comedy-Momente mit Brosnahan sowie die Sidekick-Dynamik mit einer uncharismatischen Spaßcombo namens „Justice Gang“ um Mister Terrific (Edi Gathegi), Green Lantern (Nathan Fillion) und Hawkgirl (Isabela Merced) bleiben unterentwickelt.
Dass Gunn dann selbst das Potenzial für eine Satire sträflich verschenkt, ist vielleicht die größte Tragik dieses Blockbusters, der sichtlich um popkulturelle Relevanz ringt. Denn irgendwo im „Taschenuniversum“ befindet sich eine Trollfabrik aus geklonten Affen, die Fake News im Netz verbreitet. Superman hat nämlich noch eine weitere Achillesferse: Er ist eben nur der Superheld, solange die Menschen seine Heldentaten bejubeln. Wachsen die Zweifel an dieser Lichtgestalt, ist er bloß wieder der illegale Einwanderer: ein Sündenbock für die Fehlbarkeit der Menschen.
Gunn jongliert in „Superman“ nicht nur mit unterschiedlichsten Tonalitäten zwischen Drama, Klamauk und (mäßig überzeugender) Action, sondern auch mit den Persönlichkeiten früherer Inkarnationen von Christopher Reeve über Brandon Routh bis zu dem in Ungnade gefallenen Henry Cavill. Eine schlüssige Antwort, wofür sein Superman denn nun steht, findet er nicht. So ist die beste Idee auch nur geklaut, noch dazu aus einem anderen Sequel: Richard Lesters unterschätztem „Superman III“. Kein Wunder also, dass Superman am Ende einen Kampf mit sich selbst austrägt. Es die beste Pointe für einen Film, der ebenfalls keine Vorstellung davon hat, was er eigentlich sein will.
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