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Die kleine Ayda hat endlich wahre Freunde gefunden.

© Illustration: Karsten Teich

Kinderbuch: Ayda, Bär und Hase: Wert der Freundschaft

Navid Kermanis erstes Kinderbuch erzählt äußerst amüsant von Toleranz und Selbstbewusstsein.

Ayda ist pfiffig und ziemlich schlau für eine Fünfjährige. Sie wohnt in Köln-Eigelstein, hinter dem Dom, wo es nicht ganz so schick, dafür aber ziemlich bunt zugeht. Ayda kann bis 23 zählen, ist recht klein, spricht Deutsch und Persisch. Ihre Eltern waren vor langer Zeit wegen des Studiums nach Köln gekommen – der Vater aber vor allem wegen des 1. FC Köln. „Das ist dieser Fußballverein, der immer verliert, jedenfalls immer, wenn Baba ins Stadion geht“, erzählt Ayda. Sie ist die Heldin von Navid Kermanis erstem Kinderbuch „Ayda, Bär und Hase“, das 2006 im Picus Verlag erschienen ist und nun neu bei Hanser erscheint. Ein Buch zur rechten Zeit.

Ayda könnte eigentlich zufrieden sein, aber sie hat keine Freunde, darunter leidet sie sehr. Sie kennt in Eigelstein jeden Händler, aber im Kindergarten will niemand mit ihr spielen. Höchstens Lisa und Simon, die sie aber nur mitspielen lassen, wenn sie eine Kleinkindrolle zu vergeben haben. Sie sind zwar gleich alt, aber um einen Kopf größer. Das findet Ayda ungerecht. Rückhalt findet sie bei ihren Eltern, die sie heiß und innig lieben – und bei ihren Verwandten, aber die leben in Amerika und Isfahan. Deshalb sehen sie sich nur einmal im Jahr. Ayda ist verzweifelt und beschließt kurzerhand, Köln zu verlassen – mit ihrem Fahrrad.

Ein Hasenkind und ein Bärenkind: ihre Retter!

Bis hierhin klingt das nach einer ganz gewöhnlichen Geschichte, wie sie vielleicht viele Kinder kennen, die sich ausgeschlossen und einsam fühlen. Aber dann dreht Navid Kermani auf und gibt dem Buch eine völlig überraschende Wendung, die das Lesevergnügen enorm erhöht – und nicht nur bei Kindern. Ayda stürzt mit dem Rad am Rhein. Sie liegt auf dem Asphalt, untröstlich und mutterseelenallein, als ein Hasenkind und ein Bärenkind aufkreuzen: ihre Retter! Sie kümmern sich um das Häufchen Elend und sprechen Ayda Mut zu. Eine wunderbare Freundschaft beginnt.

Auch als die beiden Tiere Ayda nach Hause bringen, gibt es keinen Volksauflauf – und die Eltern sind begeistert. Von da an besuchen die tierischen Freunde das Mädchen nun regelmäßig. Bald werden auch Groß und Klein relativ, denn der kleine Hase ist der Älteste und der Bär der Jüngste, obwohl er doch so groß ist! Außerdem fürchtet sich der kleine große Bär vor der Stadt, er war noch nie unter Menschen. Aber wie sie leben, das möchte er schon gerne wissen. Zusammen schaffen sie es, ihre Ängste zu überwinden.

Und Ayda? Sie lernt, dass die Begrüßungsformeln der Bären ähnlich höflich sind wie im Iran und dass man zusammen stark ist.

Lisa und Simon bekommen eine Lektion fürs Leben

Toleranz zahlt sich aus – so könnte die Botschaft lauten. Denn Kermani gelingt es, auf spielerische Weise Vorurteile und festgefügte Meinungen zu relativieren. Das Vertraute kann fremd erscheinen und das Fremde kann durchaus neugierig machen.

Navid Kermani, geboren 1967 in Siegen, erhielt 2015 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels.

© Peter-Andreas Hassiepen

Außerdem erfahren die Leser ein bisschen mehr über den Iran, lernen ein paar Vokabeln und den Unterschied zwischen dem hellen und dem dunklen A – eigentlich müsste man Ayda „Oooydooh“ aussprechen. Navid Kermani erzählt das alles mit einer munteren Leichtigkeit, die gerade beim Vorlesen auch Erwachsene begeistern dürfte.

Natürlich kommt es auch zum Showdown mit Lisa und Simon und den anderen Kindern, die Ayda hänseln. Sie haben nicht mit der Kraft, der Intelligenz und dem Selbstbewusstsein ihrer tierischen Freunde gerechnet. Eine Lektion fürs Leben. Dabei kommt Kermanis Buch – von Karsten Teich sehr schön illustriert – nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daher. Er predigt nicht Toleranz und Freundschaft, sondern er erzählt davon, auf eine witzige, wohltuende Weise.

Navid Kermani: Ayda, Bär und Hase. Mit Illustrationen von Karsten Teich. Carl Hanser Verlag, München 2017. 154 Seiten. 12 Euro. Ab sechs Jahren.

Weitere Rezensionen finden Sie auf unserer Themenseite.

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