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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 27. Dezember im Schloss Bellevue.

© REUTERS/ANNEGRET HILSE

Bundestags-Auflösung und Neuwahl: In der Krise wächst Steinmeiers Bedeutung

Der Bundespräsident hat bei der Auflösung des Parlamentes seine eigene Rolle gesucht und gefunden. Nach der Wahl könnte ihm noch einmal eine wichtige Aufgabe zukommen.

Daniel Friedrich Sturm
Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

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Das Datum war so ungewöhnlich wie die Umstände: Am Tag nach Weihnachten lud der Bundespräsident ins Schloss Bellevue, um die Auflösung des Bundestages und Neuwahlen anzuordnen. Frank-Walter Steinmeier tat das in der ihm eigenen Ernsthaftigkeit. Er verwies zu Recht auf den Anspruch auf politische Stabilität sowie den Maßstab einer „handlungsfähigen Regierung“ mit „verlässlichen Mehrheit im Parlament“.

Dieser Bundespräsident nimmt seine Aufgaben nicht auf die leichte Schulter. Mehr noch: Er will den Prozess, der mit dem Rauswurf der FDP aus der Ampel-Koalition begonnen hatte, prägen. „Die Entscheidung über die Auflösung des Bundestages und über Neuwahlen werde ich mit Sorgfalt nach den Weihnachtstagen treffen“, so sagte er es in seiner Weihnachtsansprache.

Unmittelbar nach dem Scheitern der Vertrauensfrage lud er alle Fraktions- und Gruppenvorsitzenden des Bundestages zu Gesprächen ins Schloss Bellevue ein. Die Einhaltung auch der ungeschriebenen Regeln der Demokratie liegt ihm am Herzen.

Dass der Wahltermin am 23. Februar 2025 faktisch seit Wochen feststand, politisch, organisatorisch und medial längst eingepreist und eingeplant, dürfte Steinmeier wenig begeistert haben. Reichlich unkonventionell hatte der Kanzler die Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich (SPD) und Friedrich Merz (CDU/CSU) gebeten, sich auf einen Termin zu verständigen. Eigentlich war dies Aufgabe des Staatsoberhauptes.

Ein in der Öffentlichkeit präsentes Missverständnis lautet: Mit seiner Entscheidung vom Freitag hat der Bundespräsident den Bundestag keineswegs in einen wochenlangen Urlaub geschickt. Der 2021 gewählte Bundestag ist funktionstüchtig und verantwortlich. Etliche Abgeordnete arbeiten sogar „zwischen den Jahren“. Am Montag wollen Innenausschuss und Parlamentarisches Kontrollgremium tagen, um über Ablauf und Konsequenzen des Anschlags von Magdeburg zu beraten.

Es gibt keine parlamentslose Zeit

Die Legislaturperiode des gegenwärtigen Bundestages wird erst mit dem Zusammentritt des künftigen Bundestages enden, vermutlich Ende März 2025. So schreibt es das Grundgesetz, Artikel 39, vor. Es gibt, wie die Verfassungsrechtler sagen, keine parlamentslose Zeit. Die Gewaltenteilung ist also mitnichten auf Eis gelegt.

Bis die nächste Bundesregierung gebildet sein wird, dürften nach der Wahl etliche Wochen, womöglich Monate ins Land gehen. Legt man die Dauer der Regierungsbildung nach der Wahl 2021 zugrunde, so ist die Wahl des künftigen Bundeskanzlers (und die folgende Vereidigung der Minister) Anfang Mai zu erwarten. Doch es kann auch, man denke nur an die 171 Tage zwischen Bundestagswahl 2017 und Kanzler-Wahl 2018, erheblich länger dauern.

Komplizierte Mehrheitsverhältnisse?

In dieser Phase kommt dem Bundespräsidenten eine womöglich viel wichtigere Aufgabe als in diesen Tagen zu. Die Mehrheitsverhältnisse im künftigen Bundestag könnten noch komplizierter werden als im gegenwärtigen Parlament. Eine zu erwartende stärkere AfD, womöglich ein Einzug des BSW, vielleicht gar noch eine Rest-Linke im Bundestag würden die Regierungsbildung erschweren. Sollte wieder nur eine Regierung mit drei Fraktionen möglich sein?

Nach der Bundestagswahl 2017 hatten Union, Grüne und FDP wochenlang über eine Koalition beraten; dann ließ Christian Lindner (FDP) Jamaika platzen. Bundespräsident Steinmeier rief daraufhin die Parteien zu staatspolitischer Verantwortung auf, vor allem die Sozialdemokraten, in deren Reihen er einst zuhause war. Steinmeier brachte den damaligen SPD-Vorsitzenden Martin Schulz dazu, sein allzu leichtfertiges „Njet“ zum Regieren mit der Union aufzugeben.

Steinmeier wurde damals gewissermaßen Geburtshelfer einer weiteren großen Koalition. Gut möglich, dass ihm bei der nächsten Regierungsbildung im Frühling 2025 abermals eine vergleichbare Schlüsselrolle zukommen wird.

Für Steinmeier ist das eine Chance: Oft heißt es, man wisse nicht, wofür dieser Bundespräsident stehe. Die Antwort am Ende seiner Amtszeit in gut zwei Jahren könnte lauten: Stabilität.

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