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Christian Wulff auf dem Weg zum Fernsehinterview mit ARD und ZDF.

© Reuters

Kontrapunkt: Christian Wulff und der aufgezeichnete Skandal

Ohne, dass der Bundespräsident auch nur ein Wort gesagt hat, verliert er mit seiner Informationspolitik schon wieder an Glaubwürdigkeit. Aber es wird wohl nicht die letzte Verlautbarung sein.

Staatsfernsehen also. Oder, wie es auf Twitter heißt, das Interview mit dem unter Druck geratenen Bundespräsidenten Christian Wulff bei ARD und ZDF werde im Sendeformat "Aktuelle Kamera" ausgestrahlt. Es ist ja schonmal ein Fortschritt, dass Wulff diesmal nicht nur vor einer pinkfarbenen Wand im Schloss Bellevue einen Zettel abliest und dann wieder staatstragend entschwindet. Diesmal sind Fragen von zwei Journalisten zugelassen. Es soll sogar nichts vorher abgesprochen sein.

Aber dass sich Wulff nicht traut, in eine Live-Sendung zu gehen, sagt doch viel aus. Man muss sich noch einmal vergegenwärtigen, warum dieser Auftritt überhaupt notwendig wird: weil er versucht haben soll, Einfluss auf Berichterstattung zu nehmen. Oder, um es anders zu sagen: Er soll versucht haben, die Pressefreiheit einzuschränken. Deshalb wäre ein Auftritt vor der gesamten Presse angebracht gewesen, vielleicht sogar vor der Bundespressekonferenz. Eine Einladung dafür lag vor. Eine ordentliche Pressekonferenz mit Fragen aller Medienvertreter - egal, ob Öffentlich-Rechtlich, Privat, Print, Online oder Radio. Das hätte signalisiert, seht her, ich nehme mir Zeit und bin bereit, mich allen Fragen ein für alle Mal zu stellen. So aber wird es von Beginn an halbgar.

Dass die Verantwortlichen von ARD und ZDF das Interview nicht absagten, ist verständlich - jeder Sender hätte es wohl genommen. Aber die Damen und Herren vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk hätten dem Präsidenten wenigstens klar machen können, dass es sich diesmal nicht um die Weihnachtsansprache handelt. Es geht um die Glaubwürdigkeit des Staatsoberhauptes. Und ohne, dass Wulff bisher nur ein Wort gesagt hat, hat er es schon geschafft, seine Reputation noch einmal ein kleines Stück weiter zu untergraben. Man traut ihm nicht. Auch wenn ARD und ZDF beteuern, dass es kein Recht auf Korrekturen gibt, bleibt ein fader Beigeschmack - egal, was Wulff sagen wird. Damit wird die Affäre Wulff nach der hinterlassenen Mailbox-Nachricht auf dem Anrufbeantworter von "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann endgültig zum aufgezeichneten Skandal.

Auf der anderen Seite ist Wulff vielleicht nur ein geschickter Dramaturg. Denn man wird den Eindruck nicht los, dass dies nicht die letzte Erklärung sein wird. Wenn es so weiter geht, folgt die nächste Verlautbarung sicher bald. Und da muss es Steigerungen geben: mehr Journalisten, live und irgendwann dürfen ihm vielleicht auch normale Bürger noch einmal Fragen stellen, wie das so ist mit den Freiheitsrechten oder dem Hausbau.

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