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Meinung: Die gute, alte Lagerwahl

Von Bernd Ulrich Selten hat sich die innenpolitische Landschaft durch so wenig so sehr verändert wie in den letzten zehn Tagen. Ein einziger falscher Zug der FDP hat ihren Aufwärtstrend gestoppt und zugleich den guten, alten Lagerwahlkampf zu neuen Ehren kommen lassen.

Von Bernd Ulrich

Selten hat sich die innenpolitische Landschaft durch so wenig so sehr verändert wie in den letzten zehn Tagen. Ein einziger falscher Zug der FDP hat ihren Aufwärtstrend gestoppt und zugleich den guten, alten Lagerwahlkampf zu neuen Ehren kommen lassen. Die Phase der autosuggestiven Aufwärtsbewegung geht wahrscheinlich zuende, aber nicht, weil allzu viele Wähler verschreckt oder empört auf die antisemitischen Irritationen aus dem nordrhein-westfälischen Landesverband reagieren würden. So weit sollte man nicht hoffen. Durch die Möllemann/Karsli-Affäre ist etwas anderes geschehen: Der Spaß, für die FDP zum Zwang geworden, ist vorbei. Fürs Erste.

Die Liberalen, die noch beim Parteitag geschlossen ihre eigene Zuversicht genossen, fallen nun übereinander her. Der Kanzlerkandidat steht gegen den Erfinder des Kanzlerkandidaten, der Vorsitzende gegen seinen Vize und die Bundespartei gegen ihren stärksten Landesverband. Das alles ist mehr als misslich – das ist uncool.

Zugleich hat die FDP durch den katastrophalen Fehler von Möllemann, Karsli in die FDP zu locken, sowie durch Westerwelles zu langes Warten, ihre eigenen Optionen beschnitten. Sie wollte ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen, um bei SPD wie Union Stimmen zu holen. Das ist zunächst gut gelungen. Doch die Möllemann/Karsli-Affäre gab der SPD eine schöne Gelegenheit, sich gegen die FDP in Wahlkampfstimmung zu bringen. Damit ist für die Sozialdemokratie allerdings – alles hat seinen Preis – die Zeit des Flirtens mit einer anderen als der grünen Koalitionsoption vorbei. Schröder, vor kurzem noch der große Optionator, muss zumindest bis zum 22. September die FDP für unkoalierbar erklären.

Das wiederum wirft die Liberalen dahin zurück, wo sie standen, bevor Guido Westerwelle kam: ins bürgerliche Lager. Mit einer zweiten unangenehmen Nebenfolge für die Liberalen und die Union. Es gilt zwischen Schwarz und Gelb wieder das Prinzip der kommunizierenden Röhren. Die Zeit, da beide zum Schaden der SPD wachsen konnten, geht vorüber. Man konkurriert wieder miteinander um die bürgerlichen Stimmen.

Kaum je in der Parteiengeschichte wurde ein Neumitglied teurer bezahlt als Jamal Karsli. Und dieser Preis wird unglücklicherweise auch nicht zurückerstattet, wenn es Möllemann und Westerwelle gelingen sollte, den Ex-Grünen dazu zu bewegen, aus freien, aus freiheitlichen Stücken wieder Ex-FDPler zu werden. Aber vielleicht bekommt Karsli dann eine Leibrente. Von der Kampa.

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