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Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzeder, spricht im Bundestag.

© IMAGO//Thomas Imo

Ein historischer Tag im Bundestag: Die Vergangenheit muss Würde lehren

So viele Themen, so viel zu entscheiden – und der Maßstab ist auch, was die Vergangenheit gebietet. Wollen wir hoffen. Doch der Ausgang ist nicht gewiss.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

August Bebel – den Gründervater der Sozialdemokratie mögen nicht mehr viele kennen. Aber sein Satz ist hochaktuell: Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.

Was für ein Tag, er schlägt schon thematisch den Bogen vom Gestern zum Heute und Morgen. Vom Holocaust-Gedenken über den Jahreswirtschaftsbericht bis hin zu den Änderungen der Migrationspolitik – so viel kam selten zusammen, das plötzlich wie zusammengestellt wirkt, thematisch, programmatisch.

Zwischen Würde und Wahlkampf, das ist der passende Oberbegriff. Ja, Würde: Für den großen deutschen Denker Immanuel Kant ist die Menschenwürde der höchste Wert. Einer, den alle Menschen aufgrund ihres Menschseins besitzen. Und verbunden mit der Begabung des Menschen zu Vernunft, zu rationalem Wägen, zu eigenständigen Entscheidungen, zu moralischem Handeln. Man möchte hoffen: auch im Wahlkampf.

Würde also – ein Achtung gebietender Wert. Und, haben alle, die im Bundestag geredet haben, diesem Wert Genüge getan? Haben sie ihn gehoben, ihm mindestens Wertschätzung zuteilwerden lassen? Nicht alle, bei Weitem nicht.

Die Bundestagspräsidentin, der Bundespräsident, der Holocaust-Überlebende Roman Schwarzman – ihre Reden waren Achtung gebietend. Die Rückschau auf das Grauen und das nachfolgende Handeln war: mehr als würdig. Es hat den Maßstab gesetzt, die politische Verantwortung für die Würde des Menschen immer aufs Neue zu übernehmen, in der Gegenwart angefangen.

Es gibt sie, die Feinde der Demokratie

Ja, und dann war da der Hinweis des Präsidenten auf die „Feinde der Demokratie“. Sie gibt es, im Hier und Jetzt, nach allem, was war. Einer sprach neulich sogar von einer „Nazi-Partei“. Die AfD ist gemeint. Sie gewinnt an Zulauf und könnte morgen schon ein Drittel an Stimmen erreichen.

Darum ist es richtig, war es gerade jetzt wichtig, zu mahnen, dass nicht irgendwer, sondern wir alle es in der Hand haben, das Errungene zu bewahren: äußeren und inneren Frieden. Das ist unsere Erfolgsgeschichte, aber stetig verbunden mit der Verantwortung aus der Geschichte. Mit unseren Wertevorstellungen, christlichen, jüdischen, solidarischen.

Gestern, heute, morgen: Seit über einem Jahr ist das Thema Einwanderung und Asylpolitik das wichtigste, um das sich nach Meinung der Wahlberechtigten die deutschen Politikerinnen und Politiker kümmern sollten. Der Messerangriff von Aschaffenburg tat ein Übriges.

Nach bestem Wissen und Gewissen handeln

So wichtig ist es, dass die Zustimmung sogar zu einer Koalition zwischen CDU/CSU und AfD steigt, auf aktuell 31 Prozent. Mit der AfD! Einer Partei, die in Teilen als Feind der Verfassung gelten kann. Nehmen wir das ernst. Wer nun also denen die Würde abspricht, die den Anspruch erheben, das Migrationsthema zu lösen – dem ist allerdings mit Robert Habeck entgegenzuhalten, dass ein Gewissen zu haben, dennoch nicht von politischem Handeln befreit.

Handeln, besser heute als morgen. Denn sonst könnte unser aller demokratische Republik zu driften beginnen. Und zwar wenn nicht das geschieht, was die Menschen in Deutschland zu fast zwei Dritteln erwarten: illegale Migration zu begrenzen, ausreisepflichtige Asylbewerber in Gewahrsam zu nehmen und sie dann abzuschieben.

Olaf Scholz als amtierender Kanzler denkt, es sei sehr viel getan, und er hat seine Argumente dafür. Friedrich Merz als Kanzlerbewerber sagt, es sei zu wenig getan, und auch er hat Argumente dafür. Nun ist Wahlkampf, das Abwägen wird schwieriger. Aber nicht so schwierig, dass nicht anhand der Argumente entschieden werden könnte. Und in Kenntnis der Vergangenheit.

Wer wirklich demokratisch denkt, muss Achtung vor dem anderen, vor dessen ehrlichem Wollen und Streben haben. Das sagte Konrad Adenauer, Urvater der Christdemokraten nach Krieg und Holocaust. Sehr würdig. Wer aber am Ende dieses Tages dasteht als einer, der mit geistigen Erben der Nazis zusammenarbeitet, mit Feinden der Demokratie, droht jede Achtung zu verwirken.

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