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POSITIONEN: Europa muss Bush helfen

Merkel und Sarkozy sollten sich mehr für den Nahen Osten einsetzen

Der amerikanische Präsident Bush besucht gerade, vielleicht zum letzten Mal, den Nahen Osten. Er trifft dort auf politisch geschwächte Verhandlungspartner: Präsident Abbas hat keine Mehrheit im palästinensischen Parlament und kontrolliert allenfalls Teile der Westbank; der Gazastreifen steht unter der Kontrolle der Hamas. Israels Ministerpräsident Olmert führt eine brüchige Koalition an und wird wegen Korruptionsvorwürfen verhört.

Olmert weiß, welche Konzessionen Israel machen muss. Es wird um einen Rückzug aus den 1967 besetzten palästinensischen Gebieten, die Aufgabe der Siedlungen auf dem Gebiet des zukünftigen palästinensischen Staates und um die politische Teilung Jerusalems gehen. Abbas weiß, dass es für die Flüchtlinge um eine Rückkehr in den neuen Staat Palästina, nicht in frühere palästinensische Orte im heutigen Israel geht. Abbas würde, wenn er sich mit diesem Abkommen zur Wiederwahl stellte, wohl eine Mehrheit erhalten. Auch in Israel dürfte die Mehrheit ein solches Abkommen unterstützen.

Beide Seiten sind des Konflikts müde. Olmert zaudert allerdings mit Blick auf seine Koalitionspartner. Umgekehrt schwächen weitere Verzögerungen, die auch Hoffnungslosigkeit, Gewalt und Neubauten in den Siedlungen bedeuten, den palästinensischen Präsidenten noch weiter. Es wird deshalb nötig sein, Abbas zu weiteren innenpolitischen Reformen zu drängen und Olmert die Ermutigung von außen zu geben, die für ein Abkommen notwendigen Verpflichtungen einzugehen. Europäische Besucher können mit ihren Ratschlägen wenig ausrichten: Das Gewicht für diese Aufgabe hat allein der amerikanische Präsident. Dieser mag schon als „lahme Ente“ gelten, im Nahen Osten muss er es nicht sein: Bush kann Olmert zum Handeln bewegen, weil er ihm eine Unterstützung anbieten kann, deren Wirkung über seine Amtszeit hinausreichen würde. Kein Nachfolger Bushs wird sich der Aufgabe entziehen, die Umsetzung eines Friedensvertrags im Nahen Osten, den sein Vorgänger vermittelt hat, abzusichern. Das war auch nicht anders, als Ronald Reagan den ägyptisch-israelischen Friedensvertrag von Jimmy Carter erbte.

Es ist nicht absehbar, dass Bush diese Rolle auch spielen will. Schließlich hat er mitgeteilt, dass er das Interesse an dem in Annapolis angetriebenen Friedensprozess verlieren werde, wenn die lokalen Parteien keine Fortschritte machen. Das ist gefährlich, denn wenn Bush den Parteien nicht den letzten Stoß zu einer Einigung gibt, wird der fragile Prozess spätestens in der Übergangszeit zwischen der alten und der neuen US-Regierung zusammenbrechen.

Hier liegt die Aufgabe der Europäer: Bush deutlich zu machen, dass sein politisches Erbe durch das in Annapolis in Aussicht gestellte Abkommen bestimmt werden kann, wenn er seine Energie auf diesen Prozess verwendet. Ihn dazu drängen, können wahrscheinlich nur zwei europäische Führungspersonen – Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy. Beide haben genügend Ansehen bei Bush und bringen genug politisches Gewicht auf die Waagschale. Merkel genießt zudem mit ihrem eigenen nahostpolitischen Engagement ausreichend Glaubwürdigkeit – in den USA, in Israel und auch bei den Palästinensern. Die Bundeskanzlerin wird im Juni mit dem Außenminister eine Nahostkonferenz ausrichten, bei der es um die Stärkung palästinensischer Staatsstrukturen geht. Dies ist eine Voraussetzung, wenn ein Friedensabkommen nicht nur Papier bleiben soll. Sie hat in der Auseinandersetzung über die Mittelmeerunion gezeigt, wie sehr Deutschland Fragen der Region als gemeinsame europäische Aufgabe betrachtet.

Vielleicht wäre es deshalb sogar richtig, wenn Merkel und Sarkozy zusammen nach Washington gehen, um eine Arbeitsteilung vorzuschlagen: Bush muss den diplomatischen Prozess vorantreiben und absichern, Europa kann und wird dabei helfen, die administrative und wirtschaftliche Infrastruktur palästinensischer Staatlichkeit zu errichten. Es wäre nicht das erste Mal, dass europäische Nahostpolitik sich am besten darstellt, wenn sie über Washington spielt.

Der Autor ist Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

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