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Meinung: Im Zweifel gegen das Recht Warum Rot-Grün eine neue Irak-Resolution vermeiden will

So Bush-freundlich war bisher nur Tony Blair: Ein Angriff auf den Irak sei auch ohne zweite Resolution des Sicherheitsrats vom Völkerrecht gedeckt. Inzwischen behauptet das auch die Bundesregierung.

So Bush-freundlich war bisher nur Tony Blair: Ein Angriff auf den Irak sei auch ohne zweite Resolution des Sicherheitsrats vom Völkerrecht gedeckt. Inzwischen behauptet das auch die Bundesregierung. Warum nur geben Kanzler Schröder und Außenminister Fischer den USA einen so fragwürdigen juristischen Blankoscheck, wenn sie doch für sich in Anspruch nehmen, strikt gegen den Krieg zu sein? Sie halten sich viel enger an Amerikas Interpretation als Frankreich, Russland und China, die darauf bestehen, ein Angriff ohne die (noch fehlende) Autorisierung sei rechtswidrig. Der Protest der Linken bei Rot und Grün folgte prompt.

Schröder und Fischer sind in der Klemme. Sie haben zuvor – im Einklang mit den Völkerrechtlern – argumentiert, Kriege dürfe man nur mit ausdrücklichem UN-Mandat führen; die Drohung mit „ernsten Konsequenzen“ reiche nicht. Aber sie glauben wohl, solche Feinheiten seien nur für Experten interessant und ließen sich mit groben Bekenntnissen gegen den Krieg überdecken.

Viel mehr als diesen kleinen Widerspruch fürchten sie die öffentliche Abkehr von ihrem großen Wahlkampfthema: dem Nein zum Krieg. Wenn im Sicherheitsrat über eine neue Resolution abgestimmt würde, müssten sie sich entscheiden. Selbst eine Enthaltung würde innenpolitisch wie eine Wahllüge wirken – und womöglich die Koalition sprengen. Mit Nein zu stimmen, wie die Linken fordern, trauen sie sich außenpolitisch nicht. Sie müssen damit rechnen, dass selbst Frankreich, Russland und China kein Veto einlegen, wenn die Lage sich zuspitzt. Besser also, es kommt gar nicht zum Votum. Sie opfern das völkerrechtliche Reinheitsgebot für den Waffenstillstand in den eigenen Reihen.

Das ist ein bisschen feige. Hans-Dietrich Genscher hat in dieser Zeitung einen Weg gewiesen, wie Rot-Grün sich durch eine offensive Politik befreien könnte: nicht auf einen Resolutionstext der Amerikaner warten, zu dem man Nein sagen möchte, es aber nicht wagt. Sondern gemeinsam mit Frankreich eine Resolution entwerfen, zu der Berlin und Paris Ja sagen können.

Dafür müsste Rot-Grün sich von Positionen lösen, die auch gestern wiederholt wurden, als ließe sich damit der Schwenk in der Resolutionsfrage wegreden. Erstens von der Behauptung, oberstes Ziel müsse die Verhinderung des Krieges sein. Das ist ein wichtiges und richtiges Ziel, aber nicht das oberste. Das ist vielmehr die Sicherheit, dass Saddam Hussein weder Massenvernichtungswaffen besitzt noch entwickelt. Denn er hat sein Arsenal eingesetzt, wenn es ihm opportun erschien: Giftgas gegen Iraner, Kurden und Schiiten, Scud-Raketen gegen Israel.

Dafür muss man sich alle Optionen offen halten: verlässliche, lückenlose Inspektionen, die diesen Nachweis erbringen. Oder die einvernehmliche Zerstörung aller verbotenen Waffen, die gefunden werden. Oder, als letzter Ausweg, militärische Operationen. Der Krieg ist falsch, solange sich das Ziel – keine Massenvernichtungswaffen in Saddams Händen – mit anderen Mitteln zuverlässig erreichen lässt. Wer aber von vorneherein die militärische Option ausschließt, hat keine Chance, das oberste Ziel friedlich zu erreichen. Die Angriffsdrohung ist das einzige Mittel, dass Saddam – vielleicht – zum Einlenken bewegt. Oder ins Exil treibt.

Falsch war es auch, sich gegen den Sturz Saddam Husseins als ein mögliches Ergebnis zu wenden. Das klingt ja, als sei der Mittlere Osten mit ihm friedlicher und sicherer als ohne ihn. Die Befreiung von seiner Diktatur ist den Irakern schon lange zu wünschen.

Die heutige Lage rechtfertigt keinen Krieg. Die Inspekteure haben nichts gefunden, es wurden auch keine anderen zwingenden Beweise veröffentlicht. Das kann sich ändern. Heute darf und muss Rot-Grün Nein zum Krieg sagen. Und sich gleichzeitig offen halten, Ja zu sagen, wenn alle anderen Mittel versagt haben. Wie die Franzosen. Paris macht Politik. Berlin laviert.

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