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Matteo Salvini, Silvio Berlusconi, Giorgia Meloni und Maurizio Lupi bei einer Wahlkampfveranstaltung (Archivbild).

© Geisler-Fotopress / Geisler-Fotopress/Anna Maria Tinghino

Rechtspopulisten triumphieren: Die Zukunft Italiens sieht düster aus – für die EU wird es ungemütlich

Knapp acht Jahrzehnte nach Ende des italienischen Faschismus hält der Konsens von damals nicht mehr: Nie wieder. Was daraus folgt.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Italien hat gewählt, und es hat sich deutlich entschieden: dafür, von rechts regiert zu werden, mehr noch: Innerhalb des Bündnisses sind, eher noch klarer, die „Fratelli d’Italia“ nach oben gewählt worden, ausgerechnet jene Partei, die aus dem Geist der Faschismus-Nostalgie geboren wurde und als Angebot an jene alten „camerati“ gedacht war - keineswegs nur Männer, aber das Wort gibt es nur im Maskulinum - die mit einer demokratisch-liberalen Wende eines früheren Führungsmannes wenig anfangen konnten.

Auch die Chefin, die sich gern als harmlose Konservative gibt, bekennt sich „stolz“ zu den alten Symbolen und Parolen. „Gott, Familie, Vaterland“ - abgesehen von der Geschichte des Slogans, der schaudern lässt: Für Italiens Zukunft lässt er nichts Gutes erwarten.

„Gott, Familie, Vaterland“ - Code für den Marsch zurück

Wer das gemeinsame Wahlprogramm das Rechtsbündnisses liest, merkt, dass es genau dieses Bekenntnis dekliniert: Gott, die „christlich-jüdischen Wurzeln“, auf die sich die Rechte in Europa überall beruft - und dabei nebenbei vernebelt, dass ihr Antisemitismus natürlich weiterlebt - für ein identitäres Programm, in dem anders Denkende und Glaubende keinen Platz haben, eine Kampfansage an ein multikulturelles Italien.

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Das gibt es längst, aber man kann ihm das Leben natürlich ordentlich schwer machen: indem man den Kindern der ersten Generation von Eingewanderten die Einbürgerung verweigert, indem man Arbeitmigranten illegalisiert und ihnen dadurch jedes Recht nimmt, sich gegen verweigerte Löhne und Gewalt zu wehren, die sie auf den Tomatenfeldern und in den Fabriken erleiden.

„Familie“ dagegen steht im Lichte von Worten und Taten für ein komplettes Desinteresse an einem modernen Sozialstaat, der die fatale Abhängigkeit von Kindern, Kranken, Alten von der Familie zementiert und damit viele Übel, die auch die Wirtschaft behindern, heute mehr denn je: eine niedrige Frauenerwerbsquote und vererbte Armut.

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Was die Rechte unter „Familie“ versteht, müssen viele fürchten. Frauen, die arbeiten oder abtreiben wollen, queere Menschen. Mit dem verehrten „Vaterland“ wird sich Europa herumschlagen müssen: Nationaler Egoismus, „Italien zuerst“ - was immer dieses Italien ist: das der Unternehmensinteressen oder das der Männer und Frauen, die nicht wissen, wie sie bis Monatsende durchkommen sollen?

Klientelinteressen statt Zukunftsfragen

Für die die großen und brennenden Probleme hat das Programm der Rechten keine Rezepte, sie scheinen nicht einmal zu interessieren: Übers Klima, das Management der Migration - der Text kennt nur „illegale“ - verliert der Text nur Worte, die schon beim Querlesen hohl erscheinen, während er sehr konkret wird, wo es um die Klientelinteressen der Bündnispartner geht: ans Geld für öffentliche Aufträge zu kommen und möglichst sicher vor den Nachstellungen einer ohnehin überlasteten und veralteten Justiz zu sein.

Wie es zu diesem Wahlsieg kommen konnte, wird Italien und seine Nachbarn noch länger grübeln lassen. Europa wird sich sehr bald damit auseinanderzusetzen haben, dass die Orbáns der Union sich mit Giorgia Meloni um eine begeisterte Bündnispartnerin gestärkt sehen können - und um ein Gründerland der EU.

Einer der Gründe lässt sich sicher an der Wahlbeteiligung ablesen: Sie ist zum ersten Mal in fast acht Jahrzehnten Demokratie unter 70 Prozent gerutscht, und zwar deutlich. Die neun Prozentpunkte weniger seit 2018 sind nicht nur Fortsetzung eines traurigen Trends, sie sind ein Einbruch.

Nie im demokratischen Italien wählten so wenige

Dass vor allem im Süden die Wahlbeteiligung so dramatisch gering war, zeigt, dass die, die gute Politik am meisten brauchen würden, von ihr keine Verbesserung mehr erwarten. Es ist ein Zeichen der Verzweiflung. Die Krise der westlichen Demokratie, ihrer Versprechen auf Repräsentanz, der Regierung des Volkes durch das Volk, hat an diesem Sonntag in Italien einen neuen, dramatischen Punkt erreicht.

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