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Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am 18.6. in Berlin.

© dpa/Kay Nietfeld

Kanzler lobt Israel für Bombardierungen: Nein, Herr Merz – die „Drecksarbeit“ im Iran erledigen andere

Dass der Bundeskanzler Israel für seinen Einsatz gegen die Islamische Republik lobt, ist politisch erschreckend kurzsichtig. Denn sollte das Regime in Teheran stürzen, würden die Folgen andere treffen.

Kati Krause
Ein Kommentar von Kati Krause

Stand:

Seit knapp einer Woche bombardiert Israel den Iran. Was mit Schlägen gegen Teherans Atomprogramm begann, hat sich schnell ausgeweitet zu einem Krieg gegen die Islamische Republik selbst: In einem Interview mit Fox News am Sonntag sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der Krieg „könnte sicherlich“ zu einem Regimewechsel führen, da die Führung in Teheran „sehr schwach“ sei. Bei ABC News bekräftigte er am Montag, Irans Obersten Führer Ali Chamenei zu töten, „wird den Konflikt nicht eskalieren, sondern ihn beenden“. US-Präsident Donald Trump erwägt, die USA am Krieg gegen den Iran zu beteiligen.

Dieses sehr offen formulierte Kriegsziel Israels muss Bundeskanzler Friedrich Merz gekannt haben, als er am Dienstag im ZDF seinen „größten Respekt“ gegenüber der Regierung in Jerusalem ausdrückte dafür, dass sie die „Drecksarbeit“ übernimmt, den Iran zu bombardieren: „Wir hätten sonst möglicherweise Monate und Jahre weiter diesen Terror dieses Regimes gesehen – und dann möglicherweise noch mit einer Atomwaffe.“

Nun kann man Merz wegen seiner für einen Kanzler nicht statthaften Sprachwahl kritisieren oder dafür, dass er einen völkerrechtlich zumindest fragwürdigen Angriffskrieg unterstützt. Doch seine Aussage zeugt vor allem von erschreckender politischer Kurzsichtigkeit – und Geschichtsvergessenheit. Denn wann ist es in den letzten 25 Jahren jemals glimpflich ausgegangen, wenn ein diktatorisches Regime im Nahen Osten mit militärischer Unterstützung des Westens gestürzt wurde?

Vor 22 Jahren haben wir schon einmal eine ähnliche Debatte geführt, als die damalige US-Regierung Saddam Hussein im Irak stürzen wollte. Auch damals ging es um einen grausamen Diktator, der seine Bevölkerung tyrannisierte und Terrororganisationen unterstützte. Auch damals hieß es, das Regime besitze Massenvernichtungswaffen und sei kurz davor, sie gegen den Westen einzusetzen. Auch damals glaubten viele an einen schnellen militärischen Sieg. Der darauffolgende Krieg dauerte acht Jahre und kostete, je nach Berechnungsmethode, zwischen 100.000 und 600.000 Iraker das Leben.

Die „Drecksarbeit“ machen nicht in erster Linie die, die die Bomben abwerfen. Sollte die Regierung in Teheran wirklich zusammenbrechen, werden dies andere tun: Irans direkte Nachbarn etwa, die mit all den Gefahren umgehen müssten, die die daraus folgende politische Instabilität mit sich bringt – inklusive möglicher Flüchtlingsströme. Die „Drecksarbeit“ würde auch Oppositionsgruppen, Diplomaten und Hilfsorganisationen zufallen, die für ein Minimum an Ordnung im Land kämpfen müssten; aber vor allem würden die Menschen im Iran selbst sie erledigen, allen voran die Frauen, die in dem ziemlich sicher folgenden Chaos überleben müssten.

Nur Diplomatie kann Irans Atomprogramm einschränken

Irans Atomprogramm stellt eine Bedrohung für Israel dar, keine Frage. Doch Experten sind sich erstens uneinig, wie fortgeschritten es wirklich war, zweitens bezweifeln sie, dass es durch Bombardements zerstört werden kann.

Der frühere US-Botschafter in Nahost Ryan Crocker schreibt in „Politico“, weder Israel noch die USA könnten alle iranischen Atomwissenschaftler töten: „Ein Ende des iranischen Atomprogramms kann nur durch eine überprüfbare Vereinbarung erreicht werden, dass Iran seine nukleare Anreicherung einstellt.“

James Acton, Direktor des Nuklearpolitikprogramms am Carnegie Endowment for International Peace, äußert sich in der „New York Times“ ähnlich: Selbst die Zerstörung der unterirdischen Atomanlage in Fordow würde Irans Atomprogramm nicht so sehr ausbremsen, wie es das Atomabkommen aus dem Jahr 2015 getan hatte – ein Abkommen wohlgemerkt, das Netanjahu immer ablehnte und das Trump während seiner ersten Amtszeit aufkündigte. Und Acton stellt eine wichtige Frage: Sollte das Regime in Teheran wirklich stürzen, wer garantiert dann, dass eine neue Regierung das Atomprogramm einstellt?

Wahrscheinlich wäre das die wirkliche „Drecksarbeit“, die jetzt jemand erledigen müsste: ein neues Abkommen verhandeln, das Irans Atomprogramm wieder wirksam einschränkt. Die mühselige „Drecksarbeit“ der Diplomaten aber hat derzeit einen schweren Stand.

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