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Noch freut er sich - Wahlsieger Alexis Tsipras, Chef des Linksbündnisses Syriza.

© AFP

Nach der Wahl in Griechenland: Kräfteverschiebung in Südeuropa

Radikale Linke plus Rechtspopulisten – die Brisanz der neuen griechischen Regierung liegt in der Stärkung europakritischer Bewegungen in anderen Problemländern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Höhler

Um es vorwegzunehmen: Der Euro ist nicht in Gefahr. Die Währungsunion gerät durch den Wahlsieg der radikalen Linken in Griechenland nicht ins Wanken – und auch nicht durch ihr Bündnis mit den in manchen Punkten noch radikaleren Rechtspopulisten.

Anders als 2012, als Griechenland schon einmal am Abgrund der Staatspleite stand, verfügt die Euro-Zone heute über ein Instrumentarium zum Krisenmanagement. Es gibt den Rettungsfonds ESM und die Bankenunion. Die anderen Problemländer wie Irland, Portugal und Spanien haben die Krise hinter sich gelassen und können sich wieder zu günstigen Konditionen am Kapitalmarkt refinanzieren. Niemand wünscht sich einen Zahlungsausfall Griechenlands oder gar ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro. Aber diesmal ist nicht zu befürchten, dass ein griechischer Bankrott eine Kettenreaktion auslösen und andere Länder mitreißen würde. Europa kann mit dem Euro-Schreck Tsipras leben.

Das nimmt dem Syriza-Wahlsieg für die Politiker und Bürger der Euro-Zone einen Großteil seines Schreckens. Die Griechen aber haben allen Grund, sich Sorgen zu machen. Denn für sie gerät der Euro durchaus in Gefahr. Laut Umfragen wollen drei von vier Griechen an der Gemeinschaftswährung festhalten, und zwar „um jeden Preis“. Auch Tsipras gelobt, er wolle den Platz seines Landes in der Euro-Zone sichern. Tsipras wäre tatsächlich verrückt, den Euro aufzugeben. Mit der Drachme würde die Kaufkraft der Griechen weiter dezimiert und das Land in eine neue Rezession stürzen.

Tsipras selbst mag inzwischen erkannt haben, dass seine radikalen Thesen eine Sache sind, die politischen und ökonomischen Realitäten aber eine ganz andere. Er hat deshalb manche seiner Positionen bereits im Wahlkampf abgemildert. Nun sieht er seine Syriza als „Stimme der Vernunft“, als den „Weckruf, der Europa aus seiner Lethargie reißen wird“. Richtig ist, dass nun viele Menschen in anderen EU-Südländern auf Griechenland blicken. Nicht zufällig kam Podemos-Chef Pablo Iglesias Turrion zur Syriza-Abschlusskundgebung nach Athen. Die spanische Linksbewegung hofft auf griechischen Rückenwind für die Wahl im Herbst, bei der sie die Konservativen aus der Macht zu verdrängen hofft.

Die Brisanz des Syriza-Erfolges liegt aus europäischer Sicht daher nicht in einer Gefahr für den Bestand des Euro, sondern in der Stärkung linkspopulistischer, europakritischer Bewegungen in anderen Problemländern. Der Machtwechsel in Athen könnte eine politische Kräfteverschiebung in Südeuropa einleiten. Umso dringender wird es, die bisherige Rettungsstrategie zu überdenken. In Griechenland jedenfalls hat sich der sterile Austeritätskurs als Irrweg erwiesen. Das Programm muss nachjustiert werden. Griechenland braucht mehr Spielraum für wachstumsfördernde Investitionen und für Sozialhilfen, damit nicht noch mehr Menschen in die Armut abstürzen. Der Erfolg der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte, die als drittstärkste Kraft aus dieser Wahl hervorging, ist ein Warnsignal.

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