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FDP-Chef Rösler: Seine letzte Schlacht kann er nicht gewinnen

Die Tage von Philipp Rösler als FDP-Vorsitzender scheinen gezählt. Da kann er machen was er will: Zwei potenzielle Nachfolger warten schon, entweder es folgt ihm der Wunderretter oder der Nachlassverwalter des politischen Liberalismus.

Philipp Rösler legt sich derzeit mächtig ins Zeug, um seine Partei irgendwie in die Schlagzeilen zu bringen. Mal ist der FDP-Vorsitzende, Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler prinzipientreu und mal populistisch, mal bürgernah und mal wirtschaftsfreundlich. Den Schleckerfrauen will er nicht helfen, weil das den Prinzipien der Marktwirtschaft widerspricht. Dafür soll die Pendlerpauschale erhöht werden, weil die Marktwirtschaft an den Zapfsäulen zu immer höheren Spritpreisen führt. Rösler begrüßt die neuen Regeln bei der Zuwanderung für Besserverdienende und zieht eine neue „rote Linie“ bei der Euro-Rettung. Zuvor hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung ihre alte rote Linie souverän überschritten. Mit Liberalismus hat das alles allerdings wenig zu tun, dafür viel mit Wahlkampf.

Es soll niemand dem Parteivorsitzenden vorwerfen, er gebe in diesen Wochen, in denen die FDP um ihr politisches Überleben kämpft, nicht wirklich alles. Philipp Rösler kämpft, sein Amt mache ihm „noch Freude“ hat der 39jährige nach dem 1,2-Prozent-Desaster bei der Saarlandwahl am 25. März zu Protokoll gegeben. Jedem Anschein von Amtsmüdigkeit will er vermeiden, seinen Parteifreunden rät er, nur nicht panisch werden.

Dabei hätten die Liberalen und allen voran Philipp Rösler dafür allen Grund dazu. Es ist schließlich überhaupt nicht gut gelaufen für den jungen Parteivorsitzenden, der im Mai vergangenen Jahres den Chefsessel von Guido Westerwelle übernommen hatte. Schon vor einem Jahr ging es der Partei nach einer Reihe verloren gegangener Landtagswahlen schlecht. Der überragende Wahlerfolg bei der Bundestagswahl 2009 entwickelte sich für die Liberalen immer mehr zur Last, das Rekordergebnis von 14,6 Prozent zum Fluch. Die FDP konnte die versprochenen Steuersenkungen nicht liefern, konnte sich gegen die Union nicht durchsetzen, viele Wähler wandten sich ab, Westerwelle musste gehen.

Nur Rösler konnte erst recht nicht liefern, obwohl er dies den FDP-Wählern nach seiner Wahl zum Parteichef auf dem Parteitag in Rostock selbstbewusst versprochen hatte. Im Gegenteil: Unter seiner Führung hat sich die Krise der Liberalen in den letzten Monaten zu einem dramatischen Überlebenskampf zugespitzt. Röslers Versuch, die FDP unter den Schlagworten „mitfühlender Liberalismus“ oder „Wachstumspartei“ neu zu profilieren, ist grandios gescheitert. Selbst der liberale Coup bei der Bundespräsidentenwahl ist verpufft.

Dass sich Rösler bei der Kür des Kandidaten Joachim Gauck gegen Kanzlerin Merkel durchsetzen konnte, hat der FDP nichts genutzt. Mehr noch. Rösler verwandelte den machtpolitischen Triumph in eine persönliche Niederlage. Denn anschließend machte er sich in aller Öffentlichkeit über Merkels lustig, verglich die Kanzlerin mit einem Frosch in heißem Wasser. Auch dem letzten Wähler wurde deutlich, wie wenig Rösler seinem Amt auch charakterlich gewachsen ist. So stürzte die FDP unter der Führung von Philipp Rösler ins Bodenlose.

Im April 2011 stand die FDP in Umfragen noch bei 8 Prozent, mittlerweile sind es nur noch zwei bis drei. Im ersten Halbjahr 2011 konnte die Partei zumindest noch in die Landesparlamente von Hamburg und Baden-Württemberg einziehen. Doch seit Rösler Parteichef ist, scheiterte die FDP vier Mal nacheinander deutlich an der 5-Prozent-Hürde. Unter der Last der Erfolglosigkeit ist die liberale Boygroup aus Philipp Rösler, Daniel Bahr und Christian Lindner, die Westerwelle gestürzt hatte, bereits wieder auseinandergebrochen.

Rösler muss gute Miene zum bösen Spiel machen

Im Dezember warf Generalsekretäre Christian Lindner das Handtuch und trat zurück, ohne in der Öffentlichkeit seine Motive offenzulegen. Trotzdem war nicht zu übersehen, dass sich Lindner mit Rösler politisch und persönlich überworfen hatte.

Lindner war es denn auch, der dem Gesundheitsminister und FDP-Landesvorsitzenden Daniel Bahr erfolgreich die Spitzenkandidatur in Nordrhein-Westfalen streitig gemacht hatte und sich gegen den Willen des Parteichefs Rösler zum liberalen Wunderretter aufschwang. Politisch zielgerichtet und ohne persönliche Rücksichtnahme hat Christian Lindner nach seiner letzte Chance gegriffen. Niccolò Machiavelli der Vater aller Machtpolitiker hätte große Freude an seinem Schüler.

In aller Öffentlichkeit demonstriert Lindner, wie wenig Autorität Rösler noch in seiner Partei besitzt. Mitte März zum Beispiel hatte der FDP-Vorsitzende extra eine USA-Reise abgesagt, um nach der überraschenden Neuwahlentscheidung in Nordrhein-Westfalen gegen Lindner seinen Favoriten für die Spitzenkandidatur den Rücken zu stärken. Doch an den entscheidenden Gesprächen in Düsseldorf durfte der Parteichef nicht einmal teilnehmen. Gesundheitsminister Daniel Bahr zog den Kürzeren und muss nun sogar den Landesvorsitz an Lindner abgeben.

Rösler blieb nichts anders übrig, als gute Mine zum verlorenen Machtspiel zu machen und sich „sehr froh und dankbar“ darüber zu zeigen, dass Christian Lindner „aus der Reserve“ zurückgekommen sei. Am Wochenende nun beerdigte Lindner quasi im Alleingang auch das liberale Steuersenkungsversprechen aus dem Bundestagswahlkampf 2009. Erst wenn die öffentlichen Haushalte saniert seien, könne man über Steuersenkungen reden, so erklärte Lindner. Er hatte gar keine andere Wahl, schließlich will er sich im Wahlkampf gegen die rot-grüne Schuldenpolitik in Nordrhein-Westfalen profilieren.

In den kommenden sechs Wochen geht es für die FDP nun um alles. Bei den beiden Landtagswahlen am 6. Mai in Schleswig-Holstein und vor allem am 13. Mai in Nordrhein-Westfalen entscheidet sich also die Zukunft der Liberalen.

Philipp Rösler jedoch hat seine politische Zukunft schon hinter sich. Er muss kämpfen, darf keine Schwäche zeigen, muss seinen Matadoren in Kiel und Düsseldorf den Rücken stärken. Dabei weiß er ganz genau, dass diese anschließend in Berlin mit ihm machtpolitisch abrechnen werden. Rösler hat sich in eine Lose-Lose-Situation hineinmanövriert. Seine Tage als FDP-Vorsitzender und Vizekanzler scheinen gezählt.

Gelingt Christian Lindner das liberale Wunder an Rhein und Ruhr, dann ist er der neue starke Mann der FDP, schon jetzt lässt er sich als liberaler Messias feiern. Es spricht viel, eigentlich alles dafür, dass Lindner im Falle des Triumphes den Daumen über dem am Boden liegenden Parteichef, mit dem er sich überworfen hat, senkt. Scheitert die FDP hingegen bei beiden Landtagswahlen, dann muss Rösler als Parteichef erst Recht zurück treten und die politische Verantwortung für die verheerende Serie an Wahlniederlagen übernehmen. Der alte liberale Fahrensmann Rainer Brüderle, der derzeit an der Spitze der Bundestagsfraktion steht, würde wohl der Nachlassverwalter des politischen Liberalismus in Deutschland werden. Sogar die schwarz-gelbe Bundesregierung könnte in Gefahr geraten.

Philipp Rösler kämpft also seine letzte politische Schlacht. Gewinnen kann er diese nicht.

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