zum Hauptinhalt
Demonstration für eine sozialere Politik am 22. Oktober 2022 in Berlin

© Foto: Imago/epd/Christian Ditsch

Superreiche in die Pflicht nehmen: Scholz kann noch von Adenauer lernen

Mit dem von der Regierung Adenauer ersonnenen Lastenausgleich unterstützten nach dem Krieg die Vermögenden die Bedürftigen. Ähnliches könnte auch jetzt helfen – den Bürgern und der SPD.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Und wirklich richtig diskutiert wird es nicht: Wie in diesen Zeiten die wirklich Reichen helfen können, die Lasten des mannigfach herausgeforderten Staaten zu schultern.

Dabei ist doch eigentlich klar, dass in einem demokratischen Gemeinwesen unter den Bedingungen der sozialen Marktwirtschaft stärkere Schultern mehr tragen sollten als schwächere oder schwache.

Nichts anderes wollte im Übrigen SPD-Chefin Saskia Esken. Sie forderte kürzlich vor den Jusos: „Um diesen handlungsfähigen Staat zu gewährleisten, die Krisenbewältigung ebenso zu finanzieren wie unsere Investitionen in Zukunft und Zusammenhalt, dafür (...) brauchen wir eine solidarische Vermögensabgabe der Superreichen.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Anstatt das zum Anlass für weiteres Nachdenken zu machen, wurde daraus nur abwehrend gemacht, dass Esken eine Vermögensteuer fordere. Nein, forderte sie nicht. Wohl aber eine Selbstvergewisserung. Die auch nötig ist. Zu Eskens Überlegung lässt sich zunächst einmal sagen: Eine Abgabe ist zielgerichtet, für einen bestimmten Zweck, sie kann einmal oder mehrmals erhoben werden.

Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende
Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende

© dpa/Kay Nietfeld

Das ist bei entsprechendem politischem Willen natürlich möglich. Eine Steuer aber auch, wobei die sogenannte Reichen- und die Vermögensteuer voneinander zu unterscheiden sind.

Reichensteuer ist der umgangssprachliche Begriff für einen Steuersatz der Einkommensteuer, der ab Einkommen von 277.826 Euro jährlich einsetzt. Dieser Steuersatz liegt drei Prozent über dem eigentlichen Spitzensteuersatz von 42 Prozent.

Das bedeutet: Alles, was über 277.826 Euro liegt, wird zu 45 Prozent versteuert. Für Ehepaare ist mit 555.652 Euro der doppelte Betrag als Grenze vorgesehen. Was darunter liegt, wird weiterhin nach dem vorherigen Steuersatz versteuert. Der Anteil zwischen 58.597 Euro und 277.826 Euro beispielsweise also nach dem Spitzensteuersatz mit 42 Prozent.

Hoher Lohn, hohe Abgaben

Je höher der Lohn, desto höher die Abgaben. Die höchsten Steuersätze sind der Spitzensteuersatz und die Reichensteuer. Die Reichensteuer gibt es seit 2007. Bis 2006 war der Spitzensteuersatz mit 42 Prozent (plus Solidaritätszuschlag) der höchste Satz, nach dem Einkommen versteuert wurden.

Begründet wurde die Anhebung um drei Prozent damit, dass Spitzenverdiener sich in einem höheren Ausmaß an der Gesundung der öffentlichen Haushalte beteiligen sollten.

Die Reichensteuer ist seit ihrer Einführung 2007 konstant bei 45 Prozent geblieben. Auch der Spitzensteuersatz wurde seit 2005 nicht wieder angehoben, nachdem er seit 1998 Schritt für Schritt von 53 Prozent – noch unter dem konservativen Bundeskanzler Helmut Kohl! – auf 42 Prozent gesenkt wurde.

Jetzt kommt’s auf die Debatte an: Für Kritiker ist die Reichensteuer eine „Neidsteuer“; nicht aber für die mehr als 100 Millionäre, die sich zu Anfang dieses Jahres dafür aussprachen, sie zu steigern. Womit sie wie drei Viertel der Bundesbevölkerung denken. Generell gibt es damit sehr viele, die sich eine höhere Besteuerung von Personen mit hohem Einkommen wünschen – womit oft die Vermögensteuer gemeint ist.

Reichensteuer fällt auf das zu versteuernde Einkommen eines Steuerzahlers an, wenn das einen bestimmten Betrag überschreitet, Vermögensteuer fällt auf das Vermögen eines Steuerzahlers an. Besser: fiel. Denn sie wird seit 1997 nicht mehr erhoben, obwohl das Vermögensteuergesetz nach wie vor in Kraft ist. Zuletzt betrug sie jährlich ein Prozent des steuerpflichtigen Vermögens für natürliche Personen, 0,6 Prozent für Körperschaften.

Der Internationale Währungsfonds sprach sich 2021 für die Einführung einer Vermögensteuer aus, um die Kosten aus der Coronakrise zu bewältigen. Dabei sollte es sich um eine Abgabe nach dem Vorbild des Solidaritätszuschlags in Deutschland handeln. Eine Studie des IWF von 2015 hatte schon auf die Vermögensteuer als eine Maßnahme gegen Ungleichheit verwiesen.

Neulich gab es übrigens auch noch den Hinweis auf den Lastenausgleich in Westdeutschland unter dem konservativen Bundeskanzler Konrad Adenauer im Jahr 1952. Damals besaß das oberste eine Prozent der Bevölkerung rund ein Viertel des gesamten Vermögens. Darum wurde auf große Vermögen eine Abgabe erhoben, über 30 Jahre hinweg jedes Jahr 1,67 Prozent. Die Einnahmen kamen denen zugute, die keine Rücklagen hatten, um in der Nachkriegszeit ihre Lasten zu mildern.

So etwas Ähnliches ließe sich auch jetzt wieder nicht nur denken, sondern diskutieren und entscheiden. Die Wähler:innen fanden es damals schon gut. Sie dankten es dann Adenauer mit tollem Zuwachs, von 31 auf 45 Prozent. Die SPD und ihr Kanzler Olaf Scholz würden gewiss auch profitieren. Die Bürger:innen sowieso.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false