
© AFP/ATTILA KISBENEDEK
US-Zölle und Netanjahu in Ungarn: Düstere Tage für die regelbasierte Weltordnung
Internationale Organisationen und das Völkerrecht stehen unter Beschuss. Doch das begann nicht erst mit Trumps zweitem Amtsantritt. Was Deutschland jetzt nicht tun darf.

Stand:
Ungarn empfängt den mit einem internationalen Haftbefehl belegten israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, die US-Regierung verhängt im großen Stil Zölle selbst gegen ihre engsten Verbündeten. Dass beides wohl nicht im Einklang mit internationalem Recht steht, ist kaum noch eine Randnotiz. Und hier wird’s gefährlich.
Wer jetzt sagt, das sei der Anfang vom Ende der internationalen Ordnung, der hat in den vergangenen Jahren wohl beide Augen zugekniffen. Denn das Völkerrecht steht nicht erst seit dem zweiten Amtsantritt von Donald Trump unter Beschuss.
Die USA wählten schon immer einen Sonderweg, wenn es um multilaterale Organisationen und Verträge ging. Dem Internationalen Strafgerichtshof etwa sind sie nie beigetreten. Bei der Welthandelsorganisation (WTO) sind sie zwar Mitglied, haben jedoch das WTO-Berufungsgericht, das bei Streit über Zölle entscheidet, lahmgelegt. Und bei der Unesco, der UN-Organisation für Wissenschaft und Kultur, traten sie mehrfach ein und wieder aus, wie es gerade opportun schien.
Was gerne vergessen wird: Diese Rosinenpickerei betrieben Republikaner wie Demokraten. Doch das generelle Bekenntnis zu einer auf Regeln basierenden Weltordnung und einem fairen Freihandel war vor Trump weitestgehend Konsens in den USA.
Es drohen irreversible Schäden
Einen richtigen Stresstest erlebten die Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen unter Trumps erster Präsidentschaft. Er trat damals etwa aus dem Pariser Klimaabkommen aus und kündigte das Atomabkommen mit dem Iran auf. Das hinterließ Spuren, aber manches ließ sich zurückdrehen: So traten die USA unter Biden dem Klimaabkommen einfach wieder bei.
Doch dieses Mal dürften die Schäden irreversibel sein: Zum einen ist da Trump selbst, der unverhohlen mit einer – verfassungswidrigen – dritten Amtszeit droht. Zum anderen findet seine auf nationalem Egoismus basierende Politik immer mehr Nachahmer.
So manche Selbstverständlichkeit schwindet gerade.
Charlotte Greipel
Das zeigt sich etwa in Ungarn. Nachdem der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Netanjahu erlassen hatte, lud Regierungschef Viktor Orbán ihn umgehend zu einem Besuch ein. Der kam der Aufforderung gerne nach und spaziert dieser Tage unbehelligt durch Budapest. Und das, obwohl Ungarn wie jeder Vertragsstaat des Gerichtshofs dazu verpflichtet wäre, Netanjahu festzunehmen und auszuliefern.
Dass Ungarn kurzerhand seinen Austritt aus dem Strafgerichtshof erklärt hat, befreit es im Übrigen erst einmal nicht von dieser Pflicht, die noch ein Jahr fortwirkt. Was also tun?
Merz zeigt, wie es nicht geht
Die EU hat als Reaktion auf Trumps Zölle bereits angekündigt, verstärkt auf Freihandelskommen mit anderen Ländern zu setzen, etwa Südamerika und Indien. Deutschland spielt dabei eine wichtige Rolle. Erfreulich ist auch das klare Bekenntnis zu EU, Nato und Vereinten Nationen in den öffentlich gewordenen Papieren aus den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen.
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit mag man denken. Aber so manche Selbstverständlichkeit schwindet gerade.
Wie es nicht geht, hat der voraussichtlich nächste deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erst vor Kurzem gezeigt: Auch er hat Netanjahu ein baldiges Treffen in Deutschland in Aussicht gestellt und dabei versichert, dass dieser nicht festgenommen würde.
Natürlich, Deutschland hat zum jüdischen Staat ein besonderes Verhältnis, Netanjahu ist nicht irgendein Regierungschef. Den israelischen Politiker in Deutschland festzunehmen, wäre angesichts der deutschen Vergangenheit heikel.
Aber warum Netanjahu nicht in Israel treffen? Es gäbe Wege, die besondere Freundschaft mit Israel zu pflegen, ohne gleich die internationalen Spielregeln infrage zu stellen. Das untergräbt Deutschlands Glaubwürdigkeit in der Welt, zumal es in puncto Völkerrecht gerne als Lehrmeister auftritt.
Deutschland bezeichnet sich in seiner Verfassung und in Sonntagsreden gerne als Verteidiger des Völkerrechts. Wie kaum ein anderes Land hat es von der regelbasierten Weltordnung profitiert: Die Nato bot militärischen Schutz, EU und Welthandelsorganisation machten einen langjährigen Exportüberschuss möglich.
Die regelbasierte Weltordnung wie Trump und Orbán zu missachten, ist jedenfalls der falsche Weg. Denn eine Welt in Unordnung kennt nur Verlierer – wirtschaftlich, militärisch und politisch.
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