
Treffen mit Ahmadinedschad: Wie privat ist Schröders Iran-Reise?
Altkanzler Schröder macht Urlaub in Iran - und will am Samstag Staatspräsident Ahmadinedschad besuchen. Das geplante Treffen mit dem Israel-Hasser verärgert den Zentralrat der Juden. Schröder hingegen betont den privaten Charakter des Gesprächs. Doch wie privat kann ein Treffen mit Ahmadinedschad eigentlich sein?
Wie privat ist es, wenn ein deutscher Ex-Kanzler den amtierenden iranischen Staatschef besucht, der das Existenzrecht Israels und die Existenz des Holocaust in Frage stellt? Völlig privat, befindet das Büro von Altkanzler Schröder. Ganz und gar nicht privat, schimpft der Zentralrat der Juden in Deutschland. Im Gegenteil. Das Treffen von Schröder mit Ahamdinedschad sei sogar hochpolitisch, so der Generalsekretär des Zentralrats Stephan J. Kramer: "Herr Schröder fügt dem Ansehen der Bundesregierung und der Bundesrepublik Deutschland schweren Schaden zu". Und: "Er würde im Sinne der Menschenrechte besser auf das Treffen verzichten".
Angesichts der Brisanz der Frage, welchen Anteil das Politische und welchen das Private an Schröders Treffen mit Ahmadinedschad hat, ist es erstaunlich, wie zurückhaltend sich das politische Berlin verhält. Aus dem Auswärtigen Amt verlautet lediglich, dass Schröders 4-tägige Reise nach Iran rein privaten Charakter habe. Doch allein die Tatsache, dass das Außenministerium in die Reise des Ex-Kanzlers eingebunden ist, zeigt, dass, die Reise sehr wohl eine gehörige Portion politischen Charakters innehat. (Eine Woche Urlaub auf Sylt würde Schröder sicher nicht mit dem Auswärtigen Amt absprechen.) Und da das Treffen Schröders mit Ahmadinedschad also nicht rein privater Natur sein kann, mag die Kritik des Zentralrats an Schröders "Privatreise" durchaus gerechtfertigt sein.
Ahmadinedschad ist eine Gefahr für die Existenz Israels
Denn Mahmud Ahmadinedschad ist in der westlichen Welt mehr als umstritten. Durch seine regelmäßigen Verbalattacken gegen Israel und die Infragestellung des Holocaust hat er Iran mehr und mehr isoliert. Hinzu kommt die Befürchtung, Iran könne nach Atomwaffen streben. Der Wunsch, Israel nicht mehr auf der Landkarte sehen zu wollen, und der mögliche Besitz von Atomwaffen sind also eine äußerst gefährliche Kombination. International ist man sich daher weitestgehend einig: Ahmadinedschad ist eine Gefahr für eine mögliche Stabilität im Nahen Osten. Vor allem aber ist er eine Gefahr für die Existenz Israels.
Mit diesem Mann will Schröder sich an diesem Samstagnachmittag also treffen und sorgt damit für Empörung im Zentralrat der Juden. Mit einem Holocaust-Leugner und Feind Israels sprechen zu wollen, wird als größtmöglicher Affront gesehen. Diese Reaktion des Zentralrats war erwartbar und dürfte niemanden überraschen. Doch sollte neben aller Empörung und Wut über Ahmadinedschad nicht übersehen werden, dass Reden auch einen durchaus positiven Zweck erfüllen kann. Zumal die Politik der Isolation Irans bislang wenig erfolgreich war und Ahmadinedschad nur noch mehr dazu anstachelte, in seinen Reden Israel und den Westen zu provozieren.
Ende der Isolation - Beginn der Kommunikation?
"Ich habe keine Botschaft, aber Hoffnung auf neue Beziehungen zwischen der internationalen Gemeinschaft und dem Iran", begründet denn auch der Altkanzler sein Treffen. Damit begibt sich Schröder, der in Iran hohes Ansehen genießt, auf Linie des neuen US-Präsidenten Barack Obama. Dieser hatte direkt nach seinem Amtsantritt ebenfalls Bereitschaft zu einem konstruktiven Dialog mit Iran signalisiert - und damit der Isolationspolitik Bushs eine Absage erteilt. Die Leugnung des Holocaust, da sind sich nicht nur Obama und Schröder einig, ist jedoch ein schwerer Brocken, der einem solchen Dialog im Wege liegt.
Das machte Schröder auch einige Stunden vor dem Treffen noch einmal deutlich. In seiner Rede vor der iranischen Industrie- und Handelskammer kritisierte er Ahmadinedschad. "Der Holocaust ist eine historische Tatsache und es macht keinen Sinn, dieses einmalige Verbrechen zu leugnen", erklärte der Ex-Kanzler mit ernster Miene. Dass die Bereitschaft, in der Frage der Holocaust-Leugnung einzulenken, in Iran aber noch in Kinderschuhen steckt, zeigte die prompte Reaktion auf Schröders Aussage: "Um eine gemeinsame Lösung zu finden, sollte man auch das jüngste Massaker an den Menschen in Gaza nicht vergessen und Israel dafür auf internationaler Ebene verurteilen", schoss der Leiter der Industrie- und Handelskammer, Mohammed Nahawandian, umgehend zurück.
Umarme den Feind, um ihn bewegungsunfähig zu machen
Der Schlagabtausch zeigt deutlich, wie weit die Positionen der westlichen Welt und Irans auseinander liegen. Er zeigt auch, dass festgefahrene Vorstellungen nicht so leicht aus den Köpfen der Menschen verbannt werden können. Doch gleichzeitig beweist dieser Schlagabtausch, dass Reden immer möglich ist - auch bei verhärteten Fronten.
Nach Obama setzt nun auch Schröder das Signal, den Iran aus seiner Isolation herausholen zu wollen. Und möglicherweise ist ein Altkanzler sogar besser in der Lage, Tacheles zu reden, als ein offizielles Staatsoberhaupt. Möglicherweise kann ein angesehener Ex-Regierungschef mit einer Strategie des "den Feind umarmen, um ihn bewegungsunfähig zu machen" erste Schritte für eine neue Form der Politik einleiten. Es wäre zu wünschen. Das politische Element von Schröders "Privatreise" müsste dann auch nicht mehr von der Bundesregierung so schamvoll geleugnet werden.
Ein Kommentar von Simone Bartsch