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Ost-West-: Geschichtsstunde

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Eine Kolumne von Andreas Busche

Das Ost-West-Thema legt sich inzwischen wie ein Schleier über das deutsche Kino. Filme wie „Stasikomödie“ oder „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ wagen aus sicherer Distanz von einem Land der subkulturellen Schlupflöcher zu erzählen, in denen man eine Parallelexistenz führen konnte. Andreas Goldstein ging mit „Adam und Evelyn“ sogar so weit zu suggerieren, dass das Leben in der DDR Annehmlichkeiten bot, die man sich für harte D-Mark nicht kaufen konnte. Ein entschieden anderer Sound als noch vor 15 Jahren in klaustrophobischen Paranoia-Dramen wie „Das Leben der Anderen“.

Nicht nur darum ist Peter Timms „Meier“ von 1987 ein Kleinod der deutschen Komödie. Rainer Grenkowitz spielt einen Maler-Brigadier, der vom Westgeld seines verstorbenen Vaters einen westdeutschen Pass und eine Weltreise finanziert – und danach in die DDR zurückkehrt. Dort wird er zum Held der Arbeit, weil er bei seinen Ausflügen in den Westen begehrte Rauhfasertapeten zurück über die Grenze schmuggelt und seinem Chef als eigene Erfindung verkauft. Am Wochenende lief „Meier“ nach langer Zeit mal wieder im Kino, in Anwesenheit des Regisseurs, der wenige später mit „Go Trabi Go“ und „Manta – Der Film“ die ost-westdeutsche Automobilität im Kino verewigte. Das Publikumsgespräch sollte sich dann aber als Geschichtsstunde erweisen, denn im Publikum saß unter anderem der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Roland Jahn, der letzte Leiter der Stasiunterlagenbehörde.

Und plötzlich wurde aus der subversiven Komödie aus dem Westen, unter der Regie eines ehemaligen DDRlers, der in Ost-Berlin mit den Behörden im Clinch gelegen hatte, plötzlich ein Stück Lebensgeschichte. Timm erzählte von einem Freund, der sich ähnlich wie Meier das Privileg erschlichen hatte, legal zwischen West- und Ostberlin zu pendeln, um an der FU zu studieren. Von seinem Vater, der neun Monate in einem westdeutschen Gefängnis saß. Von Inoffiziellen Mitarbeitern in der Filmcrew – und wie „Meier“ im Westen eine Neugier auf die DDR entfachte. Die ganze Tragik, Resilienz und Absurdität der alten DDR verdichtet auf einen Kinoabend, der Geschichte lebendig machte. „Meier“ hat in 35 Jahren nichts von seiner Lässigkeit eingebüßt. Was will man mehr vom Kino?

Andreas Busche schreibt an dieser Stelle jeden Donnerstag seine Beobachtungen zum Kino auf.

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