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Ungesunde Ernährung kann zu einer Vielzahl von Krankheiten führen – ob Parkinson dazu gehört, bleibt weiter ungewiss.

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Parkinson durch hochverarbeitete Lebensmittel?: Hinweise auf Zusammenhang

Kekse, Fertigmüsli oder Chips könnten im Zusammenhang mit frühen Anzeichen von Parkinson stehen, besagt eine Studie der American Academy of Neurology. Warum das viel zu kurz gedacht ist und wir trotzdem noch Süßes essen dürfen, erklärt Ernährungsforscher Stefan Kabisch. 

Von Carlotta Wagner

Stand:

Menschen, die viele hoch verarbeitete Lebensmittel essen, zeigen mehr als doppelt so häufig frühe Anzeichen von Parkinson wie diejenigen, die davon wenig konsumieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am 7. Mai 2025 im Fachmagazin „Neurology“ erschien. Hochgradig verarbeitete Lebensmittel sind Produkte, die durch industrielle Prozesse entstehen und oft mit Zusatzstoffen versetzt sind, wie Wurst, Süßigkeiten, Softdrinks oder auch Backwaren. 

Zu Beginn der Studie wurden 42.853 Menschen mit einem Durchschnittsalter von 48 Jahren ohne Parkinson ausgewählt. Über 26 Jahre wurden sie regelmäßig auf frühe Parkinson-Symptome getestet: darunter eine Schlafverhaltensstörung, Verstopfung, depressive Symptome, beeinträchtigtes Farbsehen oder Geruchsstörungen. 

Parallel hielten die Versuchspersonen alle zwei bis vier Jahre in einem Tagebuch fest, was sie wann und wie oft aßen. Danach teilten die Forschenden Probanden in fünf Gruppen ein: Die Gruppe mit dem höchsten Konsum aß durchschnittlich mehr als elfmal am Tag hoch verarbeitete Produkte, die am wenigsten Konsumierenden griffen weniger als dreimal am Tag zu Fertigsoßen, Müsliriegeln und ähnlichem.

Die Auswertung ergab, dass Menschen, die am meisten Fertigprodukte aßen, eine 2,5-fach höhere Wahrscheinlichkeit hatten, mindestens drei frühe Anzeichen einer Parkinson-Erkrankung aufzuweisen, als Personen der Gruppe mit dem geringsten Konsum. 

Armut als Risiko

Belegt also die Studie, dass Chips-Liebhaber öfter Parkinson bekommen? „Nein“, sagt Stefan Kabisch, Ernährungsforscher an der Charité, „aus solchen Beobachtungsstudien kann keine Kausalität abgeleitet werden.“

Menschen, die viele hoch verarbeitete Lebensmittel essen, gehören oft zu einer bestimmten Gruppe. Diese sei oft auch anderen Gesundheitsrisiken ausgesetzt, wie Armut oder Giftstoffen im Berufsalltag oder Schadstoffen in den Lebensmittelverpackungen.

Aus solchen Beobachtungsstudien kann keine Kausalität abgeleitet werden.

Stefan Kabisch, Ernährungsforscher an der Charité Universitätsmedizin Berlin

Außerdem essen diese Menschen oft viele gesunde Lebensmittel nicht. Da könne man schlecht sagen, ob es an einem Mangel gesunder oder Übermaß ungesunder Lebensmittel liege, sagt Kabisch.

So zeige eine Studie, dass Menschen, die mehr Eiscreme essen, ein geringeres Risiko für Diabetes haben. Beugt Stracciatella also Diabetes vor? Schön wäre es. „Wahrscheinlich sind Menschen, die sich sehr oft Eiscreme leisten, so reich, dass sie einen höheren Lebensstandard und somit ein geringeres Erkrankungsrisiko haben“, meint der Studienarzt.

„Was wir nicht brauchen, ist die zwanzigste solcher Beobachtungsstudien“, sagt Kabisch. Wirklich genaue Ergebnisse ließen sich nur durch Interventionsstudien erzielen, also durch gezielte Experimente statt Selbsteinschätzungen. „Aber man kann in einer Studie kaum jemandem über zwanzig Jahre vorschreiben, was er zu essen hat.“

Egal ob Donuts oder Vollkornbrot

Noch wichtiger: Es wurde nicht das Auftreten von Parkinson, sondern nur verschiedene Frühwarnzeichen ausgewertet. Dabei können Verstopfung, Schmerzen im Körper und Depressivität auch durch Adipositas erklärt werden und müssen nicht auf Parkinson hinweisen. „Vermutlich hat man die Frühwarnsymptome gewählt, da so höhere Fallzahlen vorliegen“, so Kabisch.

Auch Daniel van Wamelen, Dozent am Institut für Psychiatrie, Psychologie und Neurowissenschaften des King’s College London, meint, die beobachteten Symptome seien generell in der Bevölkerung weit verbreitet. „Die Ergebnisse der Studie sind interessant, aber es bräuchte weitere Daten dazu, wie viele Personen langfristig tatsächlich mit Parkinson diagnostiziert werden“, meint der Neurologe.

Problematisch sei zudem, dass die Patienten selbst Buch über ihre Ernährung führten, meint Kabisch. Ganz allgemein tauche die Vielzahl der Lebensmittel in der Studie nicht auf. Donuts und abgepacktes Vollkornbrot aus dem Supermarkt sind beides hoch verarbeitete Lebensmittel – und unterschiedlich gesund. Der Begriff der „hochgradig prozessierten Lebensmittel“ („higly processed foods“, oft auch „ultra processed foods“) ist eine Kategorie, die viel enthalten kann. „Man versucht aber zunehmend, das wissenschaftlich zu präzisieren“, sagt der Arzt. Man müsse es in einzelne Unterkategorien aufdröseln. 

Kein Fertigessen ist auch keine Lösung

„Bestimmte hoch prozessierte Produkte würde ich ausdrücklich nicht empfehlen“, sagt der Kabisch. Das bedeutet aber nicht, dass grundsätzlich niemand mehr industriell gefertigte Lebensmittel essen sollte. Das sei auch gar nicht möglich.

Bestimmte hoch prozessierte Produkte würde ich ausdrücklich nicht empfehlen.

Stefan Kabisch, Ernährungsforscher an der Charité Universitätsmedizin Berlin

Die Menschen verzehren Tiefkühlpizzen und Co, weil sie keine Zeit haben, frisch zu kochen, weil ihnen die Produkte schmecken und weil sie oft preiswert sind. „Würde man diese Produkte verbieten oder hoch besteuern, wären zwar alle schlank – aber weil sie sich vieles nicht mehr leisten könnten und womöglich hungern würden“, meint Kabisch.

Wichtig wäre nach Ansicht des Ernährungsforschers, dass alle Menschen sich gesundes Essen leisten können. So könnte man eine Vielzahl von Erkrankungen – und nicht nur Parkinson – verhindern.

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