zum Hauptinhalt
Ein Polizeibeamter steht bei einer Razzia in Berlin vor einem Gebäude. Sicherheitskräfte haben im Zusammenhang mit dem Verbot der Terrororganisation Hamas und des internationalen Netzwerks Samidoun in Deutschland mehrere Objekte in Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein durchsucht.

© dpa/Sven Kaeuler

Update

350 Polizisten in Berlin im Einsatz: Razzia bei Anhängern von Hamas und Samidoun

Mit den Durchsuchungen in vier Bundesländern wurde das vor drei Wochen verhängte Verbot der beiden Organisationen durchgesetzt. Allein in Berlin waren 350 Polizeibeamte im Einsatz.

Stand:

Am Donnerstagmorgen hat die Polizei in Berlin und drei weiteren Bundesländern Wohnungen und Räume von Anhängern der islamistischen Hamas und der pro-palästinensischen Samidoun durchsucht. Schwerpunkt der Aktion war die Hauptstadt. In Berlin waren es elf Objekte, bundesweit 16. Es seien Mobiltelefone, Laptops, Datenträger und Schriftstücke sichergestellt worden, erklärte das Bundesinnenministerium.

Sieben der elf Durchsuchungen in Berlin richteten sich gegen die Hamas und vier gegen Samidoun. Überwiegend waren Wohnungen betroffen. Durchsucht wurden auch Räume des Vereins „Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland“ in der Mainzer Straße in Neukölln. Nach Erkenntnissen des Berliner Verfassungsschutzes besteht der Verein „vorwiegend aus HAMAS-Anhängern“.

Damit setzte das Bundesinnenministerium am Donnerstag das vor drei Wochen verhängte Verbot der beiden Organisationen durch. „Wir setzen unser konsequentes Vorgehen gegen radikale Islamisten fort. Mit den Verboten von Hamas und Samidoun in Deutschland haben wir das klare Signal gesetzt, dass wir keinerlei Verherrlichung oder Unterstützung des barbarischen Terrors der Hamas gegen Israel dulden“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Islamisten und Antisemiten könnten und dürften sich in Deutschland nirgendwo sicher fühlen. „Diese Extremisten müssen mit der ganzen Härte des Rechtsstaats rechnen. Wir haben die islamistische Szene fest im Blick“, so Faeser.

Bei pro-palästinensischen Demonstrationen in Berlin im Jahr 2022 hatte vor allem der Verein „Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland“ mobilisiert, wie es im jüngsten Bericht des Verfassungsschutzes heißt. Bei den Demonstrationen kam es zu „antisemitischen Ausrufen und teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei“.

350 Polizisten bei Razzia in Berlin im Einsatz

Allein in Berlin waren seit den frühen Morgenstunden 350 Polizeibeamte im Einsatz, deutschlandweit waren es 500 von Landespolizeien, Verfassungsschutzämtern, Bundeskriminalamt und Bundespolizei. Die Durchsuchung erfolgten auf Anordnung von Verwaltungsgerichten.

Durchsucht wurden in Berlin vor allem private Wohnanschriften unter anderem im Böhmerwaldweg in Spandau, im Joachim-Gottschalk-Weg im Ortsteil Buckow im Süden Neuköllns, in Adlershof sowie in der Libauer Straße in Friedrichshain und der Gitschiner Straße Kreuzberg. Außerdem haben die Beamten in Friedrichshain-Kreuzberg Objekte in der Straße der Pariser Kommune sowie der Admiralsstraße und Graefestraße durchsucht. Neben Berlin gab es auch Durchsuchungen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.

„Auch der heutige Einsatz zeigt, dass der terroristischen, antisemitischen und menschenverachtenden Ideologie der verbotenen Vereine Hamas und Samidoun weiterhin konsequent entgegengetreten wird“, sagte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD). „Antisemitismus und die Unterstützung von Terror haben in Deutschland keinen Platz.“

Hamas soll 450 Mitglieder in Deutschland haben

Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet der Hamas in Deutschland etwa 450 Mitglieder zu, etwa 100 sind es nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Berlin. Sie fallen meist durch Sympathiebekundungen und Propagandadelikte auf. Bei ihnen geht es aber auch darum, Geld für die Hamas zu sammeln und der Gruppe im Ausland bereitzustellen. Damit fließen in Deutschland gesammelte Gelder direkt in die Terrororganisation.

Allerdings bemühten sich Hamas-Anhänger in Deutschland bislang darum, weniger aufzufallen und allenfalls den politischen Diskurs zu beeinflussen. Durch Gewaltaktionen fielen Hamas-Anhänger bislang nicht auf.

Samidoun agiert weitaus offensiver als Hamas

Weitaus offensiver als die Hamas trat Samidoun auf – etwa bei Demonstrationen und in den sozialen Medien. Oft waren junge Männer aktiv, die vor einigen Jahren als Jugendliche aus Syrien nach Deutschland kamen. Laut Bundesinnenministerium richtet sich
Samidoun gegen den Gedanken der Völkerverständigung, gefährde das friedliche Zusammenleben, befürworte Gewalt für politische Ziele und verherrliche den Hamas-Terror – also auch die Massaker an mehr als 1200 Menschen in Israel am 7. Oktober.

Auch wenn die Anhänger beider Gruppen genügend Zeit hatten, belastendes Material und Gelder beiseite zu schaffen und sich auf die Durchsuchungen vorbereiteten, so zeigt das Verbot inzwischen auf anderer Seite Wirkung. Mitsamt dem Verbot ist auch die Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ untersagt worden, mit der das Existenzrecht Israels geleugnet wird.

Deshalb schreitet auch die Berliner Polizei bei Demonstrationen ein, wenn die Parole gezeigt oder gerufen wird. Denn seit vergangener Wochen verfolgt auch die Staatsanwaltschaft Berlin die Parole „pauschal und kontextunabhängig als strafrechtlich relevant“ – unter anderem in Hinblick auf das Verbreiten von Propagandamitteln und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Beim Vorwurf der Volksverhetzung kommt es weiterhin auf den Einzelfall und die Umstände an.

Samidoun verspottet Faeser

Wenige Tage nach dem Verbot verspottete Samidoun Bundesinnenministerin Faeser. So postete die Gruppe in den sozialen Medien eine Fotomontage, die Faeser zeigt, wie sie die Verbotsverfügungen gegen Hamas und Samidoun präsentiert – und hinter ihr das Bild von Baklava, der nahöstlichen Süßspeise, die Samidoun-Aktivisten am 7. Oktober, dem Tag des Angriffs der Hamas auf Israel, in Neukölln in der Sonnenallee verteilt hatten. 

Die Bilder der Aktion hatten weltweit Empörung ausgelöst und waren Anlass für den Bundeskanzler, wenige Tage später ein Verbot anzukündigen.

Kritik an Faeser nach Vorgehen gegen Hamas und Samidoun

Innenministerin Faeser war wegen ihres Vorgehens gegen Hamas und Samidoun in die Kritik geraten. Zwar verkündete sie in der Bundespressekonferenz am 2. November überraschend die Verbote. Doch es gab, anders als sonst bei Bekanntgabe eines Verbots, keinerlei Durchsuchungen.

Die Arbeitsebene in ihrem Ministerium hatte keine Chance, Behörden wie Bundeskriminalamt und die Bundesländer zu informieren. Alle wurden, so heißt es, völlig überrumpelt und konnten keine Razzia vorbereiten. Ein ranghoher Beamter des Sicherheitsapparats hatte von einem einmaligen Vorgang gesprochen: „Die Show in den Medien war der Ministerin anscheinend wichtiger, als ein echtes Vorgehen gegen Strukturen der Hamas.“

Kritik an Faeser gab es auch in der Ampel-Koalition. „Selbstverständlich steht zu erwarten, dass Beweismittel in dieser langen Zeit fortgeschafft worden sind. Alles in allem wirkt dieses Vorgehen sehr unglücklich“, hatte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki dem Tagesspiegel gesagt. Auch die Union nannte Faeser Vorgehen unüblich. Dies gebe „den Betroffenen mehr als genug Zeit, Vermögenswerte zu verschieben und neue ,Ersatzvereine’ zu gründen.“

Den ersten Grundfehler habe, so ist von allen Seiten in Sicherheitskreisen zu hören, aber Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begangen. Er hatte am 12. Oktober, fünf Tage nach dem Hamas-Angriff auf Israel, bei einer Regierungserklärung im Bundestag das Verbot von Hamas und Samidoun angekündigt. Schon da schrillten im Bundesinnenministerium auf Arbeitsebene die Alarmglocken.

Auch der Berliner Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Stephan Weh, hat sich zu der großangelegten Durchsuchungsaktion geäußert. In einer Mitteilung am Donnerstag betont er, dass Berlin nach wie vor im Fokus des islamistischen Terrorismus stehe. Die „Verbotsverfügung mit allen politischen Ankündigungen“ sei seiner Ansicht nach desaströs gewesen und „nicht gerade förderlich für die Ermittlungsarbeit“, so Weh.

Besonders die Adventszeit sei vor dem Hintergrund des Palästina-Konflikts nach Wehs Meinung gefährdet. In seiner Mitteilung heißt es: „Bei der aktuellen Lage in Nahost, unserer klaren Position zu Israel und der bevorstehenden Adventszeit mit flächendeckenden christlichen Symboliken wie Weihnachtsmärkten ist es besser, lieber einmal mehr als zu wenig rechtsstaatliche Maßnahmen zu ergreifen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })