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Druck herrscht schon länger auf den Rohstoffmärkten – auch weil die Energiewende nach Kupfer, Alu oder Lithium verlangt.

© Foto: dpa/Bodo Marks

Exklusiv

Abhängigkeit alarmiert Bundesregierung: 39 von 46 kritischen Rohstoffen müssen importiert werden

Eine Studie des Wirtschaftsministeriums offenbart das Ausmaß der deutschen Rohstoff-Abhängigkeit. Das asiatische Modell könnte zur Alternative werden.

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Deutschland ist deutlich abhängiger von kritischen Rohstoffen als bisher bekannt. Das geht aus einer Studie hervor, die das Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat und die dem Tagesspiegel vorliegt. Demnach muss Deutschland von 46 strategisch relevanten Rohstoffen 39 importieren.

Vor allem die zunehmende Abhängigkeit zu China bereitet Sorge, das Land sei „bereits in einer starken dominanten Position“, heißt es in der Analyse.

Tatsächlich ist China weltweiter Hauptproduzent von 23 der 46 Rohstoffe, Deutschland bezieht beispielsweise mehr als 90 Prozent der seltenen Erden aus dem Reich der Mitte – ein Element, das für die Herstellung von Smartphones, Notebooks oder Elektromotoren notwendig ist.

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Die Bundesregierung schlägt angesichts des Berichts Alarm. „Wenn die Energiewende und die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft gelingen sollen, müssen wir den Zugang zu kritischen Rohstoffen langfristig sichern“, sagte Franziska Brantner (Grüne), zuständige Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, dem Tagesspiegel. „Der Handlungsdruck ist groß“, sagte Brantner weiter: „Der internationale Wettlauf um Rohstoffe ist im vollen Gang, dabei darf Deutschland nicht zurückbleiben.“

Der internationale Wettlauf um Rohstoffe ist im vollen Gang, dabei darf Deutschland nicht zurückbleiben.

Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium

Experten kritisieren die Rohstoffabhängigkeiten schon lange. „Es sollten größere Anstrengungen unternommen werden, die Bezugsländer stärker zu diversifizieren“, sagt Lisandra Flach, Leiterin des ifo-Zentrums für Außenwirtschaft.

Für die Produktion von Solaranlagen, Windrädern oder Batterietechnik sind viele kritische Rohstoffe notwendig. Brantner, die am Wochenende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für Rohstoffgespräche auf seiner Asienreise begleiten wird, will nun eine aktivere staatliche Rohstoffpolitik erarbeiten. Dafür gibt die vorliegende Studie wegweisende Aufschlüsse.

Demnach lagen die Rohstoffpreise für Staaten mit einer aktiven Rohstoffpolitik wie Südkorea oder Japan in den vergangenen zehn Jahren beständig unter den europäischen Rohstoffpreisen. In Japan und Südkorea existieren zum Beispiel staatliche Rohstoffagenturen, die sich am Einkauf und der Exploration von Rohstoffen beteiligen. Zudem gibt es eine große Lagerhaltung von Rohstoffen, worauf Unternehmen bei Engpässen oder Hochpreisphasen zurückgreifen können.

Franziska Brantner koordiniert die Rohstoffpolitik der Bundesregierung.
Franziska Brantner koordiniert die Rohstoffpolitik der Bundesregierung.

© Foto: Imago Images/Photothek/Thomas Trutschel

Für die Regierung könnte das asiatische Modell ein Vorbild sein. „Eine aktive Rohstoffpolitik ist zum Vorteil von Unternehmen, da sie günstigeren Zugang zu Rohstoffen erhalten können“, sagt Brantner. Man wolle nun Eckpunkte für den Rohstoffbereich erarbeiten. „Zudem werden wir Konzepte für Lagerhaltung und einen Rohstofffond erarbeiten“, kündigte Brantner an. Dies werde man im Rahmen des Raw Material Acts zusammen mit den europäischen Partnern diskutieren.

Die Opposition steht einer stärkeren staatlichen Aktivität ambivalent gegenüber. Eine staatliche Rohstoffgesellschaft hält die CDU für denkbar. „Ein solches Instrument ist geeignet, die Unternehmen beim dringend benötigten direkten Zugang zu Rohstoffen besser zu unterstützen“, sagte CDU-Rohstoffexperte Stefan Rouenhoff dem Tagesspiegel.

Bei der Lagerhaltung solle sich der Staat dagegen nicht einmischen, sondern den Reserveausbau steuerlich attraktiver machen. „Betriebe wissen selber am besten, welche Rohstoffe sie für ihre Produktion benötigen“, sagte Rouenhoff.

Wirtschaftsvertreter reagierten skeptisch angesichts eines möglichen Kurswechsels der Ampel in der Rohstoffpolitik. Auf eine Rohstoffgesellschaft nach japanischem Vorbild würden sehr komplizierte Fragen des Einkaufs und der Verteilung zukommen. „Auf Deutschland mit seiner mittelständisch geprägten Wirtschaft könnte man das japanische Modell einer staatlichen Rohstoffagentur nicht eins zu eins übertragen“, sagte Matthias Wachter, Leiter der Abteilung Internationale Zusammenarbeit, Sicherheit und Rohstoffe beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Eine Lagerhaltung sei sinnvoll, müsse aber in Eigenregie der Firmen organisiert werden.

Der BDI sieht zudem noch erhebliches Potenzial in der Kreislaufwirtschaft, die Recyclingquoten von kritischen Rohstoffen seien noch viel zu niedrig. „Wir sollten nicht nur auf den Import setzen, sondern auch den heimischen Abbau von Rohstoffen voranbringen“, sagte Wachter dem Tagesspiegel.

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