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Abend des Zitterns für Sahra Wagenknecht: Das BSW ist jetzt das Zünglein an der Waage
Mit Erfolgen bei drei Ostwahlen war das BSW gestartet. Doch ob es für den Einzug in den Bundestag reicht, ist weiterhin unklar. Davon hängt ab, ob es für eine Zweier-Koalition reicht.
Stand:
„Hoffen wir mal, dass der Abend so endet, wie die Stimmung jetzt ist.“ Dieser Satz von Parteigründerin und Namensgeberin Sahra Wagenknecht bringt den Wahlabend für das BSW auf den Punkt.
Während die ARD das BSW von Beginn an konstant unter der Fünfprozenthürde sieht und seit Stunden 4,9 Prozent für die Partei vermeldet (Stand 00.58 Uhr), steht die Partei in den Hochrechnungen des ZDF dauerhaft bei exakt fünf Prozent. Mit dem Zweiten sehe man besser, witzelt der BSW-Europaabgeordnete Fabio de Masi auf der Wahlparty.
Damit ist das BSW an diesem Abend das Zünglein an der Waage. Der Einzug der Partei entscheidet nach aktuellem Stand darüber, ob eine Koalition zwischen CDU und SPD möglich ist oder ein dritter Koalitionspartner benötigt wird, um eine Mehrheit der Sitze zu erreichen.
Feiern nur bis in den Morgen?
Die Unsicherheit über das Abschneiden ihrer Partei ist Wagenknecht bei ihrem ersten und einzigen Auftritt am Wahlabend anzumerken. Kurz vor 18.30 Uhr tritt sie auf die Bühne und zeigt sich vorsichtig optimistisch.
„Wir werden noch zittern müssen“, erklärt sie ihren regelrecht euphorischen Anhängern. Sollte die Partei am Ende unter fünf Prozent landen, „dann ist das eine Niederlage, aber es ist nicht das Ende des BSW“, sagt die Parteichefin.
Nach ihrer kurzen Rede taucht Wagenknecht für den restlichen Abend ab, sie lässt sich weder auf der bereits kurz nach 21 Uhr zu Ende gehenden Wahlparty noch in der Berliner Runde blicken. Ihre Anhänger feiern indes schon, als wäre der keineswegs sichere Einzug in den Bundestag für das BSW ein Katzensprung.
Immer wieder treten die wenigen bekannten BSW-Politiker aus der zweiten Reihe auf die Bühne, um ihre Partei zu feiern oder, wie die Außenpolitikerin Sevim Dağdelen, „so viele Manipulationen“ gegen das BSW zu beklagen. Je länger der Abend dauert, desto seltener werden auch die Auftritte von Wagenknechts Parteikollegen.
Klappt der Einzug, wäre das Projekt Parteigründung für Wagenknecht erfolgreich abgeschlossen. Klappt er nicht, wäre es – vorerst – das spektakuläre Scheitern des mehr als ungewöhnlichen Projekts, das auf der Prominenz der Parteigründerin aufbaute.
Wagenknechts Strategie war die des kontrollierten Wachstums. Auf keinen Fall wollte sie sich von Querulanten ihre Partei zerstören lassen, entsprechend zögerlich war sie bei der Aufnahme von Neumitgliedern. So hat sie die vorgezogene Bundestagswahl in einem Moment erwischt, als noch kein breiter Parteiapparat vorhanden war.
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Der Anfang vom Ende?
Das Thema Ukraine, auf das Wagenknecht gesetzt hatte, hat den Wahlkampf nicht bestimmt. Das Thema Pandemie bewegt die BSW-Mitglieder noch immer sehr, für Mobilisierung auf breiter Front taugt es mittlerweile aber nicht mehr. In zwei Bundesländern, Thüringen und Brandenburg, regiert die Partei seit den Wahlen im vergangenen Herbst mit.
Die Debatten um die Regierungsbeteiligung in Thüringen werden womöglich im Rückblick als Anfang vom Ende erscheinen, falls der Einzug ins Parlament misslingt. Die Spitzenkandidatin im Land, Katja Wolf, wollte unbedingt regieren. Sahra Wagenknecht war für eine viel striktere Linie, gegen Zugeständnisse an potentielle Koalitionspartner.
Der Streit eskalierte massiv und öffentlich – und plötzliche erweckte das BSW genau den Eindruck, den es unbedingt vermeiden wollte: den einer zerrissenen Partei, die nicht erklären kann, wofür es sie braucht.
Für Wagenknecht war der Einzug in Fraktionsstärke in den Bundestag immer das Ziel, dem sie alles unterordnete. Kurz vor der Wahl hat sie auch ihre persönliche Zukunft daran geknüpft: „Wer nicht im Bundestag ist, ist in der deutschen Politik kein relevanter Faktor mehr“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Was das für sie ganz persönlich heißt, wird sich noch erweisen.
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