zum Hauptinhalt
Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister+

© dpa/Wolfgang Kumm

Update

Absage an Studie über Racial Profiling: Seehofer sieht kein strukturelles Rassismus-Problem bei der Polizei

Seehofer will keine Studie zu Rassismus bei der Polizei. Der Bund der Kriminalbeamten findet das „peinlich“ und auch Wissenschaftler üben scharfe Kritik.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will trotz breiter Kritik keine Studie zu rassistischen Polizeikontrollen in Auftrag geben. „Jetzt nicht“, sagte Seehofer am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“. „Wir können nicht jede Woche ein Wünsch-Dir-was spielen.“

Zunächst müssten die zwischen Bund und Ländern abgestimmten Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus umgesetzt werden. „Dann kann man weiter denken, welche weiteren Maßnahmen sind erforderlich“, sagte Seehofer. Der CSU-Politiker zeigte sich zugleich überzeugt: „Wir haben kein strukturelles Problem diesbezüglich.“

Seehofer beklagte, es gebe ständige Kritik an der Polizei, „zum Teil auch Verunglimpfung“. Dabei werde übersehen, dass im Öffentlichen Dienst „Null Toleranz“ gelte und Rassismus entschieden bekämpft werde.

Im Gegensatz zu Seehofer will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) an der ursprünglich geplanten Studie zu sogenanntem Racial Profiling bei der Polizei festhalten.

Von Racial Profiling spricht man, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale, aber ohne konkreten Anlass, kontrolliert werden. Die Studie war von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) in ihrem aktuellen Bericht über Deutschland empfohlen worden.

[Aktivist und Polizist im Streitgespräch: „Es gibt institutionellen Rassismus bei der Polizei. Wollen Sie das verleugnen?“ Lesen Sie jetzt mehr mit einem Tagesspiegel Plus-Abo, 30 Tage lang kostenlos zur Probe.]

Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter kritisierte Seehofers Nein. Diese Haltung sei „einigermaßen peinlich“ und in sich nicht schlüssig, sagte der BDK-Vorsitzende Sebastian Fiedler am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“. Seehofer erweise damit den Sicherheitsbehörden einen „Bärendienst“, indem er den Eindruck erwecke, es gebe etwas zu verstecken.

Es gebe aber nichts zu verstecken, betonte Fiedler. Bei einer unabhängigen Rassismus-Studie gehe es darum, Vertrauen in der Bevölkerung in die Polizei zu gewinnen. Sollte eine Rassismus-Untersuchung Probleme in der Polizei feststellen, dann hätten die Polizeibehörden selber ein Interesse daran, diese Probleme offen zu legen und offensiv anzugehen.

Polizeiwissenschaftler spricht von „fatalem Signal“

Auch die Grünen-Politikerin Irene Mihalic kritisierte die Absage des Innenministers am Dienstag im Radiosender Bayern 2. Sie finde Seehofers Begründung „abenteuerlich“. Nur weil Racial Profiling verboten sei, „heißt das nicht, dass es das nicht gibt“, sagte sie. Man benötige eine „fundierte Faktenbasis“, um zu diskutieren, statt ständig „nach Gefühlslage zu beurteilen“.

Der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr sagte am Dienstag im WDR-„Morgenecho“, Seehofer habe auf höchster Ebene verhindert, dass überhaupt Forschung geschieht. Eine Untersuchung wäre in jedem Fall angemessen gewesen, „schon um zu zeigen, dass die Polizei sich bemüht, hier Bewusstsein zu schaffen“.

Die Absage des Innenministers sei ein „fatales Signal“. Mögliche Lösungen seien beispielsweise ein unabhängiger Polizeibeauftragter oder ein anonymes Hinweissystem in der Polizei. (dpa, AFP)

Zur Startseite