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Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts bei einer Verhandlung am Dienstag.

© dpa / dpa/Uli Deck

AfD scheitert mit Klage gegen Vorab-Infos: Darf Karlsruhe, was kein Gericht darf?

Die Partei wollte dem Verfassungsgericht seine Journalisten-Kooperation verbieten. Der Verwaltungsgerichtshof weist sie ab, lässt aber die wichtigste Frage offen.

Die AfD ist mit ihrem Versuch erfolglos geblieben, dem Bundesverfassungsgericht die umstrittene Vorab-Information ausgewählter Journalisten über seine Urteile untersagen zu lassen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) wies bereits am Dienstag einen Berufungsantrag der Partei gegen ein Urteil des Karlsruher Verwaltungsgerichts (Az.: 14 S 2096/22) ab. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des die AfD ebenfalls abweisenden erstinstanzlichen Urteils, hieß es zur Begründung. Zugleich betonten die Richter, sie hätten in dem Verfahren nicht darüber entschieden, ob das Vorgehen des Verfassungsgerichts „objektiv rechtmäßig“ sei.

Anlass für die AfD-Klage war ein Prozess der Partei gegen den früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vor dem Bundesverfassungsgericht, der die AfD als „staatszersetzend“ bezeichnet hatte. Kurz vor der Urteilsverkündung wurde damals bekannt, dass es bei dem Karlsruher Gericht die Gepflogenheit gibt, Journalisten des ortsansässigen Vereins „Justizpressekonferenz“ die Pressemitteilungen zu Urteilen vorab zugänglich zu machen. Sie sollen damit ihre Berichterstattung besser vorbereiten können.

Vor den Kameras stehen AfD-Vertreter ahnungslos da, kritisiert die Partei

Da auch viele TV-Journalisten von ARD und ZDF in der „Justizpressekonferenz“ Mitglied sind, sieht die AfD in der Kooperation eine Konspiration: Prozessbeteiligte der Partei würden vor den Kameras als Ahnungslose vorgeführt, weil die Medienleute sie dank ihres überlegenen Wissens bloßstellen könnten. Für die AfD nicht nur eine Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren, sondern auch der Persönlichkeitsrechte der unmittelbar Beteiligten.

In der Folge hat auch der erkennende Senat nicht darüber zu entscheiden, ob die genannte Praxis des Bundesverfassungsgerichts in vollem Umfang rechtmäßig ist.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss

Dem Verwaltungsgericht reichten diese – mittelbaren – Bezüge aber nicht aus. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof scheiterte jetzt ebenfalls. Im Ergebnis hätte das Karlsruher Gericht richtig entschieden, auch wenn die angegebenen Gründe dafür im Einzelnen nicht immer vollständig korrekt gewesen seien.

Auch das Verfassungsgericht selbst kann vor Gericht kommen

Wesentlich war für das Verfahren die Unterscheidung zwischen Tätigkeiten des Verfassungsgerichts als Rechtsprechungsorgan einerseits und als Behörde andererseits, denn der Weg zu den Verwaltungsgerichten ist nur gegen Maßnahmen einer Behörde eröffnet.

So gebe es auch „Akte des Bundesverfassungsgerichts“, die als Verwaltungstätigkeit des Gerichts einzuordnen seien. Das Gebot einer fairen Verfahrensgestaltung wende sich an die Gerichte auch nicht nur dann, wenn sie Recht sprächen, sondern sei insbesondere auch von den Gerichtsverwaltungen zu beachten, soweit diese auf den Gang eines gerichtlichen Verfahrens Einfluss nähmen.

Die klagende AfD habe aber weder dargelegt noch sei sonst ersichtlich, dass die als Gerichtsverwaltungsbehörde tätig werdende Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens Einfluss nehme. Die Pressemitteilungen würden erst am Abend vor dem Verkündungstermin mit einer Sperrerklärung versehen an einzelne Pressevertreter herausgeben - und damit zu einem Zeitpunkt, in dem das zu verkündende Urteil bereits abgestimmt sei. Auf die Entscheidungsfindung des Gerichts habe die Praxis der Vorab-Herausgabe dann keinen Einfluss mehr. Auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht dargelegt.

In dem 31-seitigen Beschluss werden alle Einwände der AfD Punkt für Punkt widerlegt. Im Wesentlichen wird die Abweisung aber – wie schon in der Vorinstanz – formal begründet. Die AfD könne eben keine subjektiven Rechte in Anspruch nehmen, die durch das Vorgehen der verfassungsgerichtlichen Pressestelle verletzt seien und jetzt verwaltungsrechtlich geltend gemacht werden könnten, hieß es.

Eine andere Frage ist es allerdings, ob die Praxis als solche mit Recht und Gesetz zu vereinbaren ist. Dies ließ der VGH ausdrücklich offen. Wie schon das Verwaltungsgericht habe „auch der erkennende Senat nicht darüber zu entscheiden, ob die genannte Praxis des Bundesverfassungsgerichts in vollem Umfang rechtmäßig ist“.

Der VGH verweist dazu auf ein kritisches Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags. Darin untersuchen die Parlamentsjuristen, ob die Vorzugsbehandlung der „Justizpressekonferenz“ andere Journalistinnen und Journalisten unzulässig benachteiligt.

31
Seiten benötigte das Gericht für seinen Beschluss.

Ergebnis: Es gebe „gesteigerte Anforderungen“, um derartige Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen. Die Nachteile für die Ausgeschlossen seien „besonders schwerwiegend“, zumal das Gericht für die Auswahl der Bevorzugten „auf die Einschätzung eines privaten Vereins vertraut“.

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