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Zwei Beamte der europäischen Grenzschutzagentur Frontex beobachten die bulgarisch-türkische Grenze.

© Donev/dpa

Hohes Aufkommen an EU-Grenze zur Türkei: Auch Bulgarien ist längst Transitgebiet für Flüchtlinge

Viele Menschen verstecken sich in Lastwagen, um von der Türkei aus unentdeckt in die EU zu kommen. Bulgarien schickt Hunderte Soldaten ins Grenzgebiet.

Am Grenzübergang Kapikule stauen sich die Lastwagen. Vor der Einreise vom Nordwesten der Türkei in den EU-Staat Bulgarien müssen türkische Trucks teils tagelang warten. Fast 1100 Lkw zählte der türkische Speditionsverband allein am Montag auf den Parkplätzen vor der Grenze.

Die Fahrzeuge stauen sich, weil türkische und bulgarische Behörden auf beiden Seiten der Grenze nach Flüchtlingen suchen. Immer mehr Migranten verstecken sich in Radkästen und auf Ladeflächen der Lastwagen, um unentdeckt in die EU zu kommen. Lastwagen-Parkplätze in Kapikule werden jetzt mit Stacheldrahtzäunen gesichert.

Als 2015 Hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien und anderen Krisenländern über die Türkei nach Griechenland und von dort aus weiter nach Österreich, Deutschland und andere EU-Länder flohen, blieb es an der bulgarischen Landgrenze relativ ruhig, denn das Land war nicht Teil der so genannten Balkan-Route der Flüchtlinge nach Westeuropa.

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Außerdem hatte Bulgarien schon zwei Jahre vor der Massenflucht mit dem Bau eines Zauns entlang der 260 Kilometer langen Grenze mit der Türkei begonnen. Auch als die Türkei im vergangenen Jahr zehntausende Flüchtlinge ins Dreiländereck mit Griechenland und Bulgarien schickte, um die EU unter Druck zu setzen, konzentrierte sich der Ansturm auf den griechischen Teil der Grenze.

Sofia schickt Soldaten ins Grenzgebiet

Doch jetzt wird auch Bulgarien, das ärmste EU-Land, zum Transitgebiet für Flüchtlinge. In den ersten neun Monaten des Jahres registrierten die Behörden in Sofia nach bulgarischen Medienberichten rund 6500 Flüchtlinge – mehr als drei Mal so viel wie im Vorjahreszeitraum.

Fast 17.000 Flüchtlinge wurden seit Jahresbeginn in die Länder zurückgeschickt, aus denen sie nach Bulgarien gekommen waren, in den meisten Fällen waren das Griechenland und die Türkei. Menschenrechtler werfen den bulgarischen Behörden zudem illegale Rückführungen von Migranten vor – so genannte Pushbacks.

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Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August befürchtet die bulgarische Regierung eine weitere Zunahme der irregulären Zuwanderung. Sofia schickte vorige Woche Hunderte Soldaten ins Grenzgebiet, um zu patrouillieren und den teilweise eingerissenen Grenzzaun zu reparieren. Auch die bulgarische Polizei ist in Alarmbereitschaft.

Der Grenzübergang Kapikule ist ein lebenswichtiger Knotenpunkt der türkischen Exportwirtschaft. Trotz der Pandemie passierten im vergangenen Jahr rund 700.000 Lkw den Übergang, jeweils die Hälfte in Richtung Bulgarien und in Gegenrichtung. Das heißt, dass in Kapikule jeden Tag etwa tausend Trucks aus der Türkei auf EU-Gebiet rollen.

Flüchtlinge zahlen 1000 bis 2000 Dollar

Weil die bulgarischen Grenzer die türkischen Ladungen genau inspizieren, kommen die Lastwagen kaum voran. Türkische Fahrer berichten, die bulgarischen Beamten trieben Spieße quer durch die Ladung, um Flüchtlinge zu finden. Wie türkische Medien melden, zahlen Flüchtlinge zwischen 1000 und 2000 Dollar dafür, dass sie von Schleusern an die Lkw-Parkplätze an der Grenze gebracht werden.

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Türkische Lastwagenfahrer laufen Gefahr, in Bulgarien als Menschenschmuggler belangt zu werden. Lastwagen, in denen Flüchtlinge gefunden werden, müssen in die Türkei zurückkehren. Vor Angst, dass sich Flüchtlinge in seinen Lastzug schleichen, könne er nachts kaum schlafen, sagte Fahrer Ahmet Keskin der Zeitung „Yeni Safak“.

Die Behörden der Provinz Edirne ordneten zudem an, dass die Parkplätze in Grenznähe mit Stacheldraht oder einer mindestens 2,5 Meter hohen Betonwand gesichert werden müssten. Die Parkplatz-Betreiber müssen außerdem Wachpersonal einstellen. Denn die langsamere Grenzabfertigung schadet dem türkischen Export.

Anderswo nehmen die Unternehmen die Sicherung jetzt selbst in die Hand. Am Grenzübergang Ipsala nach Griechenland hat der Speditionsverband mit eigenen Kontrollen türkischer Trucks begonnen, um Flüchtlinge abfangen zu können.

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