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Ungewisse Aussichten: CDU-Chef Armin Laschet

© AFP

Armin Laschet: Der Kampf des Risikokandidaten gegen den Zweifel

Armin Laschet hat katastrophale Umfragewerte – dennoch will die CDU ihn als Kanzlerkandidat. Wie er das Blatt wenden will und warum die Zweifel so groß sind.

Es ist eine riskante Wette - für ihn und die ganze Union. Armin Laschet erzählt gern die Geschichte, wie er 2017 bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen als chancenlos galt im Duell mit der beliebten Landesmutter Hannelore Kraft (SPD). Die Wahl endete für seine CDU mit einem Zugewinn von knapp sieben Prozentpunkten und für ihn mit dem Ministerpräsidentenamt.

Derartige Überraschungen scheinen sein politisches Leben zu kennzeichnen, denn Laschet besitzt eine Fähigkeit, die unerlässlich ist für einen Spitzenpolitiker: er kann viel einstecken, ohne in Panik zu verfallen.

Was zeichnet ihn aus? Kann er sein Image noch drehen und warum ist er eine gefährliche Wahl?

DAS AUSSITZEN

Laschet setzt derzeit auf die Volatilität der aktuellen Pandemielage, ein Aussitzen der schlechten Lage, in der Hoffnung, dass sich der Wind dreht. Ein Beispiel für so eine Wende, allerdings ins Negative: Als er Jens Spahn als seinen Tandempartner ins Boot holte, kam alsbald die Debatte auf, ob nicht dieser besser CDU-Vorsitzender werden sollte – und Kanzlerkandidat.

Der Gesundheitsminister hatte zu Beginn de Pandemie Spitzenwerte, galt als tatkräftiger Krisenmanager. Dann folgte der Fall: Versäumnisse und nicht zu haltende Versprechen (Impfprobleme, Verfügbarkeit von Tests) führten dazu, dass Laschet plötzlich Spahn verteidigen musste.

Zumindest Präsidium und Vorstand der CDU setzen nun darauf, dass sich die Pandemie-Lage stabilisiert und Laschet nicht weiter nur einseitig negativ bewertet wird. Sondern fairer und weniger als leutseliger Luftikus aus Aachen.

Wenn sich mit den Impfungen die Stimmung bessert und das Thema wirtschaftlicher Aufbauplan stärker in den Fokus rückt, könnte das der Union helfen.

In der SPD fühlen sich einige aber bereits ob der internen Zweifel an die Situation mit Kurt Beck erinnert, über den sich auch viele Häme ergoss. Statt seiner wurde 2009 Frank-Walter Steinmeier Kanzlerkandidat - und Beck beim Drama vom Schwielowsee als Parteichef gestürzt.

Die CDU und Laschet sind aber standfester. Das Pfund, mit dem er überzeugen will? „Ich habe schon zweimal, bei der Landtagswahl und meiner ersten Bundestagswahl, den Slogan ,Zuhören, entscheiden, handeln‘ verwendet“, sagte er dem „Zeit-Magazin“. Er will versöhnen statt spalten, das Land kompromissbereit modernisieren; und will die soziale Marktwirtschaft, ergänzt um eine ökologische Note, stärken – er will Klimaschutz mit Augenmaß und sieht die Grünen als politischen Hauptgegner. Laschet betont, der sorgsame Umgang mit der Schöpfung ziehe sich durch sein ganzes politisches Leben. Statt sich den Grünen anzubiedern, setzte er sich beim Kohleausstieg für ein möglichst spätes Ausstiegsdatum und üppige Milliardenentschädigungen ein, große Hoffnungen setzt er in die Wasserstofftechnologie, auch für die Industrieproduktion.

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Zuletzt verwies er immer wieder darauf, dass er auch in schwierigen Situationen (anders als CSU-Chef Markus Söder) Kurs gehalten habe, für Kontinuität und kein Regieren nach Stimmungen stehe. Er war der erste Integrationsminister des Landes und stand in der Flüchtlingskrise fest an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel, während Söder den Begriff „Asyltourismus“ prägte. Und auch wenn er freundlich daherkommt, der frühere Chefredakteur der Kirchenzeitung Aachen kann in der Sache hart sein, sein Innenminister geht rigoros gegen kriminelle Clans vor, die AfD konnte in NRW klein gehalten werden.

Klingelschild mit Söder und Laschet in Borkwalde, Brandenburg - bei wem würden die Wähler eher klingeln?
Klingelschild mit Söder und Laschet in Borkwalde, Brandenburg - bei wem würden die Wähler eher klingeln?

© imago images/Steinach

DIE ZWEIFEL

Es hat sich in der Pandemie das Bild verfestigt, dass Armin Laschet Krise nicht kann, dass er ein Kompromisskünstler, aber kein Macher ist. Dass zuletzt auch sein Vorstoß für einen nicht näher definierten „Brückenlockdown“ und eine vorgezogene Bund-Länder-Runde verpuffte, hat seine Autorität beschädigt. Sein Umfeld erinnert an die Anfänge der Vorsitzenden Angela Merkel, die schon als gescheitert galt, bevor sie 2005 Kanzlerin wurde.

Die Union will regieren, aber bis hin zu Präsidiumsmitgliedern schwindet der Glaube, dass Laschet das Kanzleramt nach Merkel retten kann. Söder verweist auf die jüngsten Landtagswahlen wie in Baden-Württemberg, die wie bei Winfried Kretschmann fast mehr Personen- statt Parteienwahlen waren - Söders Subtext: mit dem falschen Kandidaten kann ein Fiasko drohen. Der „Spiegel“ verspottet Laschet aktuell als tollpatschigen „Häuptling Wirdsonix“.

Er verfolgt jedoch in vielem einen stringenteren Kurs als es den Anschein hat – sein Mantra in der Corona-Politik lautet: Grundrechtseingriffe nur so lange, wie es geboten ist. Den größten einzelnen Corona-Ausbruch Deutschlands, in der Fleischfabrik Tönnies, managte seine Landesregierung im Zusammenspiel mit dem Kreis Gütersloh gut. Die Inzidenzen sind aktuell etwas niedriger als in Bayern. Und sein Umfeld weist darauf hin, dass NRW auch bei den Todeszahlen besser dastehe als Bayern. Er hat sich allerdings besonders viele Feinde durch seinen Schlingerkurs bei Schulöffnungen gemacht.

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Und als CDU-Chef setzt er statt auf Aufbruchstimmung auf Bodenständigkeit und Verlässlichkeit. Bisher deutet jedoch nichts darauf hin, dass er sein schlechtes Image ablegen kann, in der CDU mag er geschätzt sein als Moderierer und Zuhörer, aber kommt das auch beim Wähler an? Und einige Kontrahenten unterstützen ihn nur, um nach einem möglichen Scheitern selbst eine führende Rolle zu übernehmen.

Nur 32 Prozent der Wähler, die bei der Bundestagswahl 2017 CDU oder CSU gewählt haben, würden derzeit bei ihrer damaligen Wahlentscheidung bleiben, wenn Armin Laschet Kanzlerkandidat der Union wäre. Das hat eine Forsa-Umfrage für RTL und ntv ermittelt. Wenn Markus Söder aufgestellt würde, würden 73 Prozent der damaligen Wähler ihre Stimmen erneut CDU oder CSU geben. „Die Union muss darüber befinden, ob sie mit Söder die Chance wahren will, bei der kommenden Bundestagswahl die stärkste Partei zu bleiben, oder ob sie mit Laschet eine verheerende Niederlage riskieren will“, sagt Forsa- Chef Manfred Güllner.

Offener Machtkampf - Armin Laschet will gegen Markus Söder die Unions-Kanzlerkandidatur erringen.
Offener Machtkampf - Armin Laschet will gegen Markus Söder die Unions-Kanzlerkandidatur erringen.

© dpa

DIE GEFAHR

Die Entscheidung für Laschet sei „eine kurzsichtige Machtbezeugung des nach innen orientierten CDU-Präsidiums“, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel. „Nach außen wird die CDU Macht verlieren.“ Das sei eine Traumentscheidung für die Grünen und andere Parteien. Die CDU ist in dem Dilemma: Laschet wählen zu müssen, um nicht gleich wieder einen Vorsitzenden irreparabel zu beschädigen. Und könnte so nach der Ära Merkel in der Opposition landen.

Letztlich muss die Union am 26.September vor allem vor den Grünen landen. Denn durch die schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf und die gute Zusammenarbeit mit Christian Lindner hätte es Laschet wesentlich leichter als Markus Söder, die FDP für ein mögliches Jamaika-Bündnis mit Union und Grünen zu gewinnen.

Klar ist vor allem eins: Scheitert Laschet, wäre er auch als CDU-Chef und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen kaum noch zu halten. Aktuell gibt es einen Negativstrudel, auch sein jüngster programmatischer Aufschlag ist verpufft. Laut dem neuen NRW-Trend des WDR sind in Laschets Heimat nur noch 26 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden (minus 34 Prozentpunkte). 69 Prozent (+31) sind unzufrieden. Das ist der schlechteste Wert für Laschet seit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten; auch hier wäre Söder vielen lieber als Kanzlerkandidat, so die Umfrage.

Und besonders heikel kann auch für ihn die letzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl werden, am 6.Juni in Sachsen-Anhalt. Wenn die CDU hier auch verliert und womöglich keine Koalition gegen AfD und Linkspartei gebildet werden kann, hätte Laschet eine Debatte, über die schon seine Vorgängerin als Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer im Falle Thüringens gestolpert ist.

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