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Ein Schweißer arbeitet an einem Stahlsegment für einen Windradturm.

© dpa / Patrick Pleul

Update

Minister Heil ebenfalls skeptisch: SPD und Grüne kritisieren geplante Steuernachlässe für ausländische Fachkräfte

Geht es nach den Regierungsspitzen, müssen ausländische Fachkräfte künftig weniger Steuern zahlen. In der SPD und bei den Grünen regt sich Unverständnis.

Stand:

SPD-Politiker aus Bund und Ländern stellen die von der Ampel-Koalition geplanten Steuernachlässe für ausländische Fachkräfte infrage. Auch bei den Grünen regt sich Kritik. „Manche Vorschläge verwundern mich schon sehr. Ich verstehe vollkommen, wenn das die Leute irritiert“, sagte Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) dem Tagesspiegel: „Ich halte von einer steuerlichen Besserstellung ausländischer Fachkräfte gar nichts.“

„Wichtig sind doch Entlastungen für die arbeitende Mitte und nicht für einzelne Gruppen. Dadurch kommen doch nicht mehr Fachkräfte hierher“, sagte Köpping, Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl in Sachsen am 1. September: „Wichtiger ist doch, dass die Leute, die schon hier sind, schneller in Arbeit kommen, dass man bürokratische Hürden abbaut und auch Abschlüsse zügiger anerkennt.“

Ähnlich äußerte sich Thüringens Innenminister und Vize-Ministerpräsident Georg Maier (SPD).
„Ich bin bei den Plänen, ausländische Fachkräfte steuerlich besser zu stellen, sehr skeptisch“, sagte Maier dem Tagesspiegel: „Das könnte gerade im Osten zu neuen Gerechtigkeitsdebatten führen.“

Solange die Menschen dort deutlich unterdurchschnittlich verdienten „und die Renten und Vermögen ebenfalls stark unter dem Bundesdurchschnitt liegen, sollte man solche Privilegien für Zuwanderer nicht einführen“, sagte Maier, Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl in Thüringen, am 1. September.

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Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die von den Koalitionsspitzen geplanten Steuerersparnisse für ausländische Fachkräfte in Frage gestellt. „Das müssen wir uns nochmal genauer angucken“, sagte Heil am Dienstagmorgen bei Ntv. „Das gehört zu den Dingen, die ich nicht reingeschrieben hätte“, sagte Heil mit Blick auf den Maßnahmenkatalog, den die „Ampel“-Spitzen am Freitag vorgelegt hatten. 

Bei ihren Verhandlungen zum Bundeshaushalt 2025 hatten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel geeinigt. Sie wollen die bürokratischen Hürden für die Arbeitsaufnahme von Geflüchteten senken und ausländischen Fachkräften in den ersten Jahren nach deren Einreise bei der Einkommensteuer entgegenkommen.

„30 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei“

Die sogenannte Wachstumsinitiative der Bundesregierung sieht vor, dass „neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei stellen“ können. Für diese Freistellung werde eine Unter- und Obergrenze für den Bruttolohn definiert. Nach fünf Jahren solle man die Wirkung dieser Maßnahme untersuchen.

Der Vorsitzende des Arbeits- und Sozialausschusses des Bundestages, Bernd Rützel (SPD), stellte die Pläne der Bundesregierung infrage. „Ich halte es für problematisch, wenn für die gleiche Arbeit unterschiedliche Steuern zu bezahlen sind“, sagte Rützel dem Tagesspiegel. Dabei müsse man sehr wohl Anreize setzen, „dass kluge Köpfe und fleißige Hände aus dem Ausland zu uns kommen“.

Er sei froh, dass es Eckpunkte für den Haushalt gebe, sagte der SPD-Politiker: „Bis zur Verabschiedung des Haushalts Ende November müssen wir intensiv beraten.“

Die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Beate Müller-Gemmeke wies die Pläne zu steuerlichen Erleichterungen für ausländische Fachkräfte ebenfalls zurück. „Es gibt aus gutem Grund einen Gleichbehandlungsgrundsatz in unserem Arbeitsrecht“, teilte sie auf Tagesspiegel-Anfrage mit.

„Und aus meiner Sicht wäre der nicht gewahrt, wenn bei gleicher Arbeit die einen durch Steueranreize mehr Geld im Portemonnaie hätten als die anderen. Ich gehe daher davon aus, dass diese Steueranreize rechtlich problematisch wären.“ Beschäftigte unterschiedlich zu behandeln, sei „nicht fair und auch nicht gerecht“.

NRW-SPD will „parlamentarische Diskussion“

Einige SPD-Politiker begrüßten die Pläne der Koalition grundsätzlich. „Nur mit einer Willkommenspolitik werden wir unseren volkswirtschaftlichen Wohlstand auch in Zukunft sichern“, sagte Sarah Philipp, Vorsitzende der NRW-SPD, dem Tagesspiegel. Es sei daher gut, dass die Bundesregierung Initiative zeige und „Maßnahmen in die Debatte einbringt, die jetzt parlamentarisch diskutiert werden müssen“.

Der SPD-Wirtschaftspolitiker Bernd Westphal verteidigte die Koalitionspläne unter Verweis auf höhere Kosten von ausländischen Fachkräften. „Wirtschaftspolitisch ist es für Deutschland enorm wichtig, im globalen Umfeld als Standort für Fachkräfte attraktiv zu bleiben“, sagte Westphal.

Habeck will mit Steueranreizen „große Fachkräftelücke“ schließen

Da diese Personen zunächst beim beruflichen Start in Deutschland höhere Kosten hätten, etwa für Umzug, Familienbesuche oder Nachzug, zusätzliche Miete, Möbel und doppelte Haushaltsführung, sei „die geplante Steuererleichterung gerechtfertigt“. Dem stehe eine höhere Wirtschaftsleistung in Deutschland gegenüber, die ohne die Fachkräfte nicht realisiert werden könnten, sagte SPD-Politiker Westphal.

Bundeswirtschaftsminister Habeck rechtfertigte die geplanten Steueranreize für ausländische Fachkräfte auch mit Blick auf die internationale Konkurrenzsituation. Mit der Maßnahme könne man eine „große Fachkräftelücke“ schließen, sagte der Grünen-Politiker am Montag in Stuttgart. „Wir sehen, dass andere europäische Länder solche Steuervergünstigungen für Fachkräfte gewähren, wenn sie in das Land kommen“, sagte Habeck. 

Enzo Weber, Arbeitsmarktexperte am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), warnte vor zu hohen Erwartungen an eine Steuersenkung. „Zu niedrige Nettolöhne sind nicht das Haupthindernis bei der Zuwanderung nach Deutschland, aber einen gewissen Effekt können steuerliche Anreize haben“, sagte Weber dem Tagesspiegel: „Dafür muss es jedoch gelingen, diese weltweit bekannt zu machen, die Menschen nach dem Auslaufen auch in Deutschland zu halten und die Anreize unter dem Gerechtigkeitsaspekt gut zu erklären.“

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