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Früher in Rente - nicht wenige ziehen das längerem Arbeiten vor.

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Augenwischerei mit Aktienrente : Das Rentenpaket II bleibt bei den alten Märchen

Die Politik drückt sich um harte Ansagen in der Altersvorsorge. Das gleicht Schönwettermeldungen mitten im Sturmtief. Denn die nächsten Jahre werden hart.

Ariane Bemmer
Ein Kommentar von Ariane Bemmer

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Es ist ein Satz, der in diesen Tagen oft gefallen ist, und erst recht, seit das Bundeskabinett am Dienstag um kurz vor 12 Uhr – welch symbolischer Zeitpunkt – das Rentenpaket II beschlossen hat: „Das Rentenniveau soll mindestens bis 2039 bei 48 Prozent gehalten werden.“

Ein Satz, der viele Menschen in diesem Land angeht: Jene, die schon in Rente gegangen sind, jene, für die das in den kommenden Jahren ansteht, und auch jene, die gerade erst anfangen zu arbeiten. Denn von ihren Löhnen und Gehältern werden wachsende Beträge abgezogen, um dieses Versprechen zu halten.

Wenn man aber auf der Straße fragen würde: „48 Prozent von was eigentlich?“, würden vermutlich ziemlich viele Menschen die Achseln zucken.

Rente ist ein völlig verklausuliertes Thema geworden

Die Rente hat sich, obschon für alle relevant, zu einem derart verklausulierten Thema entwickelt, dass kaum noch jemand voll im Bilde ist. Was auch die wachsende Zahl derjenigen erklären könnte, die sich nicht oder nicht ausreichend um ihre Altersversorgung kümmern.

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Sie vertrauen womöglich darauf, dass es schon irgendwie gut ausgehen wird. Das klingt verantwortungslos und viel zu zuversichtlich, ist damit aber genau das, was man auch im Handeln der Regierung erkennen kann. Deren Prognosen und Versprechen gleichen unverdrossenen Schönwetteransagen mitten im finsteren Sturmtief.

Die Rente ist so ein Sturmtief. Und zwar eins, das sich seit Jahrzehnten aufbaut. Weil seit Jahrzehnten schon klar ist, was passieren wird, wenn die Babyboomer – wie jetzt – allmählich in Rente gehen: Es muss immer mehr Geld für die Renten gezahlt werden, während die Zahl derjenigen sinkt, die nach dem Umlageprinzip für die Renten aufkommen müssen.

Dass das nicht funktioniert, ist klar, und ebenso, dass das System reformiert gehört. Um nicht zu sagen: längst reformiert gehört hätte. Und anders als Hinz und Kunz sind Politik und Regierung doch hauptberuflich damit befasst, notwendige Grundversorgungsthemen der Bevölkerung zu organisieren und Probleme anzupacken.

Auf jeden Änderungsvorschlag gibt es zig Einwände

Passiert ist das nicht, und man kann vielleicht sogar ein bisschen Verständnis haben für die Politiker, die sich davor drücken. Denn es ist – vielmehr: wäre – eine Mammutaufgabe. Auf jeden Änderungsvorschlag gibt es zig Einwände, einfache Lösungen sind nicht in Sicht, Applaus ist auch nicht zu erwarten. Wer sollte sich darum reißen?

Also bleibt die große Reform aus, macht man weiter wie bisher. Heißt: Die Renten von heute werden alle naselang erhöht, was jeweils mit Respekts- und Lebensleistungsfloskeln garniert wird, wobei es – gerade bei der SPD – wohl eher Angst vor Verdruss in der treusten Wählergruppe ist.

Dabei ist sogar fraglich, ob die so denkt, wie ihr unterstellt wird. Schließlich haben auch die Rentenbeziehenden von heute Augen im Kopf und sehen die Ungerechtigkeiten gegenüber den Jüngeren, die sich immer höher türmen.

Ebenso stoisch werden die Rentnerinnen und Rentner von morgen und übermorgen mit irgendwelchen garantierten Höchstbeitrags- und Mindestniveauzahlen beglückt, ganz so, als wüssten sie nicht, dass Rentenplanung kein Reißbrettspiel ist, in dem reale Umstände wie die wirtschaftliche Flaute und der Fach- und Arbeitskräftemangel keine Rolle spielen.

Als echte kleine Neuerung bringt das Rentenpaket II jetzt eine Aktienrente. Immerhin der Versuch, mal etwas anders zu machen. Doch auch hier kann man von Augenwischerei sprechen. Denn erstens ist sie mit ziemlich hohen Renditeerwartungen eingeplant, und zweitens gleicht sie mit ihrem bescheidenen Umfang eher einem Versuchsballon. Ein Game-Changer sieht anders aus.

Was die Rentendebatte ganz grundsätzlich bräuchte, ist ein Ende der Augenwischerei. Die Bevölkerung ist nicht naiv und auch nicht doof, sie will nicht beruhigt und nicht vertröstet werden. Zur Realität gehört: Die nächsten 15 bis 20 Jahre werden rentenpolitisch eine harte Zeit.

SPD-Co-Chefin Saskia Esken hat dies den „demografischen Berg“ genannt, der überwunden werden müsse. Danach könnte sogar das Umlageprinzip wieder funktionieren. Dorthin muss man es aber erstmal schaffen.

Funktionierendes Rüstzeug zur Besteigung liegt bereit: längere Lebensarbeitszeiten, höhere Beiträge, mehr private Vorsorge, eventuell Beamte und Selbstständige nach österreichischem Vorbild mit in die Rentenkassen einzahlen lassen. Außerdem den Renten-Jargon so vereinfachen, dass die Bevölkerung animiert wird, selbst aktiv zu werden.

Das ist alles unbequem und drückt. Aber was ist die Alternative? Ohne Rüstzeug losmarschieren und auf Sonne hoffen? Wohl kaum.

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