
© dpa/Michael Kappeler
„Befremden uns zutiefst“: Christliche Kirchen geißeln Pläne von CDU und CSU
Vor den Abstimmungen über die Migrationspolitik reden evangelische und katholische Kirche den Christdemokraten und ihrem Parteichef Merz ins Gewissen. Sein Vize Jens Spahn verteidigt eine strikte Begrenzung des Zuzugs.
Stand:
Vor der Abstimmung über die von CDU und CSU in den Bundestag eingebrachten Anträge und einen Gesetzentwurf für eine deutlich härtere Migrationspolitik kommt von den beiden großen christlichen Kirchen harsche Kritik.
„Zeitpunkt und Tonlage der aktuell geführten Debatte befremden uns zutiefst“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und auf katholischer Seite vom Kommissariat der deutschen Bischöfe: „Sie ist dazu geeignet, alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren und trägt unserer Meinung nach nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen bei.“
Beschädigung der Demokratie befürchtet
In dem Schreiben an die Abgeordneten des Bundestags verweisen die EKD-Beauftragte Anne Gidion und Prälat Karl Jüsten zudem darauf, dass sich die demokratischen Fraktionen nach dem Ampel-Aus darüber verständigt hätten, keine Abstimmungen herbeizuführen, in der die Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD ausschlaggebend sein könnten.
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„Wir befürchten“, heißt es in dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, „dass die deutsche Demokratie massiven Schaden nimmt, wenn dieses politische Versprechen aufgegeben wird.“
Weitere Vertreter der beiden Kirchen sollen das Schreiben nicht vorab bekommen haben, berichtet die „Frankfurter Allgemeine“. In der EKD sei er kurzfristig abgestimmt worden. Von manchen Kirchenvertretern werde die Stellungnahme als zu einseitig kritisiert, heißt es weiter. Auch wenn die Ankündigungen von Merz in den Gremien sehr kritisch beurteilt worden seien.
Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz wirbt bisher zwar um eine Zustimmung auch von SPD und Grünen. Er will aber notfalls auch eine Mehrheit mit Liberalen, der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht akzeptieren, die am Dienstag angekündigt haben, seine Pläne ganz oder zumindest in Teilen mittragen zu wollen.
Neben der grundsätzlichen Bedenken gegenüber einer AfD-Beteiligung am Zustandekommen eines Gesetzes halten die christlichen Kirchenvertreter die von den beiden C-Parteien vorgeschlagenen Verschärfungen aber auch in der Sache für „nicht zielführend, vergleichbare Taten zu verhindern und tragfähige Antworten auf das öffentliche Sicherheitsbedürfnis zu geben“.
Kirchen sehen Europäische Union bedroht
Zudem seien in dem Gesetzentwurf und in den Anträgen, über die am Freitag beziehungsweise bereits an diesem Mittwoch abgestimmt werden soll, „Punkte enthalten, die unserer Auffassung nach rechts- bzw. verfassungswidrig sind oder geeignet erscheinen, die Grundpfeiler der Europäischen Union zu erschüttern“.
Nationale Alleingänge zerstören auf Dauer das Fundament der Europäischen Union.
Aus der Stellungnahme der beiden christlichen Kirchen
Damit sind vor allem die dauerhaft geforderten Grenzkontrollen und Zurückweisung an den Grenzen gemeint. Diese werden in den am Mittwoch zur Abstimmung stehenden Entschließungsanträgen von der Bundesregierung gefordert. Die Anträge sind allerdings selbst bei deren Annahme nicht bindend.
Während die Union darauf pocht, dass angesichts der aktuellen Sicherheitslage nach den Bluttaten von Magdeburg und Aschaffenburg das nationale Recht Vorrang vor dem europäischen genießen müsse, werten die Kirchen dies wie SPD und Grüne als Verstoß gegen geltendes EU-Recht.
„Die EU beruht im Wesentlichen darauf, dass für gemeinsame Schwierigkeiten gemeinsame Lösungen gefunden werden“, heißt es in der Mitteilung, „nationale Alleingänge zerstören auf Dauer das Fundament der Europäischen Union.“
CDU und CSU halten jedoch auch gegen die Kritik der Kirchen an ihren Plänen für eine strikte Begrenzung der Migration fest, weil aus ihrer Sicht nicht nur die Versorgungsinfrastruktur mit den aktuellen Zuzugszahlen zu stark beansprucht wird. „Auch der heilige Martin kann nur den Mantel teilen, den er hat“, sagte Jens Spahn, einer der Stellvertreter von Unionsfraktionschef Merz, dem Tagesspiegel: „Wer sich selbst überfordert, kann auch niemandem mehr helfen.“
Auch Karin Prien, stellvertretende CDU-Vorsitzende, verteidigte die Pläne: Die CDU müsse nicht „immer eins zu eins mit den Kirchen einer Meinung“ sein, sagte sie im Deutschlandfunk.
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