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Screenshot Love Priest YouTube Kanal

© Tagesspiegel/Mario Heller

Beleidigungen gegen Politikerinnen: Wenn ein „Love Priest“ alles andere als Liebe predigt

Der Polit-Influencer Tim Kellner alias „Love Priest“ meint, Satire dürfe alles. Nun fällt er beim Bundesverfassungsgericht mit einer Beschwerde gegen ein Urteil wegen Beleidigung durch.

Stand:

Mit rechtspopulistischen Videos gegen Politik und Politiker hat der frühere Polizist Tim Kellner bei Youtube mehr als 600.000 Abonnenten gewonnen. Wegen beleidigender Äußerungen ist er dabei auch häufiger in Konflikt mit dem Gesetz gekommen.

Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde Kellners gegen eine Verurteilung unter anderem des Landgerichts Detmold nicht zur Entscheidung angenommen.

Die 2. Kammer des Ersten Senats begründete ihren am Donnerstag veröffentlichten Beschluss damit, Kellner habe, anders als von ihm behauptet, weder eine Verletzung der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit noch der Kunstfreiheit begründen können (Az.: 1 BvR 2721/24). Eine Tagesspiegel-Anfrage für eine Stellungnahme zum Gerichtsbeschluss ließ Kellner zunächst unbeantwortet.

Die Video-Collagen folgen einem Muster

Das Landgericht Detmold hatte im Juni 2024 eine Berufung gegen eine amtsgerichtliche Verurteilung Kellners zu 110 Tagessätzen von je 100 Euro wegen Beleidigung nach Paragraf 185 Strafgesetzbuch verworfen (Az.: 25 NBs-21 Js 570/22-70/23.). Anlass waren Videobeiträge Kellners über die Grünen-Politikerin Emilia Fester sowie die SPD-Politikerinnen Sawsan Chebli und Nancy Faeser.

Sämtliche Äußerungen lassen jeden Bezug zu den in den vorherigen Beiträgen berührten Themen oder zu sonstigen sachlichen Themen vermissen.

Das Landgericht Detmold in seinem Berufungsurteil über Tim Kellner

Nach Video-Sequenzen, die Fester und Chebli zeigten, schnitt Kellner jeweils eine Filmsequenz, in der eine Person aus einem Fahrzeug ruft: „Ey, du kleine F****! Ey, du kleine F****, du dreckige!“.

In einem weiteren Clip zeigte Kellner „Tagesschau“-Szenen der damaligen Bundesinnenministerin Faeser, die sich zur Registrierung und Verteilung von Asylbewerbern äußerte. Kellner kommentierte das mit den Worten: „Papperlapapp, die aufgedunsene Dampfnudel, fliegt die ein, wir haben Platz!“

Die Politikerinnen stellten Strafantrag. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren alle drei Äußerungen strafbar, auch die aus der eingeschnittenen Filmsequenz, da sich der Youtuber diese zu eigen gemacht habe.

Es sei zudem ein „übliches Mittel des Angeklagten, Sequenzen mit herabwürdigendem Inhalt aus Filmen mit Sequenzen, die Personen des öffentlichen Lebens zeigen, zusammenzuschneiden, um auf diesem Wege seine Meinung und Missachtung gegenüber diesen Personen auszudrücken“.

Kellner, der als „Love Priest“ auftritt, halte dies für zulässig. Er sei Satiriker und Künstler, der „Love Priest“ sei eine Kunstfigur. Satire dürfe alles., sagte Kellner damals mit einem Kurt-Tucholsky-Zitat vor Gericht.

Dem folgte das Landgericht nicht und ordnete alle drei Äußerungen als „Schmähkritik“ ein, bei der eine Abwägung mit den Grundrechten der Meinungs- und Kunstfreiheit unterbleiben dürfe.

Etwas Ironie reicht nicht

Doch selbst wenn Kellner sich auf diese Grundrechte berufen könne, träten diese zurück, argumentierte das Gericht hilfsweise: „Sämtliche Äußerungen lassen jeden Bezug zu den in den vorherigen Beiträgen berührten Themen oder zu sonstigen sachlichen Themen vermissen und dienen lediglich der Herabwürdigung der so bezeichneten Person.“

Die Bezeichnung der Ministerin Faeser als „aufgedunsene Dampfnudel“ sei zwar mit einer ironischen Meinungsäußerung „Fliegt sie alle ein“ verbunden, weise jedoch selbst keinen Sachkern und keinen Bezug zu Faesers Äußerung auf. Sie sei reduziert auf das Aussehen der Ministerin, das abschätzig und herabwürdigend kommentiert werde, hieß es in dem Urteil.

Ich habe eine gefestigte Meinung und sage, was ich denke, auch wenn das mittlerweile in Deutschland nicht mehr erwünscht ist.

Polit-Influencer Tim Kellner alias „Love Priest“ 

Das Bundesverfassungsgericht hielt Kellner nun vor, sich nicht ausreichend mit der einschlägigen Rechtsprechung zum Problem auseinandergesetzt zu haben. Hinsichtlich der Kunstfreiheit habe er versäumt darzulegen, wie sich diese zu der Rechtsfigur der „Schmähkritik“ verhält. Das Gericht ließ dabei ausdrücklich offen, ob Kellners Videos überhaupt als Kunstwerke anzusehen sind.

Auch hinsichtlich der Meinungsfreiheit vermochte das Gericht keine Verletzung zu erkennen: Es sei schon nicht dargelegt, dass das Landgericht fälschlich von einer „Schmähkritik“ ausgegangen sei, hieß es.

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts darf als Hinweis dafür gelten, dass Verurteilungen wegen Beleidigungen gegen Politiker jedenfalls dann umso eher verfassungskonform sind, wenn sich abwertende Äußerungen losgelöst von Inhalten allein auf Äußerlichkeiten der betroffenen Person beziehen. Im Übrigen orientiert sich das Gericht an seinen bisherigen Entscheidungen, unter anderem den sogenannten Künast-Beschluss von 2021, in dem das Gericht den Schutz von Persönlichkeitsrechten betonte.

In seinem Yotube-Kanal schreibt Kellner von sich: „Ich habe eine gefestigte Meinung und sage, was ich denke, auch wenn das mittlerweile in Deutschland nicht mehr erwünscht ist.“

Im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht von 2023 wird Kellner als Rechtsextremist bezeichnet. Über ihn und sein Internet-Angebot heißt es: „Das markanteste rhetorische Stilmittel von Kellner ist Ironie, womit er einerseits unterhalten, und andererseits seine menschenrechts- und demokratiefeindlichen Äußerungen verbrämen möchte.“ Die Inhalte seiner Beiträge lägen aber „in der Regel unterhalb der Strafbarkeitsschwelle“.

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