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Felix Banaszak, Co-Bundesvorsitzender Bündnis 90/die Grünen, spricht bei einer Pressekonferenz.

© dpa/Britta Pedersen

Update

„Betreutes Regieren ist vorbei“: Grüne wollen Rentenpaket nicht mittragen – Ökonomen fordern Stopp der Reform

Co-Parteichef Banaszak macht klar: Die Koalition unter Kanzler Merz darf im Bundestag nicht auf Stimmen der Grünen hoffen. Diese präsentieren eigene Ideen – darunter eine Reform der Rente mit 63.

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Die schwarz-rote Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) streitet weiter über das Thema Rente. Vor allem die Junge Gruppe in der Unionsfraktion stemmt sich gegen das in der Koalition verabredete Paket, das am 1. Januar in Kraft treten soll. Eine Blockade hätte für Union und SPD ernste Konsequenzen: Ohne die jungen Unionsabgeordneten hätte die Koalition keine sichere Mehrheit bei einer Bundestagsabstimmung über die Reform.

Auf Stimmen der Opposition dürfen CDU/CSU und SPD kaum hoffen, zumindest nicht von den Grünen. Co-Parteichef Felix Banaszak sagte der „Bild am Sonntag“: „Wir stimmen gegen dieses Rentenpaket, weil es im Gesamten kein sinnvoller Umgang mit Geld ist und die Strukturprobleme überhaupt nicht anfasst.“ Er halte das Rentenpaket „in der Summe auch für falsch“. Banaszak betonte: „Betreutes Regieren ist jetzt vorbei. Die müssen das jetzt hinkriegen.“

Banaszak weiter: „Wie will Friedrich Merz denn vier Jahre regieren, wenn er bei jeder Entscheidung darauf angewiesen ist, dass die Grünen oder die Linken, die er am Abend vor der Wahl noch als Spinner bezeichnet hat, ihm aus der Patsche helfen?“

Alle Parteien, aber die Grünen vielleicht in gewisser Weise mehr, sind geprägt von Leuten, denen es vergleichsweise gut geht.

Felix Banaszak, Co-Chef der Grünen

Zu der geplanten Reform zählen die sogenannte Haltelinie beim Renten-Sicherungsniveau, außerdem die ausgeweitete Mütterrente, die geplante Frühstartrente, wonach Kinder ab dem sechsten Lebensjahr pro Monat zehn Euro vom Staat für ein Altersvorsorgedepot bekommen sollen, die Aktivrente mit steuerfreiem Zuverdienst bis zu 2.000 Euro im Monat für Rentner, eine Betriebsrentenstärkung und die Reform der Riester-Rente.

Grüne fordern Reform der Rente mit 63

Am Sonntag veröffentlichten die Grünen dann eigene Vorschläge für eine dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus. Unter fünf Forderungen sind eine Abkehr von Frühverrentungsprogrammen und die Reform der „Rente mit 63“.

Schrittweise solle diese ab 2030 zu einer Rente werden, „die wirklich nur noch denen zugutekommt, die aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen“, schreiben die Grünen-Politiker Katharina Dröge, Britta Haßelmann und Andreas Audretsch in ihrem Papier, über das zuerst die ARD berichtete.

„Der tatsächliche Einstieg in die Rente muss weiter ansteigen. Würden alle Beschäftigten tatsächlich bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter arbeiten, würde der Beitragssatz bis 2030 um knapp ein Prozent sinken“,

Grüne wollen Beamte und Selbstständige einzahlen lassen

Beim Rentenniveau bekräftigen die Grünen ihre Position: Es müsse weit länger stabil bleiben als in den aktuellen Regierungsplänen vorgesehen, es brauche eine langfristige Sicherung. „Richtig wäre, Menschen endlich die Sicherheit zu geben, dass das Rentenniveau dauerhaft nicht unter 48 Prozent sinkt“, heißt es in dem Papier.

Um das zu ermöglichen, müsse unter anderem die Finanzierung auf mehr Schultern verteilt werden: Abgeordnete, neue Beamte und nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige sollen demnach in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen. Außerdem plädieren sie für mehr Zuwanderung, um die Rente zu stabilisieren.

Ökonomen fordern Stopp von geplantem Rentenpaket

Auch Fachleute lehnen die Pläne der Koalition ab. 21 Ökonomen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus anderen Fachrichtungen appellieren einem Medienbericht zufolge nun an die Bundesregierung, das geplante Rentenpaket zu stoppen. „Für Stabilität, Verlässlichkeit und Vertrauen braucht es eine Rentenpolitik mit langem Atem, die berechenbar und fiskalisch nachhaltig ist“, zitierte das „Handelsblatt“ am Sonntag aus dem Aufruf. Das Rentenpaket verfehle dieses Ziel.

Der Appell soll dem Bericht zufolge am Montag veröffentlicht werden. Unterschrieben hätten unter anderem der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, die Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer und Veronika Grimm, der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen sowie Jörg Rocholl, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium.

In einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ schreiben Fuest, Rocholl und Michael Eilfort, Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft, laut der Vorabmeldung, die Reformpläne der schwarz-roten Bundesregierung verstießen gegen zentrale Prinzipien erfolgreicher Rentenpolitik. Vor allem die Haltelinie für das Rentenniveau und die geplante Ausweitung der Mütterrente belasteten die öffentlichen Finanzen erheblich.

„Es wäre für das Vertrauen in die Politik fatal, wenn jetzt Entscheidungen durchgedrückt würden, die bereits in wenigen Jahren zwangsläufig drastische negative finanzielle Folgen hätten“, zitierte die Zeitung aus dem Gastbeitrag.

Söder fordert schnelle Einigung bei Rente

CSU-Chef Markus Söder forderte am Samstag derweil eine rasche Einigung der Koalition. „Der öffentliche Streit schadet natürlich, darum ist eine schnelle Lösung gut“, sagte er einem Bericht der Agentur AFP zufolge nach der Klausurtagung des CSU-Vorstands in München. Dabei seien aber „alle aufgerufen, nach Lösungen“ auf der Basis des Koalitionsvertrags zu suchen. Das „Basta von der SPD“ gehe auch nicht so einfach.

Wichtig sei letztlich, dass beim Thema Rente für die jungen Menschen eine Perspektive dabei sei und nicht auf deren Kosten ein Kompromiss stattfinde, fuhr der bayerische Ministerpräsident fort.

Die Junge Gruppe in der Union wehrt sich dagegen, dass im vorliegenden Gesetzentwurf nicht nur das Rentenniveau bis 2031 bei mindestens 48 Prozent festgeschrieben wird, sondern dass dies auch danach zu einem höheren Ausgangsniveau für die Entwicklung der Rente in den Folgejahren führen würde.

Banaszak gestand zugleich Probleme der Grünen im Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit ein. „Jedes Zerrbild, so verzerrt es ist, hat irgendwo einen wahren Kern“, sagte der Parteichef der Zeitung. „Alle Parteien, aber die Grünen vielleicht in gewisser Weise mehr, sind geprägt von Leuten, denen es vergleichsweise gut geht“, sagte Banaszak. 

Die Grünen stünden an manchen Stellen sinnbildlich dafür oder es werde „der Politik“ zugeschrieben: „Die kommen irgendwie von oben herab, die erklären uns, was wir zu tun haben, und haben gar kein Gespür dafür, was hier bei uns los ist.“ Deswegen sei sein Ansatz: „Nimm die Leute, wie sie sind. Du hast nur die. Du musst Politik mit den Leuten und für die Leute machen.“

Vor dem Wochenende hatte auch der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister und Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl am 8. März in Baden-Württemberg, Cem Özdemir, an seine Partei appelliert: „Wir müssen mal selbstkritisch fragen, warum wir immer noch im Verdacht stehen, die Menschen zu belehren oder noch alles besser zu wissen“, sagte der 59-Jährige der Wochenzeitung „Die Zeit“. (mit AFP)

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