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Die britische Regierungschefin Theresa May.

© REUTERS

Brexit: Der Traum vom Commonwealth 2.0

Es ist der Traum britischer Euroskeptiker: ein neues Commonwealth, das die EU als Haupthandelspartner des Vereinigten Königreichs ersetzen könnte.

Bisher bleibt es bei der Fantasie, doch die britische Regierung von Theresa May sieht die Commonwealth-Organisation, zu der unter anderem Australien, Kanada, Ghana, Indien, Nigeria, Pakistan und Singapur gehören, als Ausgangspunkt für Verhandlungen zu neuen bilateralen Handelsabkommen. Sie hat sechs Commonwealth-Mitglieder als Prioritätsstaaten für neue Anreize zur Förderung von Handel und Investitionen vorgesehen.

Mindestens 30 Staats- und Regierungschefs aus den 53 Mitgliedsstaaten des Commonwealth werden vom 16. bis 20. April zum Commonwealth Heads of Government Meeting (CHOGM) in London erwartet. Nicht wenige Politiker hoffen dabei, dass der Brexit auf Seiten Londons neues Interesses an der Organisation entfacht. Australien, Kanada und Neuseeland gehören zu den enthusiastischsten Vertretern, die ein neues Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich schließen wollen, nachdem es die EU verlassen hat.

Vor dem Gipfel sagte der britische Außenminister Boris Johnson, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Commonwealth liege bei insgesamt 10,5 Billionen Dollar, was fast 14 Prozent der Weltwirtschaft entspreche. Die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs selber sei seit dem EU-Beitritt 1972 um durchschnittlich 4,4 Prozent pro Jahr gewachsen.

Das britische Ministerium für internationalen Handel scheint derweil mit der Mammutaufgabe EU-Austritt überfordert und wird wohl keine erheblichen Fortschritte bei neuen Handelsabkommen mit afrikanischen Ländern erzielen, bevor die Brexit-Übergangsperiode im Dezember 2020 endet. Beamte deuteten gegenüber EurActiv aber an, man hoffe, letztendlich den afrikanischen Staaten großzügigere Bedingungen und Zugang zum britischen Markt anbieten zu können als durch die EU-Abkommen.

Derzeit versucht das Vereinigte Königreich derzeit, neue Abkommen mit den Commonwealth-Ländern abzuschließen. Von den Partnern glauben wiederum einige, aktuell über ausreichende Attraktivität und Spielraum zu verfügen, um das Vereinigte Königreich zu neuen Zugeständnissen zu bewegen.

„Einige der Forderungen, die wir wahrscheinlich hören werden, beziehen sich auf Punkte wie Agrarquoten, zum Beispiel Quoten für ihre Orangenverkäufer,“ erwartet auch Sam Lowe vom Thinktank „Centre for European Reform“, in Bezug auf mögliche Forderungen Südafrikas.

Großbritannien hat bereits zugesagt, die derzeitige Exportkreditfinanzierung für Handel und Investitionen mit Südafrika auf 3,5 Milliarden Pfund zu verdoppeln. Südafrika steht den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) der EU mit afrikanischen Regionalblöcken kritisch gegenüber und erwartet sich von einem Großbritannien außerhalb der EU bessere Handelsbedingungen in einem bilateralen Vertrag. Pretorias Handels- und Industrieminister Rob Davies hat – wenn auch scherzhaft – vorgeschlagen, dass Großbritannien, sobald es die EU verlässt, ja den Beitritt zur Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) beantragen könne.

Skepsis bei einigen britischen Beamten

In einem am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Bericht forderten die Abgeordneten des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten die Regierung auf, ihre „langfristige Vision für die Beziehungen des Vereinigten Königreichs zum Commonwealth darzulegen und zu klären, was die 52 anderen Mitglieder von einem ’globalen Großbritannien’ erwarten können.“

Doch es gibt auch Skepsis. So haben einige britische Beamte die Idee einer Wiederbelebung des Commonwealth als ‚Empire 2.0‘ bezeichnet. Jeder Verweis auf eine Rückkehr in die Kolonialzeit werde insbesondere in Afrika sicherlich nicht sonderlich enthusiastisch aufgenommen werden.

Übersetzung: Tim Steins.

Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Benjamin Fox

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