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Annäherung an die Realität: Chinas Präsident Xi mit dem französischen Staatsoberhaupt Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Paris.

© AFP

Brüssel und Peking auf Kollisionskurs: China verlangt die Unterordnung der Demokratien – das ist unannehmbar

Peking verbittet sich Kritik. Wer opponiert, wird bestraft, im Inland wie nun auch im Ausland. Dagegen hilft nur Solidarität aller Demokratien. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Warum hat die EU diesen Konflikt jetzt ausgelöst? Die Welt stöhnt unter der Coronakrise. Ein Wirtschaftskrieg, ein Machtkampf gar kommt ungelegen.

Im Zentrum der Abwägung stehen jedoch Lager, politisch wie menschenrechtlich. Angela Merkel sagt gerne, sie wolle eine Lagerbildung wie im Kalten Krieg verhindern. So erklärt die Kanzlerin ihren Umgang mit China. Dialog und Kooperation sind ihre Strategie. Aber: Lässt sich das durchhalten?

Auch Chinas Präsident Xi warnt gerne vor einem neuen Kalten Krieg. Er diktiert jedoch seine Bedingungen für friedliche Koexistenz: keine Kritik an China. Sonst setzt es Strafen. Australien forderte eine Untersuchung, ob Pekings Vertuschung dazu beigetragen hat, dass ein lokaler Corona-Ausbruch in Wuhan sich zur Pandemie ausweitete. China antwortete mit Wirtschaftssanktionen.

Kampf der Lager - um Internierungslager

Nun sind Lager – nämlich Internierungs- und Umerziehungslager für die muslimische Minderheit der Uiguren in Westchina – der Auslöser der Eskalation von Sanktionen zwischen der EU und China. Die US-Regierung nennt Pekings Vorgehen einen "Genozid“. Die EU spricht milder von systematischen Verletzungen der Menschenrechte. Sie hat vier Funktionäre, die mit Bau und Betrieb der Lager zu tun haben, mit Einreiseverboten belegt.

Die netten Jahre sind vorbei. So harmonisch, wie die Flaggen nebeneinander hängen, sind die Beziehungen nicht mehr.
Die netten Jahre sind vorbei. So harmonisch, wie die Flaggen nebeneinander hängen, sind die Beziehungen nicht mehr.

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Erneut reagiert Peking überhart: Es sanktioniert gewählte Europaabgeordnete aus vier Fraktionen und vier Ländern sowie Diplomaten und Amtsträger der EU. Darunter ist Pekings Ansprechpartner im Europäischen Parlament (EP), der Grüne Reinhard Bütikofer. Er leitet die China-Delegation. Die Härte kommt zu einem Zeitpunkt, da die Ratifizierung des Investitionsschutzabkommens der EU mit China im EP ansteht – und in Frage steht.

China will Meinungsfreiheit in Europa unterdrücken

Das ist mehrfach bedenklich. Peking hat offenkundig keinen Respekt vor demokratischen Institutionen, und sieht keinen Unterschied zwischen seinen Apparatschiks, die auf Geheiß der Einheitspartei eine unmenschliche Assimilierungspolitik betreiben, und frei gewählten Volksvertretern. China will die Unterdrückung freier Meinungsäußerung, die es zuhause praktiziert, auch dem Ausland aufzwingen.

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In früheren Jahren war China bemüht, die Systemunterschiede zu bemänteln. Man müsse Geduld haben, es sei ein Entwicklungsland. Mit der Öffnung komme die Annäherung und eine Konvergenz der Systeme, hieß es. Das ist vorbei.

Der Konflikt der Systeme ist da - unausweichlich

Es ist ein Moment der Klarheit: Der Konflikt der Systeme ist da. China fühlt sich stark. Es verlangt die Unterordnung der Demokratien unter sein autoritäres System. Das ist unannehmbar.

Die Demokratien in Europa, Amerika und Asien müssen sich gegen diesen Hegemonieanspruch verbünden. Gemeinsam sind sie stärker als China – ökonomisch, politisch, menschenrechtlich. Sie bleiben es freilich nur, wenn sie ihre Freiheit solidarisch verteidigen. Das nächste Mal kann man Australien oder die Europa-Abgeordneten - oder wen auch immer Peking mit Sanktionen belegt - nicht alleine lassen.

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