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Klare Botschaft. "Ich will nach Deutschland" steht an einer Wand am Budapester Bahnhof Keleti.

© imago

Streit um Umgang mit Flüchtlingen: Budapest gegen Berlin und Brüssel

In Budapest spielen sich in der Flüchtlingskrise dramatische Szenen ab. Die Konflikte zwischen den EU-Staaten nehmen zu. Gibt es eine Lösung?

Im Streit um den Umgang mit den Flüchtlingen nehmen auch die Spannungen zwischen den EU-Staaten immer mehr zu. Besonders viel Kritik – sowohl aus Brüssel als auch aus Berlin – muss Ungarn einstecken. Dabei hat das Land in diesem Jahr pro Kopf mehr Flüchtlinge aufgenommen als jedes andere EU-Land – und ist mit der Situation überfordert.

Warum eskaliert die Flüchtlingsproblematik gerade in Ungarn?

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind seit Beginn des Jahres rund 310 000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa gelangt. Davon erreichten 100 000 Flüchtlinge Italien, während der Großteil der Schutzsuchenden in diesem Jahr vor allem über die Türkei nach Griechenland gelangte. Sowohl Griechenland als auch Italien sind nach dem Dublin-Verfahren eigentlich verpflichtet, die Flüchtlinge zu registrieren und ein Asylverfahren durchzuführen.

Während dies in Italien noch halbwegs funktioniert, ist Griechenland angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen komplett überfordert – mit der Folge, dass Athen die Asylbewerber auf der Balkanroute nach Norden durchlässt. Auf dieser Route erreichen sie über Mazedonien und Serbien ein weiteres EU-Land – Ungarn. Die Grenze zwischen Serbien und Ungarn ist ebenfalls eine EU-Außengrenze. Damit ist auch Budapest nach den Regeln des Dublin-Verfahrens verpflichtet, die ankommenden Flüchtlinge zu registrieren.

Aus diesem Grund kommt es in Ungarn nun zu einer chaotischen Lage: Obwohl die Flüchtlinge ihren Weg nach Deutschland fortsetzen wollen, versuchen die ungarischen Behörden, einige von ihnen festzuhalten und einem Asylverfahren zu unterziehen. Wieder andere Flüchtlinge lassen die Behörden nach Österreich und Deutschland weiterreisen.

Wie will Ungarn das Problem lösen?

Ungarn baut an der Grenze zu Serbien einen 175 Kilometer langen Zaun und will sicherstellen, dass Flüchtlinge nur an den dafür vorgesehenen Kontrollpunkten auf das Gebiet der EU gelangen. Am vergangenen Freitag legte die Regierung des nationalkonservativen Premiers Viktor Orban dem Parlament eine Novelle zur Verschärfung des Asyl- und Strafrechts vor, die unter anderem mehrjährige Haftstrafen für illegale Flüchtlinge vorsieht.

Laut dem vom Innenministerium erarbeiteten Paket soll ein gesetzeswidriger Grenzübertritt mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren, eine Zerstörung des Grenzzauns mit einer Haft von bis zu fünf Jahren bestraft werden können. Laut dem Gesetzespaket soll an der Außengrenze eine 60 Meter breite Transitzone eingerichtet werden, in der die Asylbewerber vorübergehend festgehalten werden sollen. „Die Gesetzgebung ist schlichtweg nicht akzeptabel“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok dem Tagesspiegel.

Warum schiebt Ungarn Deutschland die Verantwortung zu?

Orban argumentiert, dass Berlin für Syrer einen eigenen Anreiz geschaffen habe, nach Deutschland zu kommen, indem die hiesigen Behörden deren Asylanträge entgegen dem üblichen Dublin-Verfahren selbst bearbeiten – obwohl sie zuerst in ein anderes EU-Land eingereist sind.

Wie reagiert die deutsche Politik auf die Flüchtlingssituation in Ungarn?

Die Feststellung Orbans, das Problem mit den Flüchtlingen sei ein „deutsches Problem“, weil „alle (Flüchtlinge) gerne nach Deutschland gehen“ würden, hat in der deutschen Politik Widerstand in einer Deutlichkeit ausgelöst, die im Umgang zwischen EU-Staaten eher selten ist.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder mahnte, die ganze EU sei in der Flüchtlingsfrage gefordert, weshalb „die Aussage aus Ungarn falsch“ sei. Direkt an Orban gewandt sagte Kauder, wenn Ungarn die bestehenden Regelungen, nach denen das Land die Flüchtlinge registrieren müsse, nicht einhalten wolle, müsse man „ernsthaft über den Zustand in der Europäischen Union reden“.

Wie steht die EU zur Haltung Ungarns?

Beim Treffen mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bekam Orban am Donnerstag zu hören, dass die neuen Budapester Asylgesetze nicht mit EU-Recht vereinbar sind. Gleichzeitig machte Juncker dem ungarischen Ministerpräsidenten das Angebot, dass andere Staaten seinem Land bis zu 55.000 Flüchtlinge abnehmen könnten, wenn er denn einem Schlüssel zur Verteilung der Asylsuchenden in der EU zustimme.

EU-Ratspräsident Donald Tusk versuchte am Donnerstag den scheinbar immer tiefer werdenden Graben zuzuschütten. Es brauche sowohl Solidarität mit den Flüchtlingen als auch eine Eindämmung des Problems über eine bessere Grenzsicherung, sagte der Pole. „Es wäre unverzeihlich, wenn sich Europa spalten würde in Befürworter der Eindämmung, die durch den ungarischen Zaun symbolisiert wird, und Befürworter völliger Offenheit, wie das manche Politiker fordern“, sagte Tusk.

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