
© dpa/Katharina Kausche
Nouripour hat recht: Es genügt, den Bundestag alle fünf Jahre zu wählen
Eine längere Legislaturperiode macht politische Entscheidungen einfacher. Doch die Abgeordneten sollten wahren Mut zeigen – und den Bundestag verkleinern.

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Omid Nouripour hat recht: Es genügt, den Bundestag alle fünf statt alle vier Jahre zu wählen, wie der Bundestagsvizepräsident in der „Bild“-Zeitung vorschlägt. Das würde die Politik etwas weniger asthmatisch und politische Entscheidungen einfacher machen. Nouripour bekräftigt damit den klugen Vorschlag der Wahlrechtskommission von 2023.
Das zunehmend zersplitterte Parteiensystem macht die Bildung der Bundesregierung komplizierter und länger. Es braucht, vom Wahltag an, oft ein halbes Jahr, ein ganzes Jahr oder gar länger, bis Koalitionsfraktionen wichtige Vorhaben durchsetzen können.
Infolge diverser Landtagswahlen und dem (Vor-)Wahlkampf zur nächsten Bundestagswahl sind grundlegende Entscheidungen in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode kaum noch möglich. „Was wir bis zur Mitte der Wahlperiode nicht entschieden haben“, sagte Kanzler Friedrich Merz (CDU) im Juli in herzerfrischender Offenheit, „das wird in der zweiten Hälfte der Wahlperiode wahrscheinlich nicht mehr zu entscheiden möglich sein.“
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Fünf Jahre machen Politik einfacher, aber nicht einfach
Fazit: Eine fünfjährige Wahlperiode des Bundestages würde Politik einfacher machen – ohne dass sie dadurch einfach würde. Längst haben 15 der 16 Länder, alle bis auf das kleine Bremen, eine fünfjährige Wahlperiode. Das Argument von Kritikern, ein zusätzliches Jahr für einmal gewählte demokratische Abgeordnete bedeute „weniger Demokratie“, war schon immer flach. Klagen über einen Mangel an Demokratie in Bayern oder NRW infolge einer fünfjährigen Wahlperiode sind bisher nicht bekannt.
Ein weiterer Vorstoß Nouripours, nämlich möglichst viele Kommunal- und Landtagswahlen terminlich zusammenzulegen, führt dagegen in die Irre. Bundespolitiker sollten ihren Kollegen in Ländern und Städten überlassen, wann sie ihr Parlament oder ihren Oberbürgermeister zu wählen gedenken. Ein frühzeitiges Scheitern einer Landesregierung, mithin Neuwahlen, würden einen solchen Zentralismus zerfleddern. In einem Föderalismus mit 16 selbstbewussten Ländern ist fast immer irgendwo Wahl. Mit diesem Ausdruck von Vielfalt muss „Berlin“ klug umgehen, anstatt ihn zu bejammern.
Der Bundestag sollte kleiner werden
Der Bundestag und sein Vizepräsident Nouripour sollten stattdessen vor ihren eigenen Reichstagsportalen kehren; dort ist genug zu tun. Wann bitte gibt es wieder ein Wahlrecht, bei dem der Sieger in einem Wahlkreis ein Mandat bekommt und nicht leer ausgeht? Und wann rafft sich der Bundestag dazu auf, nach seiner ersten Verkleinerung einen zweiten Schritt zu wagen, und die noch immer hohe Zahl von 630 Abgeordneten zu reduzieren?
Wer dem Volk etwas „zumuten“ will, sollte als Volksvertreter mit Mut vorangehen, und den Mega-Bundestag verkleinern. 500 Sitze genügen. Der westdeutsche Bundestag kam bis 1990 mit gut 500 Abgeordneten gut aus. Übrigens: Mit 500 Abgeordneten wäre der Bundestag noch immer größer als das Repräsentantenhaus in den USA, die viermal mehr Einwohner haben als Deutschland und eine sechsmal stärkere Wirtschaftskraft.
Interessant ist bei alldem, dass die Rufe nach „mehr Volksabstimmungen“ als Gegenleistung für eine längere Wahlperiode heute nicht mehr zu hören sind. Vor allem SPD und Grüne hatten über Jahrzehnte nach mehr „direkter Demokratie“ gerufen, nach Volksbegehren, nach Volksbefragungen – ungeachtet dessen, dass das Grundgesetz keine Plebiszite kennt, aus guten Gründen.
SPD und Grüne bemühten oft das Beispiel der Schweiz, verlangten eine direkte Mitsprache der Bürger. Diese Forderungen sind selbst bei den als „basisdemokratisch“ gegründeten Grünen wie verschwunden. Sollte SPD und Grünen etwa dämmern, dass das Gros ihrer Programmatik bei den Bürgerinnen und Bürgern schlicht kaum mehr mehrheitsfähig ist?
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