
© dpa/Uwe Anspach
Bundestag berät zum Schwangerschaftsabbruch: Eine Frau, die abtreibt, handelt schon heute legal
Wie es aussieht, scheitert der Vorstoß für eine Reform. Das mag viele enttäuschen, doch die Folgen sind gering. Denn so kriminell, wie er gemacht wird, ist der Eingriff nicht.

Stand:
Demnächst wird im Bundestag über eine Reform des Schwangerschaftsabbruchs beraten. Ob es noch zu viel mehr als einer Expertenanhörung kommt, ist allerdings fraglich. Mit dem Entwurf soll der Abbruch „grundsätzlich rechtmäßig gestellt“ und außerhalb des Strafgesetzbuchs (StGB) näher geregelt werden. Denn dass er rechtswidrig sei, heißt es weiter, sei „abschreckend“ und führe dazu, dass immer weniger Ärztinnen und Ärzte zu dem Eingriff bereit seien.
In der politischen Diskussion wird daraus häufig die Forderung, Abtreibung müsse (endlich) legalisiert oder entkriminalisiert werden, um diese Stigmatisierung zu beenden. Umfragen zeigten, eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung wolle dies so.
Ein Blick auf die Paragrafen im Strafgesetzbuch weckt dagegen Zweifel, ob das Problem tatsächlich in der Dimension besteht, in der es vielfach geschildert wird. Paragraf 218 StGB stellt den Abbruch unter Strafe (mit Haft bis drei Jahren). Paragraf 218a markiert dagegen ausdrücklich die „Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs“, wenn er innerhalb der ersten drei Monate und nach einer Beratung erfolgt.
Ist betroffenen Frauen wirklich geholfen, wenn beständig davon die Rede ist, sie stünden mit einem Bein im Gefängnis und ihre Ärzte machten sich zu Komplizen?
Jost Müller-Neuhof
Dies betrifft den allergrößten Teil der jährlich rund 100.000 Abtreibungen in Deutschland. Von Rechtswidrigkeit ist hier im Gesetz keine Rede, sondern davon, dass in diesen Fällen der Tatbestand von Paragraf 218 „nicht verwirklicht“ ist. Mit anderen Worten: Schwangerschaftsabbruch ist so, wie er stattfindet, legal. Es gibt keinen Gesetzesverstoß und keine Strafbarkeit. Nichts ist kriminell.
Die Zuschreibung als „rechtswidrig“ ergibt sich aus einer juristischen Betrachtung im Zusammenhang mit Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Sie ist begründet, aber eher theoretischer Natur.
Wie groß also soll das Stigma sein, das sich daraus ergibt? Ist betroffenen Frauen wirklich geholfen, wenn beständig davon die Rede ist, sie stünden mit einem Bein im Gefängnis und ihre Ärzte machten sich zu Komplizen?
Man könnte, zur Abwechslung, in der politischen Debatte stärker herausstellen, dass Schwangere sich legal verhalten – und einen Anspruch darauf haben, einen medizinisch versorgten Abbruch vornehmen zu lassen, wenn sie sich dafür entscheiden. Dann wäre die Stigmatisierung vielleicht geringer und die ärztliche Einsatzbereitschaft höher. Obwohl die Regeln weiter im Strafgesetzbuch stehen.
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