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Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit deutschen Soldaten auf dem Lufttransportstützpunkt in Niamey.

© Arne Immanuel Bänsch/dpa

Das AKK-Manöver: Bundeswehr in Syrien – hat sich die CDU-Chefin selbst erledigt?

Die Bundesverteidigungsministerin wagt einen Vorstoß für einen internationalen Einsatz in Syrien. Wie riskant ist ihr Vorschlag? Fragen und Antworten.

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Viele Außen- und Sicherheitspolitiker trauten ihren Augen und Ohren nicht, als sie vom Vorschlag der deutschen Verteidigungsministerin überrascht wurden. Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) schlug am Montagabend einen internationalen Militäreinsatz im Norden Syriens vor.

Sie forderte die „Schaffung einer international kontrollierten Sicherheitszone unter Einbeziehung der Türkei und Russlands“. Deren Ziel müsse es sein, die Lage in Nordsyrien zu deeskalieren. Sie habe den Vorschlag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgestimmt und westlichen Verbündeten unterbreitet.

Im Norden Syriens hatte die Türkei vor zwei Wochen eine Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG begonnen. Der Konflikt weckte unter anderem Befürchtungen nach einem Wiedererstarken der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS).

Welche Bedeutung hat der Vorschlag?

Für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ist der Vorstoß der Verteidigungsministerin ein Novum. Es wäre das erste Mal, dass Deutschland selbst einen internationalen Auslandseinsatz ins Spiel bringt – und dazu noch eine Mission, die ein sehr „robustes“ Mandat haben müsste. Bisher hat sich die Bundesregierung immer wieder Kritik anhören müssen, weil sie sich grundsätzlich eher zurückhält, wenn Deutschlands Verbündete eine internationale Mission fordern.

In solchen Fällen ist in Berlin stets die Rede davon, man müsse einen Einsatz der Bundeswehr sehr sorgfältig prüfen und außerdem erst das Parlament damit befassen. Umso mehr überrascht nun der innerhalb der Koalition nicht abgestimmte Vorstoß der Verteidigungsministerin.

Sie selbst begründete ihre Initiative damit, dass Deutschland in diesem Konflikt nicht länger „Zaungast“ sein solle. Das zeigt, dass Kramp-Karrenbauer durchaus eine grundsätzliche Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik im Sinn hatte.

Was würde der Plan für die Bundeswehr bedeuten?

Sollte es am Ende auf einen deutschen Vorschlag hin tatsächlich zu einer solchen Mission kommen, könnte die Bundesregierung ihren Partnern kaum eine deutsche Beteiligung verweigern. Kramp-Karrenbauer sagte in den Interviews am Montag nur, darüber müsse der Bundestag entscheiden. Bereits jetzt sei die Bundeswehr im Einsatz gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ aktiv.

Als Teil des Kampfes gegen den IS will Kramp-Karrenbauer offenbar auch ihren Vorschlag verstanden wissen. Doch während sich der jetzige deutsche Beitrag in der Anti-IS-Mission auf Ausbildung und Luftraumüberwachung konzentriert, würden zur Schaffung einer Schutzzone in Nordsyrien Bodentruppen entsandt werden müssen. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, der sich ebenfalls für die Errichtung einer humanitären Schutzzone im Norden Syriens aussprach, nannte die Zahl von 20 000 bis 30 000 Soldaten aus EU-Ländern.

Welche Interessen könnten andere Länder an einer solchen Mission haben?

Kramp-Karrenbauer will ihren Plan beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister am Donnerstag und Freitag in Brüssel diskutieren. Einerseits wäre aus der Sicht vieler Nato-Partner ein größeres militärisches Engagement Deutschlands durchaus wünschenswert. Doch in anderen europäischen Hauptstädten blieb es am Dienstag auffällig still, Zustimmung zu dem Vorschlag aus Berlin war von dort nicht zu hören.

Das könnte auch damit zu tun haben, dass viele Punkte in Kramp-Karrenbauers Plan unklar blieben. So betonte die Ministerin, dass die Türkei und Russland bei der Schaffung einer Sicherheitszone einbezogen werden müssten. Doch beide Staaten verfolgen in der Region sehr unterschiedliche Interessen.

Die Türkei wollte mit ihrer Offensive im Norden Syriens selbst eine „Schutzzone“ errichten – allerdings geht es der Regierung in Ankara darum, in der Grenzregion zur Türkei den Einfluss der YPG zurückzudrängen, die sie als Terroristen betrachtet. Russland wiederum hat den Abzug der US-Truppen aus der Region dafür genutzt, selbst mit eigenen Truppen in Nordsyrien Fuß zu fassen.

Für den Kreml gäbe es also gar keinen Grund, das Feld nun für eine europäische Mission zu räumen. Präsident Wladimir Putin ließ seinen Sprecher erklären, der Vorschlag werde geprüft. In Syrien ist Russland der wichtigste Verbündete von Staatschef Baschar al Assad – und müsste damit als Partner des Westens in diesem Konflikt eigentlich ausgeschlossen sein.

Wie hat AKK ihren Vorstoß vorbereitet?

Offenbar sehr kurzfristig. Am Sonntag traf sich der Koalitionsausschuss von Union und SPD im Kanzleramt. Die Krise in Nordsyrien war ausdrücklich Thema, Außenminister Heiko Maas (SPD) trug zu Syrien und der Türkei vor. Von der CDU-Chefin, die an dem Treffen teilnahm, erfuhr kein Sozialdemokrat etwas von ihrem Plan für die internationale Schutzzone.

Auch die Kanzlerin, davon sind SPD-Politiker überzeugt, wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dem Vorhaben ihrer Ministerin, denn sonst hätte sie den Koalitionspartner informiert. Den Außenminister informierte sie per Kurznachricht – aber offenbar nur über ihren Plan, einen Vorschlag zu machen, noch nicht über das konkrete Ergebnis, das sie dann in einer Medienoffensive am Montagabend gezielt in die Öffentlichkeit trug. Auch CSU-Chef Markus Söder erfuhr davon aus der Presse.

In mehreren Interviews sprach die Verteidigungsministerin davon, dass sie Nato-Partner gewinnen wolle, aber nicht davon, dass sie schon Zusagen in der Tasche habe. Wollte sie offiziell bei anderen Regierungen anfragen, müsste sie das Auswärtige Amt einschalten, was sie bis Dienstagmittag nicht getan hatte. Nicht einmal ein schriftliches Konzept aus dem Verteidigungsministerium lag dort vor.

Auffällig war auch, dass Kramp-Karrenbauer in TV-Interviews die Fragen nach einer deutschen militärischen Beteiligung nicht beantwortete und stattdessen auf den Bundestag verwies. Nicht der Bundestag stimmt von sich aus über Auslandseinsätze ab. Vielmehr bittet ihn die Bundesregierung, die sich zuvor auf einen Antrag geeinigt hat, um Zustimmung zu dem geplanten Einsatz.

Völlig offen ließ die Verteidigungsministerin auch die Frage, wie sie sich ein völkerrechtliches Mandat für das Unternehmen vorstellt. Nach deutschem Recht müsste es vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen genehmigt werden. Sofern Kramp-Karrenbauer dies aussprechen würde, müsste sie auf die Zuständigkeit des Außenministers verweisen, dessen Diplomaten Deutschland in dem UN-Gremium vertreten. Außerdem hat Russlands Veto im Sicherheitsrat bisher oft ein gemeinsames Vorgehen in Syrien verhindert.

Wie sind die Reaktionen in Berlin?

Politiker der Union stellten sich öffentlich hinter den Vorschlag der CDU-Vorsitzenden – allerdings sehen auch Außen- und Sicherheitspolitiker von CDU und CSU die fehlende Vorbereitung. Der Vorstoß sei „mutig“, sagten der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (beide CDU).

Der Koalitionspartner SPD stellt vor allem Fragen und verweist auf die in seinen Augen mangelnde Abstimmung. Die SPD vermeidet aber ein kategorisches Nein gegen einen neuen Militäreinsatz, weil sie damit die Schuld am Scheitern des Vorschlags auf sich nehmen würde. Der unseriöse Vorschlag der Verteidigungsministerin könne nicht funktionieren und solle vor aller Augen implodieren, lautet die Marschroute der SPD.

In der Sache befürchten deutsche Diplomaten, dass die wegen des unabgestimmten Vorstoßes unklare Haltung der Bundesregierung Schaden anrichtet und die deutsche Handlungsfähigkeit leidet.

Kritische Stimmen gibt es auch von der Linken, den Grünen und der FDP. Der Vorstoß von Annegret Kramp-Karrenbauer werfe „mehr Fragen auf, als er Antworten gibt“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. So sei unklar, wie die rechtlichen, politischen und materiellen Vorbedingungen geschaffen werden sollten. Die Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sprach von einem „aberwitzigen Vorschlag“.

Geht es nur um Syrien – oder vielmehr um die politische Zukunft der CDU-Chefin?

Für die zweite Vermutung spricht vieles. Kramp-Karrenbauer steht nach gravierenden Fehlern in den eigenen Reihen massiv unter Druck. Die Werte der CDU sind nicht gut – und die Zustimmung zur Politikerin AKK so schlecht, dass sie als CDU-Chefin um die Kanzlerkandidatur fürchten muss.

Womöglich hat sie versucht, mit ihrem Vorschlag für eine internationale Schutzzone in Nordsyrien einen Befreiungsschlag einzuleiten, der sie als handlungs- und durchsetzungsfähige Politikerin erscheinen lässt, die Entscheidendes zur Befriedung eines seit acht Jahren tobenden Krieges beiträgt.

Dass eine Aktion mangelhaft vorbereitet ist, passiert ihr nicht zum ersten Mal. Als sie vor Monaten auf Vorschläge von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zur Reform der EU antwortete, unterliefen ihr in dem entsprechenden Artikel gravierende sachliche Fehler.

Was würde ein Scheitern des Vorschlags für AKK bedeuten?

In den Reihen der SPD macht schon die Einschätzung die Runde, die Verteidigungsministerin wolle sich wohl profilieren, begehe mit ihrem Vorstoß „Harakiri“, womit eine besonders grausame Form des Selbstmordes in Japan gemeint ist. Das ist ein drastische Wortwahl, scheint aber nicht völlig übertrieben.

Sollte sich herausstellen, dass ihr Vorschlag völlig floppt, weil er keinerlei internationale Unterstützung erfährt, und wenn darüber hinaus die deutsche Öffentlichkeit ihren Plan als Manöver in eigener Sache einstufen sollte, wäre sie sowohl als Ministerin als auch als CDU-Chefin schwer beschädigt.

Sofern sich die Liste ihrer Fehler dann um eine weitere, gravierende Fehlleistung mit dazu noch internationalen Nebenwirkungen verlängert, dürfte es von der Geduld ihrer Partei abhängen, wie lange diese sie noch als Vorsitzende weiter ertragen will. Die Frage einer Kanzlerkandidatur dürfte damit aber erledigt sein.

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