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Klares Urteil zur Grundsteuer aus Karlsruhe.

© Uli Deck/dpa

Bundesverfassungsgericht: Das Grundsteuer-Urteil ist eine Ohrfeige für den Gesetzgeber

Die Grundsteuer in der bisherigen Form ist verfassungswidrig – weil das Bewertungssystem völlig aus dem Lot ist. Die Politik hat eine Reform verschlafen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Mit der Karlsruher Entscheidung zur Grundsteuer ist die Teilung Berlins nun endgültig überwunden. Zwei unterschiedliche Bemessungsgrundlagen der Steuer, im Westen nach Basiswerten von 1964, im Osten gar von 1935, damit wird es in einigen Jahren vorbei sein. Die Grundsteuermauer, die sich seit 1990 noch durch die Stadt zog, ist gefallen. Und die gesamtdeutsche Unterscheidung in West und Ost damit auch. Insofern hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts sogar ein bisschen Geschichte über das rein Steuerrechtliche hinaus geschrieben.

Freilich geht es im Urteil nicht in erster Linie um die Ost-West-Unterschiede. Kern der Entscheidung ist die Korrektur einer jahrzehntelangen Vernachlässigung, eines jahrzehntelangen Politikversagens, das darin besteht, die Erhebung der Steuer nicht in Schuss gehalten zu haben - indem versäumt wurde, die Grundstücke in regelmäßigen Abständen neu zu bewerten und die Steuerbelastung somit der tatsächlichen Wertentwicklung anzupassen. Wörtlich spricht der Erste Senat von "Inkaufnahme eines dysfunktionalen Bewertungssystems".

Hätten die Gesetzgeber – die Länder wie der Bund – das Thema nicht schleifen lassen, es hätte der Richterentscheidung nicht bedurft. Wer das Selbstbewusstsein des Gerichts kritisiert, und das tun Politiker ja gelegentlich, wenn ihnen die Urteile nicht gefallen, sollte also solche Tage der Entscheidung erst gar nicht herbeiführen.

Nach dem Urteil dürfen sich die Einheitswerte, auf deren Grundlage die Steuer erhoben wird, nicht zu stark von den Verkehrswerten der Grundstücke entfernen. Und daraus ergibt sich nun die bundesweite Vereinheitlichung (und die in Berlin). Die Frage wird sein, auf welche Reform sich Bund und Länder verständigen können. Ein Reformvorschlag des Bundesrats, 2016 vorgelegt von immerhin 14 Landesregierungen, wurde vom Bundestag nicht aufgenommen.

Ein Grund dafür war, dass Bayern und Hamburg andere Vorstellungen hatten (weil sie exorbitante Höherbewertungen fürchteten), und ohne die CSU macht die CDU im Bundestag offenbar nichts. Grundsätzlich ist natürlich vorstellbar, dass die Grundsteuer von den Ländern autonom geregelt und erhoben wird – bei Immobilien ist eine reine Länderzuständigkeit eigentlich unproblematisch. Aber wie so oft scheut man die Pluralität, der unitarische Imperativ kommt zum Tragen.

Abschaffung steht nicht auf dem Plan

Da die Steuer den Kommunen zufließt, die damit etwa zehn Prozent ihrer Haushalte decken, ist eine Abschaffung nicht denkbar. Freilich ist die bisherige Grundsteuer eine etwas hybride Angelegenheit – denn besteuert werden Vermögenswerte, es ist so gesehen eine Vermögensteuer, doch der hinter der Steuer stehende Zweck ist die Finanzierung kommunaler Aufgaben, die alle in Anspruch nehmen, weshalb die Grundsteuer auch über die Nebenkosten auf die Mieten umgelegt werden kann.

Insofern ist in dieser Steuer ein gewisser Konflikt angelegt. Und sie wird zu einem Konfliktthema werden, wenn sich zeigt, dass sie eben doch nicht so reformiert werden kann, dass niemand höher belastet wird. Kein Wunder also, dass im Bundestag selbst in der ausgesprochen vermieterfreundlichen Unions-Fraktion das oberste Gebot lautet, es dürfe zu keinen Mietsteigerungen kommen. Ob das auch in den Städten machbar ist, die immense Immobilienpreissteigerungen gesehen haben, wird sich zeigen. Und was bringt es, wenn Berlins letzte Teilung beendet wird, aber auf Kosten der Mieter?

Man könnte natürlich die Umlagefähigkeit der Grundsteuer beenden, sie dürfte dann nicht mehr auf die Nebenkostenrechnung gesetzt werden. Vermieter würden dann allerdings versuchen, sie über die Miete zu decken. Eine weitere Option wäre es, zu einer reinen Bodenwertsteuer überzugehen und die auf den Grundstücken stehenden Gebäude (die bisher herangezogen werden) zu ignorieren.

Das wäre eine deutliche Vereinfachung der Bemessungsgrundlage und würde zudem, sagen zumindest die Befürworter, unbebaute Grundstücke in den Innenstädten stärker belasten als bisher und bebaute gegebenenfalls geringer. Was wiederum dazu führen kann, dass dort mehr Wohnungen gebaut würden. Die Koalition will das auch, wenn auch über eine neue Grundsteuerkomponente.

Was immer nun kommt: Das Gericht hat Bundestag und Bundesrat eine vergleichsweise knappe Frist bis Ende 2019 gesetzt, zu einer Neuregelung zu kommen. Das begrenzt eventuelle Grundsatzdebatten. Ein Freibrief für eine unbedachte Schnellreform ist das aber auch nicht.

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