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Angetreten zum Abwarten: Die Bundeswehr soll aufgerüstet werden, doch das Sondervermögen braucht noch Zeit.

© imago/photothek

Abstimmung im Bundestag vorerst geplatzt: Das Kanzleramt bremst beim Sondervermögen für die Bundeswehr

Nicht im Plan - weil ohne Plan: Der 100-Milliarden-Topf für die Armee ist weiter umstritten. Es geht um konkrete Projekte und das Beschaffungswesen.

Noch am Wochenende wählte Olaf Scholz das pathetische Wort. Er wünsche sich im Bundestag eine „patriotische Mehrheit“, wenn das Sondervermögen Bundeswehr zur Abstimmung steht. Also jener Nebenhaushalt mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro, den der Kanzler im Februar quasi im Alleingang angekündigt hatte und der im Grundgesetz verankert werden soll.

Weshalb er nicht nur seine eigene Koalition, sondern auch die Union in die patriotische Mehrheit einreihen muss. Seit Wochen wird verhandelt. Für kommenden Freitag wurde der Abstimmungstermin im Bundestag anvisiert, möglicherweise dachte Scholz auch an eine Regierungserklärung mit patriotischen Tönen.

Der angepeilte Freitagstermin ist nun gestrichen. Eine Regierungserklärung gibt es jetzt am Donnerstag zum Europäischen Rat, der allerdings erst Ende Mai stattfindet. Die Schuldzuweisungen für die weitere Verzögerung werden hin- und hergereicht.

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Die Union sieht die Koalition als zerstritten an. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz hat auch ausgemacht, wo das Problem liegt: bei den Grünen. Er spricht von einer Übereinstimmung zwischen seiner Partei und SPD sowie FDP. Die Grünen seien aber „noch nicht so weit, dass sie sich entscheiden können“.

Grünen-Chef Omid Nouripour nimmt es gelassen. Die Gespräche verliefen in einem „guten Stil und Ton“, betont er. „Aber man muss es auch nicht übers Knie brechen.“ Die Abstimmung wird nun erst Anfang oder sogar Ende Juni stattfinden.

Vordergründiger Streit

Vordergründig geht es um die seit Wochen genannten Streitpunkte. So sind sich Union und FDP einig, dass die Mittel im Sondervermögen allein den Streitkräften zufließen sollen und dass das im Gesetz so formuliert wird.

Grüne und ein Teil der SPD-Fraktion plädieren für die von der Ampel vorgeschlagene Formulierung, dass mit dem Geld die „Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“ Deutschlands gestärkt werden solle – was Ausgaben auch über reine Waffen- und Ausrüstungsprojekte hinaus erlauben würde. Vor allem die Grünen wollen das, weil sie an einem „vernetzten Sicherheitsbegriff“ orientiert sind.

Dass zuletzt das Auswärtige Amt in die Gespräche unter den Fraktionen einbezogen wurde und nicht mehr nur das Verteidigungsministerium, deutet auf verstärkte Kompromisssuche hin. Investitionen in mehr Cybersicherheit sind hier einer der Auswege.

Auch geht es immer noch um die Frage, ob und wo das Zwei-Prozent-Ziel – die von der Nato gewünschte Ausgabenquote gemessen am Bruttoinlandsprodukt – im Grundgesetz oder im Errichtungsgesetz stehen soll.

Im Hintergrund allerdings wird über sehr konkrete Probleme der Umsetzung gesprochen, und das verlängert den Zeitplan. Ein solcher Nebenetat muss üblicherweise mit einem Wirtschaftsplan versehen sein, in dem sämtliche geplanten Finanzierungsprojekte auf Jahre hinaus mehr oder weniger detailliert aufgeführt sein müssen, mit konkreten Ausgaben und so genannten Verpflichtungsermächtigungen unterlegt. Der liegt den Fraktionen aber nicht vor, ist oberste Chefsache (Kanzleramt) und dürfte der eigentliche Grund für die Verzögerung sein.

Was soll damit bezahlt werden?

Denn natürlich liegen deutlich mehr potenzielle Projekte und Wunschkataloge vor, als mit den 100 Milliarden Euro in den kommenden Jahren finanziert werden können. Einige Vorhaben sind bekannt und belegen schon einen größeren Teil der Summe: der US-Jet F35, ein neuer Transporthubschrauber, neue Marineschiffe.

So wird um den Ausgabenrest hart gerungen, zumal das Verteidigungsministerium schon vor Wochen eine breite Umfrage in der Rüstungsindustrie gestartet hat, welche Projekte in relativ kurzer Zeit umsetzbar wären. Viele dürften vom Kuchen etwas abhaben wollen.

Wie es heißt, gibt es Überlegungen, die Abstimmung über das Sondervermögen gegebenenfalls auch ohne Wirtschaftsplan stattfinden zu lassen. Das aber liefe darauf hinaus, vom Parlament die Unterschrift unter einen Blankoscheck zu verlangen.

Doch hat ein sehr konkreter Wirtschaftsplan auch einen Nachteil: Da er nur einmal im Jahr zusammen mit dem jeweiligen Bundeshaushalt geändert werden kann, gibt es nicht viel Spielraum für kurzfristigere Veränderungen – was bei dem Vorhaben, das Geld in nur wenigen Jahren vor allem für Käufe „von der Stange“ einzusetzen, auch hinderlich sein kann. Und es bleibt nichts in petto.

Noch ein Gesetz

Eine weitere Frage: Die Union möchte für die Ausgaben im Sondervermögen ein Begleitgremium haben, über das sie im Detail mitbestimmen kann. Das ist natürlich nicht im Interesse der Ampel, die allenfalls eine weniger direkte Form der Begleitung des Sondervermögens akzeptieren will. Aber sie braucht eben die schwarzen Stimmen.

Einig sind sich die Verhandler in einem Punkt: Das Beschaffungswesen der Bundeswehr muss verbessert werden. Auch darum drehen sich die Gespräche. Nach Informationen des Tagesspiegels ist dafür nun auch ein drittes Gesetz mit Blick auf das Sondervermögen in der Diskussion.

Ein Beschaffungsbeschleunigungsgesetz soll Besserung bringen. Etwas Ähnliches hat die Koalition gerade für den zügigen Ausbau der Flüssiggasversorgung auf den Weg gebracht, das LNG-Beschleunigungsgesetz.

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