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Frauen in Gaza drängen sich an einer Ausgabestelle für Lebensmittel.

© Reuters/Dawoud Abu Alkas

Das Leiden in Gaza muss enden: Deutschland sollte Waffenexporte nach Israel aussetzen

Die Welt schaut zu – und es schaudert sie. So kann es nicht weitergehen. Deutschland muss sich mit aller Kraft für Frieden engagieren. Auch ein Moratorium bei Waffenexporten ist geboten.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Wo soll das noch enden? Und wie soll das enden? Fragen, die die Weltgemeinschaft politisch aufwühlen – und jeden, der das unsägliche Leid, das Leiden von Tausenden in Gaza sieht. Es muss, ja muss, etwas geschehen. Das erfordert nicht zuletzt das schiere Mitgefühl.

Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich in bisher nie dagewesener Weise klar zu Israel verhalten, hat seinen Unwillen geäußert, sein Unverständnis, seine Erwartung, dass das so nicht weitergeht. Weil es auch nicht ersichtlich ist, wie das erfolgreich sein soll. Die Vernichtung der Hamas wird so nicht gelingen. Wer das für eine Strategie hält, muss dennoch wissen: In den Köpfen derer, die diese Zeit überleben, lebt dann die Hamas weiter.

Was also tun? Die humanitäre Lage in Gaza ist katastrophal, Forderungen nach mehr Druck auf die israelische Regierung werden lauter. Die Bundesregierung ist nicht die allein entscheidende Stimme, nicht in Europa, nicht in der Welt, aber eine entscheidende. Sie muss helfen, den Weg zur Waffenruhe, zum Frieden, zu ebnen.

Moral und Integrität sind eine Haltung, nicht in erster Linie eine Frage der Gelegenheit.

Stephan-Andreas Casdorff, Editor-at-Large

Gerade weil sie, wie Merz und Außenminister Johann Wadephul, um die historische Verantwortung wissen. Wer jeden Tag am Holocaust-Mahnmal für die sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden vorbeifährt, kann die gar nicht vergessen. Und so richtig es ist, daraus eine Staatsräson abzuleiten, so wichtig ist es, das mit den errungenen Werten in Übereinstimmung zu halten.

Moral und Integrität sind eine Haltung, nicht in erster Linie eine Frage der Gelegenheit. Moral und Integrität gebieten es, den Einsatz für die Sicherheit Israels und zugleich für eine friedliche Zukunft des Staates als Verpflichtung anzusehen.

Außenminister Gideon Saar erklärte jüngst in Berlin, Deutschlands Verpflichtung zeige sich darin, dass es Israel die Mittel zur Verfügung stelle, die dem jüdischen Volk im vergangenen Jahrhundert gefehlt hätten. Er sagte das am Holocaust-Mahnmal. Da sprach Saar nicht ausdrücklich von deutschen Waffenlieferungen – aber meinte sie. Nun, Deutschlands Verantwortung besteht allerdings auch darin, seine Haltung zu verteidigen. Es gilt: Krieg ist nicht zwangsläufig die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln.

Deutsche Waffen – nur zum Schutz vor Terroristen?

Der Kanzler hält das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen nicht mehr für eine Strategie, die sich mit dem Kampf gegen Terrorismus begründen lässt. Das ist sein gutes Recht. Wer Waffen liefert, muss ganz sicher sein können, dass sie nicht im Widerspruch zu Recht und Moral eingesetzt werden. Vom Regierungspartner SPD kommen Forderungen, mindestens Exporte von Rüstungsgütern, die im Gaza-Krieg zum Einsatz kommen könnten, auszusetzen.

Werden deutsche Waffen nur dazu verwendet, den Staat Israel vor Terrorismus zu schützen? Diese Prüfung steht an, und bis zu ihrem Ende sollte es ein Moratorium der Lieferungen geben. So etwas wie Ersatzteile für Kampfpanzer und Artilleriemunition. Dauere das auch Monate. Denn die Prüfung wird eine, rechtlich wie moralisch. Die Debatte in der Welt und hierzulande wird angetrieben von Bildern und Berichten über die hungernde Bevölkerung.

Und was ein Gebot der Menschlichkeit ist, ist auch Völkerrecht. In dieser Situation, beispielsweise, den Bau 22 neuer Siedlungen im Westjordanland zu beschließen, ist völkerrechtswidrig. Dürfen Freunde darüber hinwegsehen?

Sie dürfen es natürlich auch nicht im Blick auf die Terroristen der Hamas. Und natürlich schmerzt es, wenn man mit den Wortführern der Schlächter vom 7. Oktober im katarischen Doha verhandeln muss. Aber notwendig ist es. Das gehört zu den Taten, die die Palästinenser in Gaza brauchen. Das muss die rechtsextreme Regierung in Jerusalem verstehen.

Wie sie überhaupt einsehen muss, dass die Zeit folgenloser Erklärungen auf allen Seiten vorbei ist. Bewegt sich Jerusalem nicht auch, wird die Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel das nächste große Thema werden. Wo soll das dann enden? Und wie wird das enden? In keinem Fall gut.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels stand der Satz: „In dieser Situation, beispielsweise, den Bau 22 neuer Siedlungen im Gazastreifen zu beschließen, ist völkerrechtswidrig.“ Gemeint war der Bau neuer Siedlungen im Westjordanland, nicht im Gazastreifen. Wir haben das korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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