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Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (Mitte) besucht die österreichisch-slowenische Grenze.

© dpa

Flüchtlinge auf der Balkanroute: De Maizière verärgert Wien mit Kritik an Kontingenten

Österreich weist die deutsche Kritik an seiner Flüchtlingspolitik zurück und wirft der Bundesregierung vor, sie sende „völlig unterschiedliche Signale“.

Zwischen Berlin und Wien zeichnet sich die erste massive Verstimmung seit Beginn des fast ungehemmten Flüchtlings- und Migrantenstroms über die Balkanroute ab. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte Österreich in klaren Worten öffentlich auf, die bisherige Weiterleitung von der österreichischen Südgrenze nach Deutschland zu reduzieren. „Wenn andere glauben, zusätzlich Lasten auf Deutschland abzuladen, werden wir das auf Dauer nicht hinnehmen“, sagte er Sonntagabend im ARD-„Bericht aus Berlin“.

Die Tageskontingente für jene Flüchtlinge, die in Österreich um Asyl ansuchen, seien eine rein österreichische Entscheidung, aber 3200 nach Deutschland durchzulassen, sei „viel zu viel“. Dies sei „das falsche Signal“, sagte de Maizière. „Wir akzeptieren das nicht und deswegen ist darüber zu reden.“ Dies werde am Donnerstag im Rat der EU-Innenminister geschehen. Diese Äußerung verärgert die Politik in Wien.

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) reagierte am Montag: „Deutschland sendet völlig unterschiedliche Signale,“ Berlin könne nicht den Griechen eine weitere Politik der offenen Grenzen zusichern, aber gleichzeitig von Österreich verlangen, alle, die nach Deutschland wollen, zu stoppen. Es müsse klar gesagt werden: „Das Durchwinken beginnt in Griechenland.“ Grundsätzlich gelte aber, dass Deutschland sich entscheiden müsse: „Den Spagat, Griechenland offene Grenzen zuzusichern und selbst weniger Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, gibt es einfach nicht.“

EU-Kommission wirft Österreich Rechtsbruch vor

Dass Österreich selbst das Tageslimit von 80 Asyl-Anträgen an der Südgrenze aufstocken könnte, schloss Mikl-Leitner aus: „Das ist nicht denkbar.“ Vielmehr werde es notwendig werden, weitere Schritte zu setzen und die jährliche Obergrenze von 37 500 Anträgen „noch einmal zu reduzieren“. Sie gebe de Maizière, den sie als „guten und wichtigen Partner“ bezeichnete, jedenfalls in der Beziehung recht, dass die Außengrenze geschützt werden müsse: „Da muss endlich mehr passieren.“

Nur drei Tage zuvor hatte das deutsche Kanzleramt in Brüssel eine harsche Rüge der EU-Kommission gegen Österreich erwirkt. Brüssel rüffelte die von Österreich am Freitag begonnene Reduzierung der Durchleitung auf maximal 3200 Personen und das innerösterreichische Asylkontingent von 80 pro Tag als Bruch von EU-Recht.

Nach Recherchen des Tagesspiegels hat der mit der Flüchtlingskoordination betraute Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) den Büroleiter und Stabschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, den Deutschen Martin Selmayr, massiv zu dem Brief an die österreichische Regierung gedrängt. Selmayr hat unmittelbar darauf dem für Einwanderung zuständigen EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos den Brief verfassen lassen. Der musste ihn vor dem Absenden Selmayr vorlegen, der die Formulierung sogar noch verschärft haben soll.

Streit um Migranten aus Nordafrika

Der Brief traf kurz vor dem Meeting der Chefs der Europäischen Volksparteien in Brüssel am Rande des EU-Gipfels in Wien ein und führte beim Treffen in Brüssel sofort zu einem Eklat zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem österreichischen Vizekanzler und Parteifreund Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Der wies diese Vorwürfe aus Brüssel beziehungsweise Berlin zurück – offenbar schon ahnend, wo die Quelle lag.

Offiziell reagierte in Wien als erste Innenministerin Mikl-Leitner. Der Brief gehe an die „falsche Adresse“. Wenn Deutschland seit Wochen an seiner Grenze zu Österreich die Einwanderung mit Kontingenten beschränke und hunderte Migranten aus Nordafrika nach Österreich zurückweise, könne, ja müsse das Österreich an seiner Südgrenze auch tun. Auch Kanzler Werner Faymann (SPÖ) zeigte sich am Rande des Brüsseler Gipfels betroffen, versicherte aber, dass Österreich seinen Weg weitergehen werde.

Reinhard Frauscher

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