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Bundeskanzler Olaf Scholz (M) bespricht sich nach dem Messerangriff von Aschaffenburg mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (2.v.r) und Vertretern der Sicherheitsbehörden, Jürgen Peters (l), Vizepräsident BKA,  Hans Georg Engelke (2.v.l), Staatssekretär im BMI.

© dpa/Jesco Denzel

Update

Debatte nach Messerattacke in Aschaffenburg: Scholz beordert Chefs der Sicherheitsbehörden zu sich – „Ich bin es leid“

Der Kanzler spricht von einer „unfassbaren Terror-Tat“ in Aschaffenburg und beruft ein Krisentreffen ein. Zugleich sagt er: „Es reicht nicht zu reden.“ Lindner sprach von einem „veritablen Staatsversagen“.

Stand:

Nach der Gewalttat von Aschaffenburg hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Chefs des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei ins Kanzleramt beordert. „Nach der furchtbaren Tat in Aschaffenburg habe ich mich heute Abend direkt nach meiner Rückkehr aus Paris mit den Chefs der Sicherheitsbehörden und Bundesinnenministerin Nancy Faeser getroffen“, schrieb Scholz auf X.

„Wir werden diesen Fall schnell aufklären und die nötigen Konsequenzen ziehen. Jetzt“, schrieb Scholz weiter. Der Kanzler war kurz vor 19.00 Uhr von einer Paris-Reise nach Berlin zurückgekehrt.

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Verdächtig ist ein 28-jähriger Mann mit afghanischer Staatsangehörigkeit, der festgenommen wurde. Er soll zwei Menschen mit einem Küchenmesser getötet haben – einen zweijährigen Jungen und einen 41-jährigen Mann. Zudem wurden drei Menschen schwer verletzt, darunter ein zwei Jahre altes Mädchen.

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Der Kanzler hatte unmittelbar nach Bekanntwerden der Tat Aufklärung von den Behörden gefordert, warum der Täter noch in Deutschland war. „Ich bin es leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen“, sagte er.

Er sprach von einer „unfassbaren Terror-Tat“ und drückte Opfern und Angehörigen sein Mitgefühl aus. „Aus den gewonnenen Erkenntnissen müssen sofort Konsequenzen folgen – es reicht nicht zu reden.“

Lindner fordert Zäsur

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat nach dem Messerangriff eine Zäsur in der deutschen Einwanderungspolitik gefordert. „Wir haben ein veritables Staatsversagen in Deutschland, denn Aschaffenburg ist kein Einzelfall. Es gibt so ein Muster aus Herkunft, Auffälligkeit, Ausreiseverpflichtung“, sagte Lindner in einem Video auf Instagram.

Im Falle einer erneuten Regierungsbeteiligung werde seine Partei auch eine andere Einwanderungs- und Migrationspolitik zur Bedingung machen: „Ich bin für ein weltoffenes und tolerantes Deutschland, und wir brauchen auch qualifizierte Einwanderung. Aber das muss alles zu unseren Regeln stattfinden und darf nicht zulasten unserer Sicherheit gehen“, sagte Lindner.

Er warf Grünen und SPD vor, dass sie noch der Idee von Familiennachzug und Aufnahmeprogrammen und von mit deutschem Steuergeld finanzierter Hilfe für die Seenotrettung anhingen. Dabei brauche es Drittstaatenregeln bei den Asylverfahren, damit dort das Verfahren stattfinden könne, und mehr sichere Herkunftsländer für schnellere Rückführung und Abschiebung.

Direkt an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gerichtet fragte er: Und warum ist eigentlich gerade eine österreichische Delegation in Kabul und keine Deutsche? Die Österreicher sprächen mit der Regierung in Kabul über die Rücknahme von deren Staatsangehörigen. Lindner forderte: „Das muss bei uns auch passieren. Und übrigens sehr bald auch mit Blick auf Syrien.“

Grüne und SPD zeigen sich erschüttert

17.01.2025

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich ebenfalls „zutiefst erschüttert“ über die „furchtbare Gewalttat“. Sie sprach den Hinterbliebenen ihr „tiefes Mitgefühl“ aus.

Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einem „fürchterlichen Mordanschlag“. Er sei „in Gedanken bei den Angehörigen“, sagte Habeck beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Er wünschte den Betroffenen und ihren Familien „alle Kraft der Welt“.

Zudem fordert der Vizekanzler mit Blick auf Behörden eine konsequente und „selbstkritische“ Aufklärung. Es gehe darum zu lernen, wie solche fürchterlichen Straftaten in Zukunft verhindert werden könnten, sagte er. „Selbstkritisch heißt, dass jetzt bitte nicht jeder gleich sagt, also eins weiß ich schon: Wir haben alles richtig gemacht. Denn irgendwas kann ja nicht richtig gewesen sein.“

Es habe vielleicht auch ein Zusammenspiel von Fehlern, die gemacht wurden, gegeben. Das gelte für Bundesbehörden und bayerische Behörden. „Dieser Täter hätte ja entweder abgeschoben werden müssen oder zumindest kontrolliert, vielleicht in Gewahrsam gebracht werden müssen. Da sind Fehler passiert“, sagte der Grünen-Kanzlerkandidat. Es müsse kompromisslos Ursachenforschung betrieben werden, dann müssten schonungslos die politischen Konsequenzen gezogen werden.

Herrmann gibt Bamf die Schuld

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) machte indes klar das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das dem Bundesinnenministerium unterstellt ist, verantwortlich. Er war der Behörde Versagen vor. Dies habe eine mögliche Abschiebung des 28-jährigen tatverdächtigen Afghanen nach Bulgarien verhindert, sagte Herrmann am Donnerstag in München. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wies die Kritik zurück.

Der Tatverdächtige hätte laut Herrmann schon im Sommer 2023 abgeschoben werden können. Die am 19. Juni 2023 im Dublin-Verfahren angeordnete Abschiebung nach Bulgarien sei den für diese Abschiebung zuständigen bayerischen Behörden aber um Wochen verspätet mitgeteilt worden. Damit sei die Frist, innerhalb derer die Abschiebung hätte vollzogen werden müssen, so weit fortgeschritten gewesen, dass eine Abschiebung nicht mehr möglich gewesen sei.

Im Anschluss an die im Sommer 2023 gescheiterte Abschiebemöglichkeit nach Bulgarien sei vom Bamf bis zum vergangenen Dezember keine Entscheidung zum Asylantrag des Manns getroffen worden. „Die Verantwortung dafür liegt allein beim Bamf“, sagte Herrmann. Zu Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Behörden müssten mit Hochdruck aufklären, warum der Attentäter noch in Deutschland war, sagte Herrmann, der Bundeskanzler könne sich „hier voll mit den eigenen Behörden beschäftigen“.

Faeser findet Reaktion aus Bayern „befremdlich“

Faeser sagte in Berlin, die bayerischen Behörden müssten „erklären, warum der Täter trotz mehrfacher Gewaltdelikte noch auf freiem Fuß war“. Offenbar seien in Bayern auch einige Dinge schiefgelaufen, daher finde sie die Reaktion von dort „befremdlich“.

„Die weitere Aufklärung muss jetzt schnell zeigen, warum dieser Täter noch in Deutschland war und wie mit ihm trotz seiner vorherigen Gewalttaten durch die Polizei und Justiz vor Ort umgegangen wurde“, sagte die Bundesinnenministerin weiter. Sie erwarte, dass Abschiebungen, für welche die Länder zuständig seien, auch tatsächlich funktionierten.

Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) äußerte sich bei der Kranzniederlegung am Tatort am Donnerstag tief bewegt. „Ich fühle, als wäre mein eigenes Kind gestorben - oder mein Bruder gestorben oder verletzt worden“, sagte der Rathauschef am Tatort. „Das ist, glaube ich, bei vielen anderen auch so.“

Er habe als langjähriger Feuerwehrmann viele schlimme Dinge gesehen und erlebt, sagte Herzing. „Aber ich kann mich nicht entsinnen, dass mich eine Tat so berührt hat und ich so aufgewühlt bin wie sicherlich viele andere auch.“

Zugleich warnte Herzing vor Hass und Hetze. „Wir können und dürfen die Tat eines Einzelnen niemals einer ganzen Bevölkerungsgruppe anrechnen“, sagte er am Donnerstag bei einer Kranzniederlegung am Tatort im Schöntal-Park: „Die furchtbare Tat eines Einzeltäters darf keine Spirale der Gewalt und des Hasses in Gang setzen.“

FDP fordert Sonderkonferenz der Innenminister

FDP-Fraktionschef Christian Dürr will nach dem Messerangriff schnellstmöglich ein Treffen der Innenminister von Bund und Ländern. „Die Politik muss darauf reagieren. Die Innenminister von Bund und Ländern müssen so schnell wie möglich zu einer Sonderkonferenz zusammenkommen“, sagte Dürr dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion

© dpa/Christoph Soeder

Es müsse sichergestellt werden, dass potenzielle Gewalttäter und psychologisch auffällige Personen wie der Täter aus Aschaffenburg identifiziert und abgeschoben werden.

Es kann nicht sein, dass jemand einfach vom Radar verschwindet.

Christian Dürr, FDP-Fraktionschef

„Wir haben aus einer Reihe furchtbarer Ereignisse gelernt, dass diejenigen, die schon auffällig geworden sind, eine Gefahr darstellen“, sagte Dürr. Wenn jemand ausreisepflichtig ist oder die Ausreise selbst angekündigt hat, müsse diese Ausreise schnell vollzogen werden. „Es kann nicht sein, dass jemand einfach vom Radar verschwindet“, sagte Dürr.

Die FDP forderte den Kanzler außerdem zu einer Regierungserklärung wegen der Gewalttat auf. Darüber hinaus beantragten die Liberalen mit einem Schreiben an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, für Mittwoch in der kommenden Woche eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Öffentliche Sicherheit stärken - irreguläre Migration beenden“ anzusetzen. Beide Schreiben lagen der Deutschen Presse-Agentur vor.

Friedrich Merz (CDU)

© imago/Eibner/IMAGO/Eibner-Pressefoto/Florian Wiegand

CDU-Chef Friedrich Merz hat nach der Gewalttat von Aschaffenburg „politische klare Antworten“ gefordert. „Wir werden darüber sprechen müssen, sobald die Umstände dieser schrecklichen Tat aufgeklärt sind“, sagte der Kanzlerkandidat der Union beim Jahresempfang der Wirtschaft in Mainz. Offensichtlich handele es sich bei dem Täter um einen ausreisepflichtigen Afghanen, sagte Merz und drückte den betroffenen Familien sein Mitgefühl aus.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zeigt sich tief betroffen und hat klare Forderungen parat. „Die schrecklichen Nachrichten aus Aschaffenburg machen uns zutiefst betroffen. Wir trauern um die Opfer einer feigen und niederträchtigen Tat“, teilte der CSU-Chef mit. „Wir trauern um ein kleines, unschuldiges Kind, das tödlich verletzt wurde. Wir trauern um einen Helfer, der seine Zivilcourage mit dem eigenen Leben bezahlt hat.“

Söder will schärferen Umgang mit psychisch kranken Kriminellen

Söder will das Gesetz „härten“, indem der Freistaat unter anderem die Unterbringung psychisch Kranker regelt. „Wir werden das Thema Psychiatrie, das PsychKHG, noch einmal für uns überprüfen und es härten“, sagte der CSU-Politiker in München. „Fakt ist, es muss an der Stelle deutlich konsequenter gehandelt und die Rechtsvorgaben verschärft werden.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU)

© imago/Revierfoto/imago/Revierfoto

Im Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) ist unter anderem geregelt, unter welchen Bedingungen Menschen mit psychischen Erkrankungen in Fachkliniken untergebracht werden können, wenn sie das Allgemeinwohl gefährden. Demnach darf eine solche Unterbringung nur angeordnet werden, wenn weniger einschneidende Mittel nicht gegen die Gefahr helfen - „insbesondere auch nicht durch die Hinzuziehung eines Krisendienstes und durch Hinzuziehung der oder des gesetzlichen Vertreters“.

Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte der mutmaßliche Angreifer von Aschaffenburg eine gesetzliche Betreuerin - nachdem er wegen mehrerer Gewalttaten auffällig geworden und mindestens dreimal in eine Fachklinik eingewiesen, dann aber wieder entlassen worden war. Er wurde wegen einer psychischen Erkrankung auch mit Medikamenten behandelt.

Herrmann deutete an, dass es bei einer Verschärfung der Regeln in dem Bereich auch um die Möglichkeit zur Abschiebung direkt aus der Unterbringung gehen könnte: „Bei Ausländern müssen wir aber natürlich dazu kommen, dass im Regelfall, wenn solche Situationen entstehen, dann unmittelbar jemand auch aus der Unterbringung gegebenenfalls ins Ausland abgeschoben werden kann.“

Diese Ankündigung aus Bayern, nach der Messerattacke in Aschaffenburg ein konsequenteres Vorgehen gegen psychisch kranke Gewalttäter zu prüfen, begrüßte Bundesinnenministerin Faeser. „Dieser Fall zeigt leider erneut, dass es bitter nötig ist“, sagte sie am Donnerstag in Berlin. Zuständig seien die Landesbehörden und die Justiz. (dpa/AFP/epd)

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