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Fragen an den Chefdiplomaten: Außenminister Heiko Maas am Dienstag vor Beginn der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Außenminister und die SPD: Heiko Maas erntet mit seinem Russland-Kurs Widerspruch in der SPD

Der Außenminister wählt einen härteren Ton gegen Moskau und verteidigt die alliierten Luftschläge gegen Syrien. Manche in der SPD finden das falsch.

Von Hans Monath

Als Justizminister hat Heiko Maas schon Erfahrung gesammelt, wie man als sozialdemokratisches Regierungsmitglied eine neue Linie gegen heftige Widerstände aus der eigenen Partei durchsetzt – damals ging es um die Vorratsdatenspeicherung. Nun provoziert der neue Außenminister mit seinem härteren Kurs gegen Russland Unmut und offenen Widerspruch in der SPD. Seine Verteidigung der amerikanischen, französischen und britischen Luftschläge gegen Syrien am Wochenende als "angemessenes und notwendiges Signal" hat den außenpolitischen Konflikt mit den Parteifreunden noch zugespitzt.

Am Dienstag musste sich Maas vor der SPD-Bundestagsfraktion rechtfertigen. In der Fraktionssitzung kritisierten die Abgeordneten René Röspel und Nina Scheer die Rückendeckung des Ministers für die Luftangriffe, wie Teilnehmer berichten. Ernst Dieter Rossmann stellte kritische Fragen zum Umgang Deutschlands mit dem UN-Sicherheitsrat. Die Kritiker verwiesen unter anderem darauf, dass die Alliierten keinen unabhängigen Bericht zum Giftgaseinsatz in Syrien abgewartet und ohne Sicherheitsratsmandat losgeschlagen hätten.

Hinter verschlossenen Türen verteidigte der Außenminister seine Unterstützung demnach auch mit dem Versuch, deutsche Einflussmöglichkeiten zu erhalten. Ohne die verbale Rückendeckung für die Militäraktion hätte sich Deutschland von wichtigen Verhandlungstischen verabschieden müssen und der Chance beraubt, das Handeln der Verbündeten zu beeinflussen, argumentierte er. Im Sicherheitsrat, für den sich Deutschland als nicht-ständiges Mitglied bewirbt, wolle er genuin sozialdemokratische Themen voranbringen, etwa auf den Zusammenhang von Klimawandel und Sicherheit hinweisen.

Abschied vom Mythos Ostpolitik

Maas hatte die Angriffe nicht nur verteidigt, sondern sich zugleich für neue diplomatische Bemühungen zur Lösung der Syrien-Krise unter Einschluss Russlands ausgesprochen. Für seine Linie warben in der Sitzung der Thüringer Christoph Matschie und der Baden-Württemberger Nils Schmid, der neuer außenpolitischer Sprecher der Fraktion ist. Auch soll der Beifall für den Außenminister ordentlich gewesen sein.

Doch die Skepsis in der Partei gegen die neue harte Linie im Umgang mit Russland ist groß – gerade an der Basis. Dort fallen Sätze wie "Mit Sigmar wär’ das nicht passiert", wie Abgeordnete aus Versammlungen in ihrem Wahlkreis berichten. Gemeint ist Maas’ Vorgänger Sigmar Gabriel, der anders als Maas zur Russlandpolitik Washingtons und Londons Distanz hielt und Versöhnungssignale nach Moskau sandte, indem er etwa empfahl, EU-Sanktionen gegen Russland aufzuweichen – freilich als "Privatmann".

In den neuen Ländern ist die Skepsis gegen Maas’ neue Linie besonders ausgeprägt. Die Debatte in der Fraktion sei gut gewesen, aber sie halte die Luftschläge weiter für problematisch, sagte die Generalsekretärin der Sachsen-SPD und Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe dem Tagesspiegel: "Man macht nichts besser, wenn man ohne geprüfte Beweise einen solchen Luftschlag ausführt." Sie glaube, "dass diese Position mehrheitlich gerade in Ostdeutschland geteilt wird".

Auch Maas Vor-Vorgänger Frank-Walter Steinmeier hatte sich wie Gabriel im Verhältnis zu Russland gern in die Tradition der Ostpolitik von Willy Brandt gestellt. Sie gehört zu den großen Parteimythen der SPD, die Berufung auf sie garantiert Beifallstürme auf Parteitagen. Dabei weisen viele Außenpolitiker der SPD darauf hin, dass die Sowjetunion der 70er Jahre ein weit verlässlicherer und weniger aggressiver Partner war als es das Russland der Gegenwart ist.

Deshalb wurde auch im Auswärtigen Amt aufmerksam registriert, dass Bundespräsident Steinmeier sich am Wochenende besorgt über das Verhältnis des Westens zu Russland äußerte – und das in einer Weise, die wie ein kritischer Kommentar zur Linie von Maas klang: "Ganz unabhängig von Putin – wir dürfen nicht Russland insgesamt, das Land und seine Menschen, zum Feind erklären." Zwar sei der Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal besorgniserregend. "Aber mindestens ebenso muss uns die galoppierende Entfremdung zwischen Russland und dem Westen besorgen, deren Folgen weit über diesen Fall hinausgehen."

Mit Fraktionschefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz ist die neue Härte gegen Russland abgestimmt, auch wenn das nicht immer herauszuhören ist. Wenige Tage vor dem Wahlparteitag am Sonntag sprach Nahles am Dienstag vor der Presse von neuen diplomatischen Initiativen, die nun notwendig seien, und dankte Maas für seine Arbeit. Auf Fragen, ob sie die Angriffe wie der Außenminister für notwendig und angemessen halte, sagte sie nur: "Ich habe das nicht zu kritisieren." Der Parteitag wird zum Thema Syrien voraussichtlich einen Antrag verabschieden – ohne den Außenminister, der dann auf Auslandsreise ist.

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