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Der schwarz-rote Schutzschirm für Jens Spahn: Das dicke Ende bei den Maskendeals kommt noch
In der Corona-Pandemie hat Ex-Gesundheitsminister Spahn Masken viel zu teuer gekauft. Der Schaden für den Steuerzahler ist zweieinhalb Mal so groß wie bei Scheuers Mautdebakel.

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An Jens Spahn kommt man schlecht vorbei. Ex-Kanzlerin Merkel war kein Fan, Neu-Kanzler Merz genauso wenig – die eine musste ihn trotzdem ins Kabinett holen, der andere jüngst zum Fraktionschef ernennen und damit zum Kanzlerherausforderer in spe. Spahn weiß, welche Karten zu legen sind, um aufzusteigen – und wie man verhindert, dass daraus ein Kartenhaus wird, das in sich zusammenfällt. Gerade ist diese Fähigkeit beim Münsterländer Karrierepolitiker wieder gefragt. Und Spahn scheint erneut auf bestem Wege, Erfolg damit zu haben.
Fünf Jahre liegt Spahns verunglückte Beschaffung von Corona-Schutzmasken zurück, das sogenannte Open-House-Verfahren. Und schon seit Sommer 2020 sieht sich Spahn Vorwürfen ausgesetzt, in einem völlig unzureichend vorbereiteten Wir-nehmen-alles-Kaufrausch Abermillionen überteuerte Masken erworben zu haben, die zum allergrößten Teil nie gebraucht wurden.
In der Ampel-Koalition drängten dann vor allem Grüne und FDP auf eine Aufklärung der Beschaffung, erst spät kam Ex-Minister Karl Lauterbach an Bord, dafür mit umso größerer Geste. Als im Sommer letzten Jahres ruchbar wurde, dass Spahn auf Kosten der Steuerzahler einen Schaden in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro verursacht haben dürfte, setzte sein SPD-Nachfolger eine Sonderermittlerin ein: die als äußerst gründlich bekannte Verwaltungsjuristin Margaretha Sudhof, zuvor Staatssekretärin in Justiz- und Verteidigungsministerium, mit SPD-Parteibuch.
Sudhof sollte bis Januar dieses Jahres dem Haushaltsausschuss des Bundestags einen Bericht zum Open-House-Verfahren des Ministeriums vorlegen. Die Frist verstrich, Sudhofs Vertrag wurde verlängert, bis April war sie für das BMG tätig – doch Lauterbach dachte gar nicht daran, die mittlerweile offenbar vorliegenden Untersuchung dem Parlament zuzuleiten.
Dass ein Bericht vorliegt, ist mittlerweile sicher, die Frankfurter Allgemeine zitierte nämlich gerade Teile daraus. Mit der Kernbotschaft, dass Spahn wohl – trotz gegenteiliger Empfehlungen seiner eigenen Fachleute im Ministerium – auf einen nicht nachvollziehbaren Masken-Preis insistierte, der Schaden für den Steuerzahler sich auf rund 623 Millionen Euro belaufen könnte, also noch höher ist als zuvor befürchtet. Und zweieinhalbmal so teuer wie das Mautdebakel von Andreas Scheuer.
Am Freitag berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ zudem, dass Spahn laut dem weiter nicht öffentlichem Bericht auch einen fragwürdigen Direktauftrag an das Logistikunternehmen Fiege aus seiner münsterländischen Heimat vergeben haben soll, obwohl eigentlich das Innenministerium zuständig war. Da Fiege mit dem Auftrag wohl überfordert war, könnte sich auch diese Entscheidung als teuer für den Steuerzahler erweisen.
Beißhemmung bei Lauterbach
Die zurückliegende Beißhemmung des Ministers Lauterbachs bei der Aufklärung hatte mehrere Gründe. Unter anderem sicher seine eigene Rolle zu Beginn der Pandemie, in der er nicht durch Zurückhaltung auffiel, was das Einleiten von Schutzmaßnahmen betraf. Zum anderen stieß Lauterbach wohl auf Widerstand im eigenen Ministerium, wo einige Beteiligte dem Vernehmen nach wenig Elan zeigten, in den eigenen Versäumnissen der Vergangenheit zu wühlen. Dass Lauterbach dann aber selbst im Endspurt des Bundestagswahlkampfs darauf verzichtete, den Bericht zu nutzen, um der Union eins einzuschenken, nahm ihm wohl auch mancher Sozialdemokrat krumm.
Andererseits: Spahns Beschaffungsdebakel geschah nun mal in einer großen Koalition, also unter Beteiligung der SPD. Ein Bündnis, das nun dafür Sorge zu tragen hätte, den Fall aufzuarbeiten. Vom CDU-geführten Gesundheitsministerium hat Spahn schonmal nicht allzu viel zu befürchten. Man setzt dort offenbar auf eine eigene Interpretation von Sudhofs Rolle: Deren Sonderbericht soll nicht veröffentlicht werden, sondern nur Grundlage sein für eine noch vorzunehmende Ministeriums-Untersuchung. Betreutes Aufarbeiten also.
Kanzlerkandidat in spe
Hoffnung auf eine Veröffentlichung des Sudhof-Berichts durchs Ministerium gibt es damit kaum noch. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bräuchten die Grünen die Unterstützung der SPD: In der Honeymoon-Phase der schwarz-roten Neuauflage kann sich Spahn aber erst einmal auf den koalitionären Schutzschirm verlassen.
Spätestens in der Mitte der Legislaturperiode dürfte das schon anders aussehen, die Lust der SPD steigen, den potenziellen Kanzlerkandidaten Spahn Probleme zu bereiten. Ob sich dann noch jemand für die Ergebnisse interessiert, ist fraglich. Denn wie bei Pandemiemaßnahmen gilt auch bei parlamentarischer Aufklärung: zu lange sollte man damit nicht warten.
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