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Mehr als 20.000 Corona-Neuinfektionen: Deutschland hat laut Spahn „bittere Medizin“ zu schlucken
Den vierten Tag in Folge hat das RKI über 100 Todesfälle gemeldet. Eine Situation wie in Frankreich gelte es nun zu verhindern, betont der Gesundheitsminister.
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In Deutschland sind erstmals mehr als 20.000 neue Infektionen mit dem Coronavirus innerhalb eines einzigen Tages registriert worden. Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 21.506 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg bis Freitag um 166 auf insgesamt 11.096. Das war der höchste Anstieg seit Anfang Mai. Schon in den vergangenen drei Tagen hatte die Zahl deutlich über 100 gelegen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat angesichts der steigenden Zahlen die bundesweiten Einschränkungen im November gerechtfertigt. Dies sei erneut „eine bittere Medizin“, sagte der CDU-Politiker am Freitag im Bundestag.
Sie bringe Härten und Verzicht für Hunderttausende Bürger. Wie in der ersten Phase der Pandemie im Frühjahr gelte es nun aber wieder, die Kurve abzuflachen und das Gesundheitssystem zu schützen. Wenn die Intensivstationen überfüllt seien, sei es zu spät. Spahn betonte, das Krisenmanagement orientiere sich nicht nur an den Infektionszahlen.
Ziel der Anstrengungen von Bund und Ländern sei, eine Corona-Situation wie in Frankreich zu vermeiden. Weitere Verdoppelungen der Infektionszahlen würden das Gesundheitssystem auch hierzulande überfordern. „Es braucht eine nationale Kraftanstrengung.“
Spahn: „Wir sind dem Virus nicht machtlos ausgeliefert“
Spahn kündigte an, dafür sorgen zu wollen, dass kein Krankenhaus Nachteile durch die Corona-Pandemie habe. Er wolle kommende Woche entsprechende Vorschläge vorlegen, kündigt er im Bundestag an. Hintergrund ist eine Diskussion über Zusatzzahlungen, wenn Krankenhäuser wegen der steigenden Zahl der Corona-Intensivpatienten wieder mehr Betten freihalten und Operationen absagen. Spahn zufolge ist dann auch Geld aus dem Bundeshaushalt nötig.
Anlass der Bundestagsdebatte war die Einbringung der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes. „Wir sind dem Virus nicht machtlos ausgeliefert“, sagte Minister Spahn, aus dessen Haus die Vorlage stammt. Das überarbeitete Gesetz solle eine "rechtliche Klarstellung" sicherstellen, damit die von den Ländern verhängten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie künftig besser vor den Gerichten Bestand haben.
Angesichts des exponentiellen Wachstums der Infektionszahlen sei es „wichtig, dass wir schnell reagieren können - deswegen dieser Gesetzentwurf", sagte Spahn.
Das Gesetz benennt eine Reihe konkreter möglicher Schutzmaßnahmen wie etwa Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht oder die Schließung von Restaurants, die beim Erreichen bestimmter Schwellenwerte verhängt werden sollen. Neu geregelt wird in dem Gesetz auch der Anspruch auf Verdienstausfall bei Quarantäne. Künftig soll dieser ausgeschlossen sein, wenn der Quarantäne eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet zugrunde liegt.
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Eine deutliche Trendumkehr ist trotz Lockdown in Deutschland bisher nicht zu sehen. Bisher sei eine weitere Zunahme der Übertragungen in der Bevölkerung zu beobachten, hieß es im Lagebericht des RKI vom Donnerstagabend. In zahlreichen Landkreisen komme es zu einer zunehmend diffusen Ausbreitung von Sars-CoV-2-Infektionen in der Bevölkerung, ohne dass die Infektionsketten eindeutig nachvollziehbar seien.
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Selbst wenn die Zahl der Neuinfektionen demnächst stagnieren sollte, ist zunächst weiter mit hohen Werten bei den Todesfällen zu rechnen. Etwa zehn Tage dauert es nach Expertenangaben im Schnitt, bis Patienten mit Symptomen auf die Intensivstation verlegt werden müssen. Beatmete Patienten bleiben dort meist mehrere Wochen, Todesfälle treten erst im Verlauf auf. Die Zahl der Neuinfektionen wirkt sich darum erst verzögert auf die Zahl der Todesfälle aus.
Anlass zu leiser Hoffnung gibt derzeit die Reproduktionszahl, kurz R-Wert. Das sogenannte Sieben-Tage-R lag laut RKI-Lagebericht vom Donnerstagabend bei 0,93 (Vortag: 0,92). Das heißt, dass zehn Infizierte im Mittel etwa neun weitere Menschen ansteckten. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.
Am kommenden Montag tagt das sogenannte Corona-Kabinett zu den aktuellen Infektionszahlen und zur Impfstrategie. Das sagt Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag. Die Gesundheitsämter seien an vielen Stellen überfordert. Es sei daher das Ziel, mit dem Teil-Shutdown im November die Infektionszahlen zu stabilisieren und dann auch deutlich zu senken. Die Gesundheitsämter müssten die Infektionsketten wieder nachvollziehen können. (dpa/Reuters/AFP)
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