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Wolfgang Mückstein ist der zweite Gesundheitsminister seit Beginn der Corona-Pandemie, der wegen Überlastung das Handtuch warf.

© Hans Punz/APA/dpa

Österreichs Weg aus der Pandemie: Die Corona-Maßnahmen fallen, der Gesundheitsminister gibt auf

Trotz hoher Zahlen hebt die Regierung ab Samstag fast alle Regeln auf. Zuvor trat Gesundheitsminister Mückstein zurück – politisch zermürbt, persönlich bedroht.

Es sind dreizehn Paragraphen, die das Alltagsleben der Menschen in Österreich ab dem Wochenende maßgeblich verändern werden. Wer Lokale oder Veranstaltungen besuchen will, muss ab Samstag weder genesen noch geimpft oder getestet sein. Ausgenommen sind Pflegeheime und Krankenhäuser, dort gilt weiterhin die 3G-Regel. Clubs und Nachtlokale dürfen wieder öffnen, die coronabedingte Sperrstunde fällt ebenfalls. Sie lag bis vor kurzem bei 22 Uhr, zuletzt trat sie um Mitternacht in Kraft. Die Maskenpflicht bleibt an bestimmten Orten wie in Supermärkten, Apotheken, Banken, Tankstellen und in öffentlichen Verkehrsmitteln bestehen.

Unterzeichnet wurde die etwas sperrig klingende „Covid-19-Basisverordnung“ noch von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), der am Donnerstagnachmittag seinen Rückzug verkündete. Dass der 47-jährige Arzt und politische Quereinsteiger manche Öffnungsschritte für verfrüht hält, war ihm öfters anzumerken. Sichtlich schwer tat er sich zuletzt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, als er die aktuellen Lockerungen verteidigen musste.

Denn die Infektionszahlen sind in Österreich nach wie vor hoch. Am Mittwoch meldeten Innen- und Gesundheitsministerium fast 40.000 Neuinfektionen – das ist der zweithöchste Wert seit Ausbruch der Pandemie. Die Regierung sprach dennoch jüngst von einer beherrschbaren Lage in den Krankenhäusern und begründete damit die Rücknahme der Corona-Regeln. Anders sieht es der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und hält in seinem Bundesland trotz der bundesweiten Öffnungen an der 2G-Regel in der Gastronomie fest.

Minister unter Polizeischutz

Seinen Rücktritt begründete der nun ehemalige Gesundheitsminister Mückstein am Donnerstag jedenfalls nicht mit Interessenskonflikten, sondern mit persönlicher Belastung sowie Anfeindungen und Bedrohungen gegen sich und seine Familie. Wenn man das Haus nur noch unter Polizeischutz verlassen könne, halte man das nicht lange aus, so der 47-jährige Vater von zwei Töchtern. Er könne nicht mehr täglich 100 Prozent leisten. „Damit werde ich meinen Ansprüchen nicht mehr gerecht.“

Ab dem 5. März fallen in Österreich sämtliche Corona-Maßnahmen, die Maskenpflicht bleibt aber weiter bestehen.
Ab dem 5. März fallen in Österreich sämtliche Corona-Maßnahmen, die Maskenpflicht bleibt aber weiter bestehen.

© ALEX HALADA/AFP

Mückstein ist der zweite Minister, der seit Ausbruch der Pandemie sein Amt aufgibt. Elf Monate zuvor hat er es von seinem grünen Parteikollegen Rudolf Anschober übernommen. Der erfahrene Landespolitiker gab im April 2021 gesundheitliche Gründe für seinen Rücktritt an, machte bei seiner Abschiedsrede aber kein Geheimnis daraus, dass ihm die parteipolitischen Spannungen mit dem konservativen Koalitionspartner ÖVP zugesetzt haben. Besonders in der dritten Welle der Pandemie hätten diese stark zugenommen. „Ich habe mich da oft sehr alleine gefühlt“, ließ Anschober wissen.

Mitten in der Pandemie mussten die österreichischen Grünen also einen Nachfolger finden und einigten sich auf den niedergelassenen Arzt Wolfgang Mückstein. Ein Praktiker, aber kein Political Animal, wie sich in den vergangenen Monaten zeigte.

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Der Wiener, der bis vor seinem Wechsel in die Spitzenpolitik eine Gemeinschaftspraxis im 6. Bezirk der Stadt betrieb, stand alleine wegen der Wichtigkeit seines Ressorts von Beginn an unter Dauerbeobachtung. Wobei sich die österreichische Presse zunächst für sein legeres Auftreten interessierte. Dass er bei seiner Angelobung Sneakers trug, führte zu Aufregung in den Redaktionen. „Geziemt sich das?“, wurde etwa in einem Pro- und Contra-Artikel gefragt. Andere wiederum erinnerten sich daran, dass es im großen Nachbarland mit Joschka Fischer auch einen Grünen-Minister gab, der einst in weißen Turnschuhen seinen Amtseid abgelegt hat.

Angekommen in der Bundespolitik war Mückstein zudem mit dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) konfrontiert, der einen Kurswechsel in der Pandemie beschloss und den Österreicher:innen Pfingsten 2021 Lockerungen und möglichen Urlaub versprach. Der Gesundheitsminister schien sich davon überrumpelt zu fühlten, konterte und schrieb via Twitter von „Luftschlössern“. Wenig später wurde gelockert.

Fällt die Impfpflicht?

Zusätzlich hatte Mückstein mit kleineren und größeren Pannen in der Kommunikation zu kämpfen. Genauso wie mit der niedrigen Impfquote in Österreich, die knapp über 70 Prozent liegt (vollständig Geimpfte). Überhaupt führte das Thema Impfpflicht zu Kontroversen in Österreich.

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Der Verlauf des Projekts ist nach wie vor unklar: Das Gesetz wurde beschlossen, danach eine Kommission aus Jurist:innen und Ärzt:innen eingerichtet, die bewerten soll, ob nur bestimmte Berufsgruppen die Impfungen bekommen sollen und wann sie starten. Nicht ausgeschlossen, dass dies gar nicht passiert. Der aktuelle Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will zwar daran festhalten, bezeichnete sie im Interview mit der „Kronen Zeitung“ gleichzeitig als „Werkzeugkoffer“, den man einsetze, wenn es notwendig sei. Die Impfpflicht könne auch „Geschichte sein“, wenn die Kommission sie als nicht notwendig erachte. Ein erster Bericht wird bis 8. März erwartet.

Beschäftigen wird sich damit künftig Johannes Rauch, grüner Landesrat aus Vorarlberg. Er soll den Posten von Wolfgang Mückstein übernehmen – der dritte Gesundheitsminister, der demnächst angelobt wird.

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