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Annalena Baerbock und Robert Habeck. Die Politik der Grünen hat Wladimir Putin genützt.

© Ina Fassbender/AFP

Erst kommt die Reue, dann das Vergeben: Die Grünen sind mitverantwortlich für die Energiekrise

Der Atomausstieg vergrößerte den Bedarf an russischen Erdgas-Importen. Es ist Zeit, dass auch die Grünen ihre Vergangenheit aufarbeiten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

In der Not müssen alle den Gürtel enger schnallen. Das hört man jetzt oft. Energie soll eingespart, die Duschzeit verringert, im Winter der Kälte mit Schals und Pullovern getrotzt werden. Deutschland will sich unabhängig machen von russischem Erdgas.

Kein Tag vergeht, an dem nicht der Ernst der Lage und die Dringlichkeit des Verzichts beschworen werden. Recht so. Der „Economist“ hat das, was in einigen Monaten auf Europa zukommt, eine „gastastrophe“ genannt.

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Robert Habeck, der Bundeswirtschaftsminister, ist ein Meister der mit Sorgenmiene vorgetragenen Appelle. Allerdings wäre es leichter, ihm zu folgen, wenn die Grünen etwas offener und demütiger mit ihrem Anteil an der Misere umgehen würden. Vergangenheitsbewältigung: Das ist ein großes Wort, das nicht überstrapaziert werden darf. Doch Einsicht ist nun mal der erste Weg zur Besserung, und vor dem Vergeben steht die Reue.

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Der Markenkern der Grünen ist die Energiepolitik. Im Kampf gegen die Atomkraft sind sie groß geworden. In der rot-grünen Koalition setzten sie den Atomausstieg durch, der von der schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel zwar zunächst kassiert, dann aber, nach dem Reaktorunfall von Fukushima im März 2011, radikalisiert wurde.

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Für das entsprechende Gesetz stimmten Union, FDP, SPD und Grüne. Bei der Debatte im Bundestag wetteiferten die Parteien vor allem darum, wer am überzeugendsten pro Ausstieg argumentierte. Die Worte „Russland“ und „Putin“ fielen kein einziges Mal.

Putin lachte sich in die geballte Faust

Dabei war zweierlei schon damals klar. Erstens konnte sich niemand Illusionen über Wladimir Putin machen. Drei Jahre zuvor hatte er seine Truppen in Georgien einmarschieren lassen. Er regierte autoritär, autokratisch und neo-hegemonial. Er ließ Journalisten ermorden, unterdrückte die Opposition.

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Zweitens vergrößerte der deutsche Atomausstieg den Bedarf an russischen Erdgas-Importen. Sie galten als sauber, im Gegensatz zur klimaschädlichen Kohle, zumal der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht schnell genug voranging. Ende 2011 wurde die Pipeline Nordstream 1 in Betrieb genommen, die 2005, noch unter Rot-Grün, mit Russland vereinbart worden war. Putin lachte sich in die geballte Faust. Der russische Dealer hatte sich willige deutsche Junkies herangezüchtet.

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Der Ausstieg aus der Kohle soll „idealerweise“, wie es im Koalitionsvertrag der Ampel heißt, bis 2030 erfolgen. Das verschärft das Problem. Denn weiterhin notwendig bleibt eine jederzeit abrufbare Grundlast, die zur Verfügung steht, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.

Die Mitverantwortung kann den Grünen keiner abnehmen

Deshalb steht ebenfalls im Koalitionsvertrag: „Erdgas ist für eine Übergangszeit unverzichtbar.“ Der Bau neuer erdgasbetriebener Kraftwerke soll gefördert werden. Die Parteiführung der Grünen hat Gas als Brückentechnologie ausdrücklich akzeptiert.

Alles hat eine Ursache. Dass es einen kausalen Zusammenhang gibt zwischen Atom- und Kohleausstieg einerseits und deutscher Gas-Abhängigkeit andererseits, dürfte evident sein. Die Sorge um Radioaktivität, Atommüll und Kohlendioxid-Emissionen verdrängte die geopolitische Sicht auf den Profiteur dieser Sorge – Wladimir Putin. Die Mitverantwortung für das daraus resultierende Debakel kann den Grünen keiner abnehmen.

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